In der Pandemie hat sich gezeigt, dass die Gesundheitsämter teilweise erheblichen Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung haben. Das bestätigt in unserer Fachdebatte Annett Müller, Vorsitzende des DVMD (Der Fachverband für Dokumentation und Informationsmanagement in der Medizin). Sie spricht von organisatorischen Defiziten und Schnittstellenproblemen. „Das Corona-Fall-Management in den Gesundheitsämtern wurde zu Beginn der Pandemie weitestgehend per Papier und Fax durchgeführt.“ Dadurch seien Informationen zum Testergebnis mit deutlichen zeitlichen Verzögerungen bei den Getesteten eingetroffen.
Inzwischen ist erhebliche Bewegung in die Sache gekommen. So berichten zahlreiche Fachminister und Fachministerinnen in unsere Debatte von Erfolgen bei der Digitalisierung der Gesundheitsämter in ihren Bundesländern.
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne quantifiziert die derzeitigen Investitionen. Vier Mrd. Euro stelle der Bund bis Ende 2026 in insgesamt sechs Tranchen. Dadurch sollen bis 31.12.2021 bundesweit mindestens 1.500 neue unbefristete Vollzeitstellen (Vollzeitäquivalente) für Ärztinnen und Ärzte, weiteres Fachpersonal sowie Verwaltungspersonal geschaffen werden, bis Ende 2022 mindestens weitere 3.500. Und: „Für die Förderung der technischen Modernisierung der GÄ werden Bundesmittel in Höhe von 50 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.“
Einzelne Länder legen noch etwas drauf. Das saarländische Gesundheitsministerium hat etwa nach Aussage von Ministerin Monika Bachmann für die Digitalisierung der Gesundheitsbehörden gemeinsam mit dem dortigen Innenministerium zusätzlich zu den Bundesmitteln 625.000 € bereitgestellt.
Vor allem beim Ausrollen von Software vermelden die Länder Erfolge. Für Hessen betont Gesundheitsminister Kai Klose: Alle Gesundheitsämter im Land sind bereits an DEMIS angeschlossen.“ Seine Amtskollegin Sabine Bätzing-Lichtenthäler vermeldet für Rheinland-Pfalz: „In Bezug auf den Meldeweg ist eine komplette digitale Vernetzung von Labor / bzw. meldendem Arzt über das Gesundheitsamt und das Landesuntersuchungsamt an das Robert Koch-Institut vorhanden.“
Heiner Garg, Gesundheitsminister in Schleswig-Holstein, merkt an, dass die Vorgaben des Bundes etwa zum geplanten „Digitalen Gesundheitsamt 2025" noch nicht bekannt sind: "Die Erarbeitung und Fortentwicklung technischer Mindeststandards, deren Einhaltung die Länder garantieren, soll bis zum Frühjahr 2021 erfolgen und ständig weiterentwickelt werden." Das werde vor allem die mit der technischen Umsetzung befassten Kolleginnen und Kolleginnen in den Ämtern vor Herausforderungen stellen.
NRW- Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sieht derzeit eine wichtige Herausforderung bei der digitalen Vernetzung der Gesundheitsämter in der datenschutzkonformen Übertragung von Informationen und Dokumenten zwischen verschiedenen Gesundheitsämtern. „Ich denke z.B. an Laborbefunde oder Angaben zur Nachverfolgung von Infektionsketten.“ Das RKI habe eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut, die den sicheren Datenaustausch zwischen dem RKI und den Landesstellen oder dem RKI und den Gesundheitsämtern in beide Richtungen ermöglicht (SurvNet). Um einen solchen sicheren Datenaustausch auch zwischen den Gesundheitsämtern zu ermöglichen, werde derzeit z.B. das Programm SORMAS entsprechend weiterentwickelt.
Aus Sicht von Dr. Ariane Berger, Digitalisierungsexpertin beim Deutschen Landkreistag, mangelt es noch an einem stringenten und verbindlichen Schnittstellenmanagement. Die vom Bund für die Kontaktnachverfolgung nunmehr angebotene Open-Source-Software SORMAS komme sehr spät und die meisten Gesundheitsämter verfügten inzwischen über eine funktionierende Kontaktnachverfolgungssoftware. Eine Software-Umstellung in der aktuellen Krisensituation sei nicht angezeigt. SORMAS erfülle daher vor allem einen Nutzen für die Gesundheitsämter, die hier noch nicht ausgestattet sind oder waren. Daher mahnt sie „Die erst jetzt im Januar/Februar angekündigten und schrittweise einzuführenden neuen Funktionalitäten von SORMAS, insbes. auch die Schnittstellen zur Meldesoftware SurvNet des RKI und zu DEMIS sind richtig, sie dürfen aber nicht lediglich SORMAS vorbehalten werden.“
Neben den aktuellen Investitionen bleibt der Digitalisierungsprozess ein langwieriger Prozess. Daher verweist Prof. Dr. Kurt Becker, Vizepräsident Forschung der APOLLON Hochschule darauf, dass die Bereitstellung von hohen Euro-Summen nur ein erster Schritt sei. „Die wichtigste Herausforderung stellt der Fachkräftemangel sowie die Aus- und Weiterbildung der vorhandenen Mitarbeiter/innen im Bereich der digitalen Möglichkeiten und Lösungen dar.“