Der Bund hat die Förderung privater Ladeboxen aufgestockt. Welche Bedeutung haben die sogenannten Wallboxen für die Elektromobilität?
Private Ladeboxen haben für das Vorankommen der Elektromobilität und deren Einbindung in die Energiewende eine signifikante Bedeutung. Über 80% der Ladevorgänge werden auch zukünftig im nicht öffentlichen Umfeld durchgeführt. Ob privat zu Hause oder am Ladeplatz beim Arbeitgeber, unterliegen diese Ladevorgänge langen Standzeiten. Da wir bis zum Jahr 2030 bis zu 15 Millionen E-Fahrzeuge in Deutschland erwarten, ist es notwendig, dass Ladevorgänge netzdienlich gesteuert werden können. Dazu werden Ladeboxen mit intelligenten Steuer-Modulen ausgestattet, die es erlauben, je nach Bedarf und geplanter Standzeit des Nutzers, die Ladevorgänge zeitlich so anzupassen, dass es so zu keinen Überlastungssituationen in den Verteilnetzen kommen kann. Bereits innerhalb der ersten Förderung durch die KfW Bank, wurde diese Steuerfähigkeit vorausgesetzt.
Ich habe mit anderen Vertretern der Wirtschaft im Jahr 2019 an der Erstellung des Masterplan Ladeinfrastruktur durch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) mitwirken dürfen. Mit meinen Kolleg*innen haben wir uns sehr engagiert für die Förderung von privaten Ladeboxen eingesetzt, die es bis dato nicht gab und zunächst nicht vorgesehen war.
Neben einer gesteigerten Akzeptanz beim Nutzer, gibt es im Kontext intelligente private Ladebox einen weiteren positiven Aspekt für den Kunden: Intelligente Steuerung trägt zur Vermeidung von unnötigem Netzausbau bei, wodurch dem Endkunden keine zusätzlichen Kosten zukünftig entstehen werden.
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Über eine Ausschreibung des BMVI sollen bis 2023 zudem 1000 weitere Schnellladeparks, mit 4 bis 50 oder mehr Ladepunkten aufgebaut werden. Inwieweit ist dieses Ziel bedarfsgerecht?
Die Branche begrüßt das Engagement des Bundes zur Flächendeckung von Schnellladeinfrastruktur, insbesondere von infrastrukturschwachen Regionen. Diese Ausschreibung zum sogenannten „Deutschlandnetz“ soll u.a. dazu dienen, das Umsteigen der Gesellschaft auf die Elektromobilität zu erleichtern. Sie beruht auf den Inhalten des „Masterplan Ladeinfrastruktur“ und dem Schnellladegesetz, das dieses Jahr in Kraft getreten ist.
Die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus von Schnellladeinfrastruktur ist unstrittig, dennoch hat die Branche an dem Vorgehen des BMVI zwei hauptsächliche Kritikpunkte. Durch die „Deutschlandnetz“-Ausschreibung auf Grundlage des Schnellladegesetzes wird ein bereits heute gut entwickelter Lademarkt massiv durch den Staat gestört. Mit einer 100% Finanzierung der Errichtungs- und Betriebskosten von High Power Charging (HPC)-Ladeinfrastruktur für eine Laufzeit von acht Jahren, gekoppelt mit einer staatlichen gestützten Preisobergrenze von 44 Cent brutto pro Kilowattstunde, greift der Staat entscheidend in den bestehenden Wettbewerb ein.
Die angeführten Punkte stellen auch aus meiner Sicht eine Gefahr für den Bestand von errichteter Ladeinfrastruktur dar und wird den ebenso notwendigen weiteren Ausbau von privatwirtschaftlicher Schnellladeinfrastruktur signifikant bedrohen.
Als Äquivalent zum Dieselpreis eine Preisobergrenze von 44 Cent pro Kilowattstunde festzulegen ist zu kurz gesprungen. Auch bei sehr hoher Auslastung des Deutschlandnetzes werden mehr als 80 Prozent der Ladevorgänge unter der Prämisse von langen Standzeiten durchgeführt werden. Hier werden mittelfristig über die steigende Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen und intelligenter Steuerbarkeit Kilowattstundenpreise erwartet, die unter dem Niveau von Preisen für üblichen Haushaltsstrom liegen, da Ladevorgänge in lastschwache Zeiten verschoben werden können.
Ein dynamisch angepasstes Förderkonzept, wie man es beim Ausbau der Glasfasernetze angesetzt hat, wäre auch für die Ausschreibung des Deutschlandnetzes sinnvoller gewesen, da auch hier mit nur ein Teil des Bedarfes gedeckt werden kann. Von daher ist der Ansatz der 1.000 Schnellladeparks bedarfsgerecht, sollte jedoch im Sinne des Marktes angepasst werden.
Für längere Dienst- und Urlaubsreisen spielt auch die Ladeinfrastruktur außerhalb Deutschlands eine Rolle. Wie sehen Sie die gesamteuropäische Entwicklung diesbezüglich?
In Deutschland sind wir mittlerweile recht gut aufgestellt, was die Verfügbarkeit von Ladesäulen angeht. Andere Länder, wie z.B. Holland, Frankreich oder Italien sind historisch ebenfalls sehr aktiv in der Elektromobilität, was den Ausbau der Ladeinfrastruktur impliziert.
Aktuell gibt es aus dem europäischen Kontext mit dem „Fit for 55“ Programm dreizehn angegliederte Legislativverfahren, u.a. auch das AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) Verfahren zur Erstellung einer neuen Verordnung, welche die bereits bestehende AFID als Richtlinie ablösen wird. In diesem Verfahren werden zum Beispiel Vorgaben zur Flächendeckung und technischen Mindeststandards für einheitliches Laden gemacht.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass europaweite Fahrten von Kunden aktuell die absolute Ausnahme sind. Aber mit höherer Durchdringung von Elektrofahrzeugen sollte ein Flächendeckungsansatz, wie er in Deutschland durch die „Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur“ anhand von intelligenten Tools errechnet wird, auch für Europa gelten sollte. Neben Eingaben von Verbänden, sind in dieser Angelegenheit die verantwortlichen Ministerien aktiv, Eingaben an die EU-Kommission zu machen. Dieses geschieht unter Hinzunahme von Experten aus der Branche.
Geld pro Kw/h, pro Ladezeit, Pauschalen, Clubsysteme und Mixe aus alledem – derzeit sind die Preise fürs Schnellladen sehr kompliziert. Sollte die Politik aus Ihrer Sicht da Vorgaben machen?
Eichrechtliche Anforderungen sind für die technischen Umsetzungen in der Elektromobilität deutlich aufwendiger als beispielsweise das Abrechnen von Haushaltsstrom. Vertraglich gesehen, müssen jeden Tag mehrere Wohnungseinzüge und -auszüge rechtssicher an einer Ladesäule über die Fernübertragung von Messwerten und sensiblen Daten abgewickelt werden. Ich bin seit 2010 in die Entwicklung rechtssicherer Lösungen über die Standardisierung, als auch in Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren involviert. Die bis heute geschaffenen Lösungen lassen in ihrer Anwendung bestimmte Umsetzungen als Produkte zu. Dazu gehört in erster Linie das vertragsbasierte Laden. Dabei schließen Kund*innen mit einem Mobilitätsanbieter einen Vertrag. Die Preise sind dabei je nach Ladeart festgelegt. D.h., Kund*innen nehmen den vertraglich zugesicherten Preis an jede Ladesäule mit, die am europaweiten Roaming-Modell teilnimmt. Dieser Preis ändert sich nicht, egal an welcher Ladesäule er oder sie das E-Fahrzeug lädt. Das Modell hat sich bewährt.
Ich kann hier nur für unser Unternehmen sprechen und sagen, dass unsere Kund*innen dieses Modell als transparent ansehen und es gut angenommen haben. Die Politik sollte hier keine Vorgaben machen, sondern auf die Einhaltung der Anforderungen des Verbraucherschutzes verweisen. Dann kann es in der Ausprägung am Markt keine zwei Meinungen geben. Dafür haben wir in Deutschland die Landeseichbehörden, die jederzeit bei möglichen Fragestellungen als Marktaufsicht konsultiert werden können.
Bei der Preisgestaltung zu Endkund*innen sollte sich der Staat gänzlich raushalten. Dazu gibt es stetige Untersuchungen des Marktes der Mobilitätsanbieter und der Ladesäulenbetreiber durch das Bundeskartellamt und die Monopolkommission.