Mit dem Digitalpakt Schule hat der Bund Milliarden in die Ausstattung der deutschen Schulen gesteckt. Nun ist erstmal Schluss, deswegen fordert Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing vom Deutschen Philologenverband in unserer Fachdebatte dringend eine Zwischenfinanzierung, solange es den Digitalpakt 2.0 noch nicht gibt. Denn die Schulen benötigen aus ihrer Sicht umgehend Mittel für eine angemessene Unterstützung der Schulverwaltung und des Unterrichts, um digital auf der Höhe der Zeit zu sein. „Mittel- und langfristig ist das ständige Hangeln von einem Digitalpakt zum nächsten keine Lösung. Wir brauchen eine nachhaltige Finanzierungsstrategie, damit Schulen verlässlich planen können.“
Anja Bensinger-Stolze von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beobachtet, dass die Schulen an ganz unterschiedlichen Punkten stehen. Ihre Gewerlschaft setzt sich dafür ein, dass alle Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte die gleichen Bedingungen an den Schulen haben und die Schuldigitalisierung nicht nach dem Zufallsprinzip läuft. „Deshalb muss der Digitalpakt 2.0 an den richtigen Stellen nachjustiert werden. Hierbei hilft nicht das Gießkannenprinzip - Ungleiches muss ungleich behandelt werden.“ Konkret fordert sie, die Mittel aus dem Digitalpakt 2.0 nach sozialen Indikatoren zu verteilen. So werde sichergestellt, dass die Gelder da ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden, nämlich bei den Schulen in schwierigen sozialen Lagen und den armen Familien.
Auch aus Sicht der Schülerschaft hat der Digitalpakt sicherlich einigen Schulen dazu verholfen, digitalisiert zu werden. „Wir sehen aber auch, dass der Digitalpakt nicht ausreichend war. Aktuell sind viele Schulen immer noch marode“, erklärt Louisa Basner von der Bundesschülerkonferenz. „Ich habe bereits Schulen gesehen, wo Wasser aus den Decken getropft ist und es auch noch Kreidetafeln in den Klassenräumen gibt.“ In diesen Schulen sieht sie noch keine Veränderung, trotz des Digitalpaktes. Grundsätzlich sei zu wenig Geld für alle Schulen vorhanden. Dort sei man von Digitalisierung leider noch weit entfernt.
Dabei haben auch Länder vieles getan. Aus Baden-Württemberg berichtert Kultusminsterin Theresa Schopper (Grüne), dass die Schulträger die digitale Ausstattung in den letzten Jahren massiv ausgebaut haben - mit starker Unterstützung durch Land und Bund. „Nahezu alle Schulen verfügen über ein Netzwerk, WLAN und moderne Geräte. Die Quote „Schüler zu Endgerät“ liegt über alle Schularten hinweg im Mittel bei 3:1 bis 4:1.“ Auch mindestens 75% der Lehrkräfte verfügen laut Schopper über ein Dienstgerät. Gleichwohl sei bei der Leistungsfähigkeit der Infrastruktur noch Luft nach oben. Mit der grundlegenden Ausstattung, der Fortbildung der Lehrkräfte und den inzwischen vorliegenden Praxiserfahrungen an den Schulen steigen aus ihrer Sicht die Anforderungen. Ihr Haus bekomme bereits die Rückmeldung, dass nun auf einem nächsten Level die Fortsetzung folgen muss.
In Rheinland-Pfalz wurden laut Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig (SPD) allein in den vergangenen fünf Jahren Landesmittel von fast 100 Millionen in die Digitalisierung der Schulen gesteckt. Diese flossen in den Aufbau einer Plattformen Bildungsportal und Schulcampus RLP für vernetztes und interaktives Arbeiten, in die digitale Infrastruktur, in das KI-Tool „fobbiz“ oder in das Digitale Bücherregal. „Der DigitalPakt hat eine entscheidende und wichtige Rolle gespielt, damit wir unseren Weg weitergehen, Maßnahmen ausbauen und beschleunigen konnten.“ Die Mittel seien komplett gebunden und zum größten Teil auch schon in den Schulen angekommen – in Form von Beamern und interaktiven Boards, aber auch in Form von 46.000 Leihgeräten für Lehrkräfte und 57.000 Tablets und Laptops für bedürftige Schülerinnen und Schüler. Um das Erreichte auf Dauer zu sicher sichern, unterstützt ihr Haus mit rund 24 Millionen Euro die Schulträger bei Support und Administration.
