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Interview01.07.2024

Warum Schule kein analoger Kosmos in einer digitalen Lebenswelt sein darf

Und welche Anstrengungen nun nötig sind

Ralph Müller-Eiselt - Vorstand, Forum Bildung Digitalisierung Quelle: Phil Dera / Forum Bildung Digitalisierung Ralph Müller-Eiselt Vorstand Forum Bildung Digitalisierung e.V.
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Der Digitalpakt hat dringend notwendige Investitionen in den Schulen möglich gemacht und so maßgeblich digitale Schulentwicklung unterstützt", erklärt Ralph Müller-Eiselt vom Forum Bildung Digitalisierung. Nun muss es aus seiner Sicht weiter gehen und er fordert unter anderem eine Fortbildungsoffensive für Lehrkräfte.





Der Digitalpakt Schule hatte das Ziel, eine "leistungsfähige digitale Bildungsumgebungen" zu schaffen - wo stehen die Schulen nun diesbezüglich?
Der Digitalpakt hat dringend notwendige Investitionen in den Schulen möglich gemacht und so maßgeblich digitale Schulentwicklung unterstützt. Das hat zu deutlichen Verbesserungen bei der technischen Infrastruktur und der Basisausstattung in den Schulen geführt. Im Zuge der Pandemie wurde zudem im Sinne der Chancengerechtigkeit ein Sofortprogramm für digitale Endgeräte von Schüler:innen nachgelegt. Leider bestehen zwischen den Schulen weiterhin erhebliche Ungleichheiten hinsichtlich Ausstattung und Zugang zu digitalen Lernangeboten. Zudem ist es mit der Basisausstattung allein nicht getan: Technik muss gepflegt und regelmäßig aktualisiert werden. Für Wartung und Support braucht es flächendeckend IT-Fachkräfte in den Schulen. Und jenseits von Technik ganz entscheidend: die pädagogische Qualifizierung von Lehrkräften und Schulleitungen im Umgang mit digitalen Medien steht in den Schulen oft noch in den Startlöchern.

Welche Anstrengungen - und welche Unterstützung vom Bund - sind künftig nötig?
Digitale Bildung ist eine gemeinsame Daueraufgabe für Bund, Länder und Kommunen. Schulen und Schulträger benötigen verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit, deshalb braucht es dringend Klarheit über einen zweiten Digitalpakt. Dieser sollte den Weg zu einer dauerhaften Finanzierung ebnen, damit etwa Anschaffung und Wartung von Geräten nicht aus Projektmitteln, sondern aus Haushaltsmitteln bezahlt werden kann. Er muss jenseits der Infrastruktur auch in eine Fortbildungsoffensive investieren. Und es braucht eine bedarfsgerechte Mittelvergabe  –  damit das Geld tatsächlich dort ankommt, wo es für Teilhabe und Chancengerechtigkeit am meisten gebraucht wird. Entscheidend für zukünftige Programme ist zudem, dass sich alle Akteure im System auf ein gemeinsames Zielbild für eine gelingende digitale Transformation verständigen.

Mit neuer Technik wachsen auch die Anforderungen an das Lehr-Personal. Wie wird die Lehrerschaft für diese Herausforderung fit gemacht?
Daten des Deutschen Schulbarometers zeigen, dass Fortbildungen zu digitalen Medien bei Lehrkräften in Deutschland derzeit thematisch an erster Stelle stehen. Bedarf und Interesse sind also eindeutig vorhanden. Wir starten hier allerdings im internationalen Vergleich von einem sehr niedrigen Niveau. Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte ist in Deutschland wenig systematisch, wenig verbindlich und finanziell schwach ausgestattet. Eine Fortbildungsoffensive für Lehrkräfte ist deshalb dringend notwendig und muss fester Bestandteil eines zweiten Digitalpakts sein. Im Zentrum sollten dabei nicht einzelne Technologien, sondern guter Unterricht in der Kultur der Digitalität stehen. Der Kompetenzverbund lernen:digital erarbeitet dazu evidenzbasierte Angebote für die Professionalisierung von Lehrkräften. Neben fachdidaktischen Aspekten zum effektiven Einsatz digitaler Medien ist hier Schulentwicklung entscheidend: Kollegien sollten sich auf gemeinsame Ziele verständigen und die digitale Transformation ihrer Schule als Teamaufgabe verstehen.

Eine große Baustelle ist aber auch die Lehrkräfteausbildung. Laut Monitor Lehrerbildung sind im gymnasialen Lehramtsstudium digitalisierungsbezogene Inhalte bislang nur an jeder zweiten Hochschule verpflichtend. Das muss sich dringend ändern, damit Lehrkräfte die Potenziale digitaler Medien für die Schul- und Unterrichtsentwicklung systematisch ausschöpfen können.

Wissenschaftler befürchten, dass digitale Medien sogar negative Auswirkungen auf das Lernen haben könnten. Welches Maß und welche Art der Digitalisierung ist an den Schulen überhaupt sinnvoll?
Digitale Medien sind nicht nur Lernmittel, sondern sie prägen maßgeblich das Leben und die zukünftige Arbeitswelt von Kindern und Jugendlichen. Wir sollten deshalb nicht in Debatten über das „Ob“ der digitalen Transformation in der Schule zurückfallen, sondern uns weiterhin intensiv mit dem „Wie“ befassen. Schule darf kein analoger Kosmos in einer digitalen Lebenswelt sein. Die Sorge vor zu viel Digitalisierung ist für deutsche Schulen jedenfalls unbegründet - im internationalen Vergleich liegen wir bei der digitalen Ausstattung deutlich zurück, bei den Kompetenzen der Schüler:innen im Mittelfeld. In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung sind Digitalkompenzen unverzichtbare Basiskompetenzen, um zum Beispiel Desinformation im Netz begegnen zu können. Zahlreiche Studien weisen die Lernpotenziale digitaler Medien in bestimmten Unterrichtsszenarien nach. Richtig eingesetzt, können digitale Medien das Lernen sehr wirksam unterstützen. Sie sollten nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung für zentrale pädagogische Herausforderungen betrachtet und genutzt werden. Dazu zählen der Ganztagsausbau, Inklusion, Umgang wachsender Vielfalt und individuelle Förderung.

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