Die EU will einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS: European Health Data Space) schaffen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Vorteile eines solchen?
Durch die europaweite Standardisierung von Regeln zur Sammlung und Nutzung von Gesundheitsdaten könnte es einen Digitalisierungsschub für Deutschland geben. Denn der grenzüberschreitende Austausch von Daten der medizinischen Versorgung, der mit dem EHDS vorgesehen ist, wird nutzbringend sein.
Schließlich sollen Patientinnen und Patienten künftig auch von einer verbesserten Forschungsgrundlage profitieren. Hier gibt es insbesondere hierzulande Defizite, die während der Corona-Pandemie deutlich sichtbar wurden. Das deutsche Gesundheitssystem war vielfach auf den Erkenntnisgewinn aus anderen Ländern angewiesen. Auch im Bereich der Fehlverhaltensbekämpfung können durch den EHDS Synergieeffekte entstehen, welche die gesetzlichen Kassen finanziell entlasten.
Aber auch die Bundesregierung muss mehr tun, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich voranzubringen. Mit der am 9. März vorgelegten Digitalisierungsstrategie sollen richtige Schritte gegangen werden, etwa mit der Opt-Out-Lösung für die ePA. Entscheidend aber wird sein, dass diese auch verpflichtend von allen Leistungserbringenden befüllt wird.
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Welche technischen Hürden sind für einen gemeinsamen Gesundheitsdatenraum zu überwinden?
Der Verordnungsvorschlag zu den EU-seitigen Anforderungen an die Interoperabilität lässt vermuten, dass die Telematik-Infrastruktur angepasst werden muss, was zumindest in der Anfangsphase zu hohen Kosten führen dürfte. Darum plädieren wir bei der regulatorischen Ausgestaltung für mehr pragmatische Freiräume, um an die bestehenden nationalen Lösungen zur elektronischen Patientenakte anzuschließen. Die bereits erfolgten Investitionen sollten sich auch nach Öffnung des Marktes noch rechnen.
Welche Herausforderungen sehen Sie insbesondere in Sachen Datenschutz und IT-Sicherheit?
Gesundheitsdaten sind hochsensible Daten, die nicht in den falschen Händen landen dürfen. Deshalb muss von Anfang an sichergestellt sein, dass ein hohes Schutzniveau der Daten gewährleistet ist. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass Cyberangriffe auf die Systeme der elektronischen Patientenakte zu Vertrauensverlusten und finanziellem Schaden führen.
Herausforderung bleibt auch das richtige Zusammenwirken des EHDS mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Trotz der direkten Anwendbarkeit der DSGVO gibt es aufgrund von Öffnungsklauseln teils unterschiedliche Konventionen bei der nationalen Anwendung. Meine Hoffnung ist, dass hier der EHDS für eine weitere Harmonisierung sorgt. Dabei gilt es natürlich, die richtige Balance zwischen dem Schutz von personenbezogenen Daten und der Ermöglichung von Digitalisierung und Innovation zu finden.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt in einem endgültigen Regelwerk stehen - und was auf keinen Fall?
Eine europaweite Opt-Out Lösung für die elektronische Patientenakte sollte vorgesehen sein. Forschungsergebnisse, die durch die Nutzung von den im EHDS gewonnenen Daten ermöglicht wurden, sollten öffentlich zugänglich gemacht werden. Sofern Wirtschaftsunternehmen die Daten zur Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen verwenden, sollten diese allerdings eine Kompensation erbringen, die beispielsweise in die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme einfließt und die Beitragszahlenden entlastet.
Was wir in der jetzigen Form ablehnen, ist die Aufnahme von Wellnessanwendungen in den EHDS. Der aktuelle Entwurf sieht dazu keinerlei Qualitätskriterien vor. Zur Gewährleistung eines hohen nationalen und europäischen Qualitätsstandards für Gesundheitsdaten sollen nur diejenigen Daten in den Anwendungsbereich aufgenommen werden, bei denen der Patienten- und Forschungsnutzen nachweisbar ist.