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Interview04.10.2021

Ausbaugeschwindigkeit muss nahezu verzehnfacht werden

Wie sich die Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität entwickelt

Hildegard Müller - Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie Quelle: VDA/Butzmann Hildegard Müller Präsidentin Verband der Automobilindustrie VDA
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"Im August war bereits jeder vierte in Deutschland zugelassene Pkw ein Elektroauto", sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. Dabei sei die Skepsis gegenüber der Ladeinfrastruktur der gravierendste Vorbehalt gegen den Kauf eines E-Autos. Daher begrüßt sie die Förderprogramme und mahnt die Zusammenarbeit vieler Akteure an.





Der Bund hat die Förderung privater Ladeboxen aufgestockt. Welche Bedeutung haben die sogenannten Wallboxen für die Elektromobilität?
Die Bedeutung der sogenannten Wallboxen ist sehr groß. Wir gehen davon aus, dass aktuell acht von zehn Ladevorgängen in Deutschland im privaten Bereich erfolgen, davon der größte Teil an der Wallbox zu Hause. Die nochmalige Aufstockung des Förderprogramms ist deshalb sehr zu begrüßen. Es unterstützt den Ausbau der Elektromobilität und ist ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr.

In Summe wurden bereits mehr als 800.000 Ladepunkte beantragt. Das zeigt die Wirksamkeit des Förderprogrammes und den Zuspruch für einfache und unbürokratische Angebote. Jetzt gilt es, in gleicher Art den Aufbau am Arbeitsplatz und im Handel zu fördern.

Im August war bereits jeder vierte in Deutschland zugelassene Pkw ein Elektroauto! Um dem Hochlauf der Elektromobilität gerecht zu werden, brauchen wir deshalb beim Ausbau überall mehr Tempo. Im September waren bei der Bundesnetzagentur bundesweit gerade einmal 47.000 Ladepunkte gemeldet. Bei einem geschätzten Bestand von 960.000 E-Pkw kommen damit etwa 20 E-Autos auf einen Ladepunkt. Und um die deutschlandweit 1 Millionen Ladepunkte zu erreichen, die die Bundesregierung für 2030 avisiert, wäre aber der Aufbau von rund 2.000 Ladepunkten pro Woche nötig. Gebaut werden aber kaum mehr als 200. Die Ausbaugeschwindigkeit muss also nahezu verzehnfacht werden. Dafür müssen jetzt viele Akteure zusammenarbeiten. Dazu zählen die Energieversorger sowie die Bürgermeister und Landräte, die den lokalen Aufbau koordinieren müssen, schließlich wissen sie am besten, wie der Bedarf vor Ort konkret aussieht.

Eine aktuelle Allensbach-Studie im Auftrag des VDA zeigt, dass die Skepsis der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Ladeinfrastruktur der gravierendste Vorbehalt gegen den Kauf eines E-Autos ist. Wir brauchen eine Ladeinfrastruktur, die den Menschen das Vertrauen gibt, dass sie überall laden können. Das ist der Schlüssel, damit noch mehr Menschen auf die Elektromobilität umsteigen.

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Mit Fördermitteln sollen bis 2023 zudem 1.000 Schnellladestationen aufgebaut werden. Inwieweit ist dieses Ziel bedarfsgerecht?
Wir brauchen schnell ein flächendeckendes Schnellladenetz. Das "Schnellladenetz Deutschland" mit 1.000 Schnellladeparks, das Sie ansprechen, setzt die richtigen Ziele und Vorgaben. Jetzt kommt es darauf an, dass die Planung und der Aufbau der Parks zügig beginnen. Gleichzeitig muss der Ausbau jenseits dessen entschieden vorangetrieben werden.

Für längere Dienst- und Urlaubsreisen spielt auch die Ladeinfrastruktur außerhalb Deutschlands eine Rolle. Wie sehen Sie die gesamteuropäische Entwicklung diesbezüglich?
Eine europaweite Ladeinfrastruktur ist praktisch nicht vorhanden. Zwei Drittel aller Ladepunkte in der EU stehen in gerade einmal drei Ländern: Deutschland, Frankreich und Niederlande. Der Nachholbedarf ist immens, gerade in Osteuropa. Hier gibt es dringenden Nachholbedarf für die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission muss sich dieses Themas intensiver annehmen.

Dass die EU-Kommission mit einer verbindlichen Verordnung den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos in ganz Europa zur Pflicht machen will, ist deshalb richtig. Allerdings bleiben die Vorgaben hinter dem zurück, was erforderlich ist. Der Plan sieht in der EU 1 Millionen Ladepunkte in 2025 und 3,5 Millionen Ladepunkte in 2030 vor. Der tatsächliche Bedarf jedoch liegt jedoch bei 1,5 Millionen Ladepunkten in 2025 und 4 Millionen in 2030. Wir brauchen also auch hier erheblich mehr Anstrengungen. Wichtig außerdem für Deutschland und ganz Europa: Wir brauchen 100 Prozent Ökostrom. Denn nur so kann die E-Mobilität ihr volles Potential entfalten, niemand will sein E-Auto mit Strom aus Braunkohle laden.

Außerdem dürfen wir die weltweit etwa 1,5 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennermotor nicht aus dem Blick verlieren, von denen wir übrigens auch in Deutschland im Jahre 2030 wahrscheinlich noch etwa 30 Millionen auf den Straßen haben werden. Damit auch diese Verbrenner einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, braucht es E-Fuels, hergestellt mit erneuerbaren Energien. Allein mit der Umstellung auf E-Mobilität werden wir die Klimaziele nicht erreichen, deshalb ist Technologieoffenheit wichtig für den Klimaschutz.

Geld pro Kw/h, pro Ladezeit, Pauschalen, Clubsysteme und Mixe aus alledem – derzeit sind die Preise fürs Schnellladen sehr kompliziert. Sollte die Politik aus Ihrer Sicht da Vorgaben machen?
Angebotsvielfalt und hoher Wettbewerb setzen die Preise unter Druck und sorgen für die Optimierung der Vertragsangebote entsprechend den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher, die ja durchaus unterschiedlich sind. Aus unserer Sicht brauchen deshalb die Vertragsanbieter Zugang zu allen Ladepunkten und die Nutzer freie Vertragswahl. Wichtig ist, dass das Laden einfach, transparent und kundenfreundlich ist. Die Digitalisierung bietet dafür intelligente Lösungen. Die geplante obligatorische Ausstattung der Ladesäulen mit Kartenlesegeräten ist da leider ein technischer Rückschritt. Sie verkompliziert den ohnehin schleppenden Ausbau unnötig und verursacht zusätzliche Kosten.

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