Doch die Anschaffungen haben Folgekosten. In Sachsen ergibt sich laut Kultusminister Christian Piwarz (CDU) allein aus der Ausstattung aller Schulen mit Endgeräten ab 2025 ein Mehrbedarf für Wartung, Support und Ersatzbeschaffung im Umfang von bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr. Und da seien die Aufwendungen der Schulträger für die digitale Grundinfrastruktur wie LAN, WLAN, Server oder die Kosten für zentrale digitale Dienste wie Lernplattformen und ID-Managementsysteme noch gar nicht mit drin. Sachsen erwartet daher, dass diese „Ewigkeitskosten“ in einem Digitalpakt 2.0 abgebildet sein müssen. „Ich habe große Sorge, dass es keinen Digitalpakt 2.0 geben wird.“ Doch die Digitalisierung der Schulen seien nur gemeinsam zu bewältigen mit den Kommunen als Schulträger, den Länder und dem Bund.
Bei Sinn, Umfang der Digitalisierung an Schulen plädiert Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) einen ausgewogenen und zielgerichteten Ansatz. Digitaler Unterricht dürfe nicht zum Selbstzweck werden. Vielmehr sollten digitale Elemente und Unterstützungssysteme und -werkzeuge als native Bestandteile des Lehrens und Lernens integriert werden, so, wie sie im außerschulischen Leben der Schülerinnen und Schüler präsent sind. Digitale Werkzeuge sollten als selbstverständliche Unterrichtsmittel begriffen und nicht als Allheilmittel verstanden werden. „Angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz dürfen neue Technologien nicht überstürzt in den Unterricht integriert werden, nur, weil sie zugänglich sind. Stattdessen ist es wichtig, diese schnell und präzise dahingehend zu bewerten, welche Kompetenzen sie bei den Schülerinnen und Schülern sowohl kurzfristig als auch mittel- und langfristig fördern und erfordern.“ Schülerinnen und Schüler sollten in die Lage versetzt werden, sowohl in der Gegenwart als auch in ihrem späteren (Berufs-)Leben souverän in einer zunehmend digitalisierten Welt zu agieren.
Auch Ralph Müller-Eiselt vom Forum Bildung Digitalisierung will sich intensiv mit dem „Wie“ bei der Digitalisierung befassen. Schule dürfe kein analoger Kosmos in einer digitalen Lebenswelt sein. „In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung sind Digitalkompenzen unverzichtbare Basiskompetenzen, um zum Beispiel Desinformation im Netz begegnen zu können. Zahlreiche Studien weisen die Lernpotenziale digitaler Medien in bestimmten Unterrichtsszenarien nach. Richtig eingesetzt, können digitale Medien das Lernen sehr wirksam unterstützen.“ Sie seien Teil der Lösung für zentrale pädagogische Herausforderungen - dazu zählen für ihn auch der Ganztagsausbau, Inklusion, Umgang wachsender Vielfalt und individuelle Förderung.
Für Prof. Dr. Thomas Irion Direktor Zentrum für Medienbildung (ZfM) bieten Digitale Technologien enorme Chancen für das Aufwachsen und die Bildung von Kindern. Schulen und KITAs müssen diese Bildungspotenziale aus seiner Sicht nutzen, um Kinder angemessen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. „Allerdings sind die Bedenken hinsichtlich der außerschulischen Nutzung von Medien durchaus ernst zu nehmen.“ Er fordert den Einsatz digitaler Medien in KITA und Grundschule in medienpädagogische Konzepte einzubinden, die das sichere Aufwachsen von Kindern unterstützen.