Nach vielen Monaten Pandemie vertrauen viele Chefs ihren Mitarbeitern im Homeoffice nicht und wollen, dass diese alsbald in die Büros zurückkehren. Wie schätzen Sie die Potenziale von mobiler Arbeit und Homeoffice ein?
Genauso rasant, wie sich das Corona-Virus in unserem Land verbreitet hat, genauso schnell wurde die Arbeitswelt von hunderttausend Beschäftigten völlig auf den Kopf gestellt: Homeoffice wurde plötzlich zu einem Massenphänomen, wie wir es so vorher nicht kannten. 4 von 10 Beschäftigten in Österreich hatten ihr Büro zuhause. Die Vertrauensfrage hat sich hier auch geklärt: Während davor die Befürchtung da war, dass ArbeitnehmerInnen zu Hause nicht arbeiten, hat sich in der Pandemie klar gezeigt: sie arbeiten mehr statt weniger.
Generell gehen wir davon aus, dass es auch in Zukunft vermehrt zu Homeoffice kommen wird. In der so genannten Telearbeit bzw. im Homeoffice der Zukunft muss der Fokus stark auf ArbeitnehmerInnenschutz gerichtet sein. Das fängt bei der zeitlichen Entgrenzung an – wobei man gar nicht oft genug darauf hinweisen kann, dass auch im Homeoffice das Arbeitszeitgesetz gilt – und geht weiter rund um die richtige Ausstattung bis hin zu einem guten Unfallversicherungsschutz. Hier haben wir als Gewerkschaft in Österreich deutliche Verbesserungen mit einem neuen Homeoffice-Gesetz geschafft. Wo ich noch Handlungsbedarf sehe, ist bei einer arbeitnehmerInnenfreundlichen Regelung, wenn Homeoffice grenzüberschreitend getätigt wird, beispielsweise beim Steuerrecht.
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Für wie sinnvoll halten Sie das vieldiskutierte Recht auf Homeoffice nach einem möglichen Ende der Pandemie?
Der Österreichische Gewerkschaftsbund ist klar gegen ein Recht auf Homeoffice, weil es sonst zu schnell zur Pflicht und damit zum Zwang wird. Einer der zentralen Punkte bei der im Frühjahr erreichten gesetzlichen Homeoffice-Regelung in Österreich ist, dass Arbeiten zu Hause immer freiwillig sein muss. Niemand kann gezwungen werden, im Homeoffice zu arbeiten, es muss also vereinbart werden. Ein Rücktrittsrecht bei wichtigen Gründen ist fixiert.
Für uns steht außer Zweifel, dass Homeoffice nur freiwillig funktionieren kann, inklusive dem Recht auf einen Arbeitsplatz im Betrieb. Warum? Die Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen aber auch der Unternehmer in den diversen Branchen sind unterschiedlich und man kann nicht generalisieren. Die Freiwilligkeit stellt sicher, dass auf die Lebenssituation der Beschäftigten aber auch auf betriebliche Abläufe Rücksicht genommen werden und Homeoffice dort eingesetzt werden kann, wo es von beiden Seiten gewünscht ist.
Zugleich halten viele Entscheider Investitionen in flexible Arbeitstechnologien für das Recruiting und die Bindung von Mitarbeitern für wichtig. Wie sehen Sie das?
„Wir wissen, dass – vor allem – zu Beginn der ersten Homeofficewelle es oft an der Ausstattung gehapert hat. Essentielles Arbeitsmaterial wurde von den Arbeitgebern schlicht nicht zur Verfügung gestellt. Einen richtigen Schreibtischsessel bekam gerade einmal jede*r zehnte Arbeitnehmer*in, nur jede*r Achte einen Drucker. Bei acht Prozent der Arbeitnehmer*innen kümmerte sich das Unternehmen um einen Internetanschluss und nur eine*r von zwanzig Angestellten bekam einen professionellen Schreibtisch. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Beschäftigte für die Arbeit im Betrieb ihren eigenen Computer oder Drucker mit ins Büro nehmen. Oder ob sie sich am Strom oder Internet beteiligen sollten. Im Homeoffice werden ArbeitnehmerInnen bei diesem Thema aber sehr wohl oft alleine gelassen – mehr noch: es gibt eine Kostenverschiebung zu Ungunsten der ArbeitnehmerInnen, gerade wenn es um den (Extra-)Platz zum Arbeiten wie etwa einem eigenen Arbeitszimmer geht.
Es gibt Beratungsfirmen, die sagen, bei mittleren und großen Unternehmen rechnet man mit einer Einsparung von 20 Prozent bei Räumen und zwölf Prozent bei den Nebenkosten. Und diese Kosten kann man nicht – wenn auch nur teilweise – den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umhängen.
Gute technische Ausstattung und ein schöner Laptop fürs Homeoffice sind wichtig, aber bei weitem nicht alles, was Beschäftigten geboten werden muss. Es gibt auch größere Kostenfaktoren, wie z.B. Wohnungskosten, die bei Bewerbungsgesprächen der Zukunft eine Rolle spielen müssen. Sie könnten durchaus ein „pull-Faktor“ für BewerberInnen sein, sich für einen Job zu entscheiden.
Durch digitale Technologien eröffnen sich neue Modelle wie Office- oder Desk-Sharing. Könnte der klassische Büroarbeitsplatz am Ende überflüssig werden?
Dass sich digitale Technologien weiterentwickeln bzw. verändern und unseren Alltag beeinflussen, ist kein neues Phänomen. Das beobachten wir in der einen oder anderen Form seit den 1970er Jahren. Ich kann mich erinnern, dass vor einigen Jahren das Schlagwort „Papierloses Büro“ als “next big thing” angepriesen wurde. Und es stimmt sicher, dass wir heute weniger drucken - ganz ohne Papier geht es aber (noch immer) nicht. Das Faxgerät ist vielleicht obsolet geworden, der Drucker aber nach wie vor nicht. Ich gehe nicht davon aus, dass in Zukunft niemand mehr einen Büroplatz haben wird, sondern arbeiten von wo auch immer aus, möglich ist. Aus Umfragen wissen wir zudem, dass auch die Freude über Homeoffice in Kombination mit Desksharing bei den Menschen skeptisch gesehen wird. Diese geteilten Arbeitsplätze bzw. Schreibtische erschweren für viele die Kommunikation mit den KollegInnen und auch den Vorgesetzten. Keinen fixen Schreibtisch zu haben, stresst auch viele, wenn sie in die Arbeit kommen. Es stärkt auch nicht wirklich das Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb.