Die Bundesregierung will Deutschland mit einer nationalen Wasserstoff-Strategie und damit verbundenen Förder-Milliarden zur führenden Wasserstoffnation machen. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen soll die deutsche Industrie bei dieser Technologie nach vorn bringen. Für Prof. Dr.-Ing. Olivier Guillon, Direktor Institut für Energie und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich, stellt die Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung einen klaren Handlungsrahmen mit Zielen und Aktionsplan dar. „Begleitet durch 38 konkrete Maßnahmen soll ein Ökosystem entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette entstehen, von der Produktion, der Speicherung und dem Transport bis zur Nutzung und Integration ins Gesamtsystem“. Das sei ein sehr wichtiger Schritt für das große Transformationsprojekt „Energiewende“.
Wasserstoff als chemischer Energieträger ermögliche eine wesentlich stärkere Kopplung der Sektoren Strom und Wärme, Industrie und Mobilität sowie eine saisonale Energiespeicherung. Aber Wasserstoff müsse wettbewerbsfähig werden. Dabei gehe es unter anderem um Skalierungseffekte. „Je mehr produziert wird, desto billiger wird es. Interessant ist, dass die Wasserstoff-Strategie ein dynamischer Prozess ist und stetig neue Entwicklungen integrieren soll“, so der Forscher.
Für die Präsidentin Bundesverband Erneuerbare Energie, Dr. Simone Peter, ist das Vorhaben der Bundesregierung nur glaubhaft, wenn die Ausbauziele für Elektrolyseleistung und die dafür notwendige Erneuerbare Energie den echten Bedarfen entsprechen. In der Fachdebatte auf meinungsbarometer.info zitiert sie Untersuchungen, nach denen es zusätzlich 206 TWh Ökostrom im Kontext der Sektorenkopplung (davon 105 TWh für PtX-Anwendungen wie Wasserstoff) braucht, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung für 2030 zu erreichen. Deswegen müsse die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung nachgebessert und durch entsprechende Ausbauziele für heimische Erneuerbare Energien unterlegt werden. „Hierfür ist das EEG anzupassen, aber auch Genehmigungen und Flächen auszuweiten“, betont Simone Peters.
Leonora Holling vom Bund der Energieverbraucher bezweifelt, dass die durch die Bundesregierung zur Verfügung gestellten Fördermittel tatsächlich etwas bewegen werden. „Da die Vorgaben des Einsatzes der Mittel nicht ausreichend definiert sind, besteht leider die Befürchtung, dass die Förderung nach dem Gießkannenprinzip verdunstet“, so die Verbands-Vorsitzende. Außerdem bekommen aus ihrer Sicht Start-ups bei den Programmen zu wenig Beachtung, und Fragen des Leitungsnetzes seien ebenfalls noch unklar. Zudem bestehen für sie erhebliche Zweifel, dass grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden kann.
Auch für Wissenschaftler Prof. Dr.-Ing. Olivier Guillon ist es nicht haltbar, dass aktuell sogenannter „grauer“ Wasserstoff zum Großteil aus der Reformierung von Erdgas (Methan) mit erheblichen CO2-Emissionen gewonnen wird. BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter fordert in diesem Zusammenhang ambitionierte und transparente Nachhaltigkeitskriterien für verschiedene H2-Produkte, welche den gesamten CO2-Fußabdruck der jeweiligen H2-Produkte einbeziehen und sichtbar machen.
Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Dr. Volker Wissing findet die langfristige Ausrichtung auf „grünen Wasserstoff“ im Grundsatz ebenfalls richtig. „Aber gerade in der Übergangszeit benötigen wir Spielräume, damit wir schnell über ausreichend Wasserstoff verfügen und neue Technologien auch in die Anwendung bringen können“, so der Minister. Sein Bundesland hat eine eigene „Wasserstoffstrategie für Nutzfahrzeuge“ auf den Weg gebracht. Damit soll ein Netzwerk „Wasserstoff für Nutzfahrtzeuge“etabliert werden, Investitionen in Forschung und Entwicklung für Wasserstoff in Rheinland-Pfalz erfolgen und eine technologieoffene Ausgestaltung der CO2-Regulatorik für Nutzfahrzeuge in der EU erwirkt werden.
Auch im Norden Deutschland gibt es eine eigene Wasserstoff-Strategie der nördlichen Bundesländer. Dr. Bernd Buchholz, Wirtschafts-Minister in Schleswig-Holstein, betont die besonderen Standortvorteile Norddeutschlands zum Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft: „Die hohen On- und Offshore-Windstromkapazitäten, die Seehäfen, die Expertise in der Wissenschaft und in den Unternehmen (nicht nur des maritimen Sektors) und die Reallabore.“ Die Strategie gehe jetzt in Phase der weiteren Konkretisierung auf Länderebene, der verstärkten Vernetzung norddeutscher Akteure, der konkreten Maßnahmendefinition sowie der Umsetzung. Man berichte auch an die Küstenwirtschafts- und Verkehrsministerkonferenz. „Dabei werden auch die mittlerweile vorliegenden Wasserstoffstrategien der EU und der Bundesregierung miteinbezogen“, erklärt der Minister.