Mit einem Medienfreiheitsgesetz will die EU Journalisten und Medienunternehmen vor politischer Einflussnahme schützen. Das Vorhaben wurde von Beginn an kritisch begleitet. In unserer Fachdebatte stellt zwar auch Philippe Meistermann vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) feststellen, dass die Freiheit und Vielfalt der Medien in der Europäischen Union vielfachen alten und neuen Gefahren ausgesetzt ist - von Gefahren für Leib und Leben von Journalisten, einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Medienunternehmen sowie ein Rückgang von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedsstaaten und damit einhergehende Bedrohungen für die Presse- und Meinungsfreiheit. „Jedoch müssen wir mit Bedauern feststellen, dass das europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) in Form und Inhalt diesen Ansprüchen aus unserer Sicht nicht gerecht wird. Wir sehen in erster Linie keine Kompetenz der Europäischen Union für eine allgemeine Presse- und Medienregulierung.“ Darüber hinaus befürchtet der Verband, dass sowohl das Instrument als auch die vorgeschlagenen Maßnahmen in wesentlicher Hinsicht weder geeignet noch angemessen sind.
Für Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz Landesmedienanstalten, stellen Desinformation und Propaganda die Demokratien vor eine altbekannte, in ihren Taktiken jedoch neue, Herausforderung. Daher brauche Transparenz über die Besitzverhältnisse im Medienmarkt. Illegale Inhalte verbreiten sich aus ihrer Sicht tausendfach online. Die Entscheidung darüber, was gesagt werden darf und was nicht, obliege privatwirtschaftlichen Plattformbetreibern, die zuweilen einen anderen Freiheitsbegriff pflegen als europäische Medienaufsichten. „Eine effektivere Regulierung des Medienbereichs kann dazu beitragen, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf freie Meinungsäußerung und auf unabhängige und pluralistische Informationen zu schützen.
Daher ist der EMFA für die Europa-Abgeordnete Sabine Verheyen Europa (EVP-Fraktion) ein wichtiges Instrument, um diese Herausforderungen anzugehen. „Denn auch wenn wir stolz auf unsere hohen demokratischen Standards sind, dürfen wir nicht die Augen vor dem besorgniserregenden Zustand der Pressefreiheit weltweit verschließen, ein Trend, der auch Europa betrifft. Medien sind mehr als nur Geschäft; sie tragen zur Bildung, kulturellen Entwicklung und Inklusivität bei und schützen grundlegende Rechte“.
Für den FDP-Bundestags-Abgeordneten Thomas Hacker Mitglied ist es daher wesentlich, dass das neue Regelwerk bestehende, funktionierende Systeme nicht beeinträchtigt, sondern vielmehr darauf abzielt, dysfunktionale Systeme an ein höheres, europäisches Werteverständnis anzupassen. In vielen Aspekten ist das aus seiner Sicht gelungen, jedoch nicht in allen. „Die Schaffung einer unabhängigen Medienaufsichtsbehörde ist für uns ein wesentlicher kritischer Aspekt. Obwohl es gelungen ist, eine direkte Aufsicht durch die Europäische Kommission zu verhindern, bleibt eine gewisse Nähe bestehen.“ Dies zeige etwa sich darin, dass das Ausschusssekretariat an die Kommission angegliedert und von dieser finanziert wird.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sieht in dem EU-Vorstoß daher ein Beispiel dafür, wie sich Brüssel Kompetenzen anzueignen versucht, die der EU aufgrund der Verträge schlicht nicht zustehen. „Es gibt keine EU-Kompetenz zur Regulierung der Medienfreiheit.“
Der Grüne Europa-Abgeordnete Niklas Nienaß betont hingegen den Anstieg von Desinformation und einen verstärkten Einfluss auf Medien. Das gelte auch für wirtschaftliche Zwänge. „Medien müssen frei sein von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Wenn dies kein demokratischer Grundkonsens mehr ist, müssen wir ihn mit Gesetzen herstellen.“
Aus der Praxis berichtet Eva Bodenmüller, Vorsitzende des Freischreiber e. V., dass vor allem freie Journalisten sich auf den Schutz ihrer Quellen verlassen können müssen, schließlich stünden Freie meist für sich und könnten sich im Ernstfall nicht auf die Infrastruktur eines Medienhauses verlassen. Auch deshalb ist es für sie weiterhin wichtig, genau hinzuschauen. „Denn auch in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Verletzungen der Pressefreiheit – mit dem Verweis auf übergeordnete staatliche und öffentliche Interessen.“
Auch Ilja Braun von Reporter ohne Grenzen nennt zahlreiche Fortschritte für die Pressefreiheit in Europa. Er betont: „Wenn es sich beim European Media Freedom Act um eine Verordnung handelt, die unmittelbar gilt und nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden muss, wird viel davon abhängen, wie die nationalen Medienaufsichtsbehörden sich in Zukunft untereinander abstimmen und auf welche gemeinsamen Positionen sie sich einigen.“