Die EU hat ein Medienfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht - was halten Sie ganz grundsätzlich von so einem Regelwerk?
In Deutschland können wir uns auf Artikel 5 des Grundgesetzes verlassen. Und in den meisten anderen EU-Staaten steht es ebenfalls gut um die Pressefreiheit. Doch wir haben in den vergangenen Jahren auch gesehen, wie schnell sich das ändern kann. In diesem Sinne ist ein Regelwerk wie das EU-Medienfreiheitsgesetz zu begrüßen.
Das Regelwerk reagiert auf die Einschränkungen der Pressefreiheit, die wir derzeit in einigen Ländern der EU beobachten können. Vor allem der wachsende Rechtsruck wirkt sich massiv auf die Pressefreiheit aus, Regierungen nehmen Einfluss auf Medien, missbrauchen sie für Propaganda. Hinzu kommt, dass Angriffe auf journalistisch tätige Personen zunehmen. Das reicht von Hassreden über SLAPP-Klagen bis hin zu tätlichen Angriffen auf Pressevertreter:innen und sogar der Ermordung investigativer Journalist:innen. Die Pressefreiheit ist teilweise massiv bedroht.
Zudem sind Medienhäuser zu komplexen Systemen geworden, deren Verflechtungen kaum mehr erkennbar sind. Das führt zu enormer Intransparenz. Die Einflussnahme einzelner Medienkonzerne wächst. In diesem Umfeld wird es zunehmend schwieriger, zwischen Fakt und Fake zu unterscheiden. Gerade jetzt, in Zeiten antidemokratischer Entwicklungen, ist professioneller Journalismus, der sich ethischen und journalistischen Standards verpflichtet fühlt, wichtiger denn je. Journalismus ist ein tragender Teil der Zivilgesellschaft und eine Säule der Demokratie. Vor diesem Hintergrund scheinen Regulierungen zum Schutz der Pressefreiheit überaus notwendig und mehr als angebracht, vor allem auf europäischer Ebene. Das stärkt zum einen die europäische Idee, zum anderen kann hier ein wichtiger Schutzmechanismus aufgebaut werden, der auch dann wirkt, wenn einzelne Nationalstaaten in der EU sich nicht mehr an die Grundsätze dieser Gemeinschaft erinnern wollen. Andererseits müssen wir auch darauf achten, kein bürokratisches Monster zu erschaffen, das uns auffrisst.
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Eine unabhängige Medienaufsichtsbehörde soll geschaffen werden. Was halten Sie davon?
Die Idee einer unabhängigen Medienaufsichtsbehörde auf europäischer Ebene ist eine Reaktion auf die Einschränkung der Pressefreiheit in einigen EU-Mitgliedstaaten. Sie soll auch die Zusammenarbeit der Medienbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten fördern. Die Medienaufsichtsbehörde soll also über die Pressefreiheit wachen. Grundsätzlich ist dies positiv. Dennoch geht es hier um eine behördliche Aufsicht über die Presse. Darin liegt ein Widerspruch zur Pressefreiheit an sich. Die Möglichkeit unzulässiger Einflussnahme ist hier gegeben – sowohl über die Finanzierung als auch über die Personalauswahl.
Regelungen zum Quellenschutz sind aus dem ursprünglichen Entwurf gestrichen worden. Wie bewerten Sie das?
Für die investigative journalistische Arbeit ist der Quellenschutz essenziell. Dass die geplante Einschränkung dieses Schutzes nun nicht kommt, ist begrüßenswert. Vor allem freie Journalist:innen müssen sich auf den Schutz ihrer Quellen verlassen können, da Freie meist für sich stehen und sie sich im Ernstfall nicht auf die Infrastruktur eines Medienhauses verlassen können. Auch deshalb wird es weiterhin wichtig sein, genau hinzuschauen. Denn auch in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Verletzungen der Pressefreiheit – mit dem Verweis auf übergeordnete staatliche und öffentliche Interessen.
Welche Änderungen und Konkretisierungen halten Sie nach der Einigung beim Trilog noch für nötig und möglich?
Demokratie und Pressefreiheit müssen zusammen gedacht werden. Wenn global agierende Plattformen alleine darüber entscheiden, welche medialen Inhalte den Nutzer:innen zur Verfügung stehen, ist das ein Problem. Zwar wird Mediendiensten ein Sonderstatus eingeräumt. Sie haben vierundzwanzig Stunden Zeit, zu reagieren, wenn Plattformen ihre Inhalte löschen wollen. Das ist ein Kompromiss, der den Plattformen das letzte Wort lässt. Ihre Machtposition gegenüber den Medien wird nur marginal eingeschränkt, was der Pressefreiheit schadet. Hier wäre eine noch deutlichere Position wünschenswert, die die Freiheit der Presse über privatwirtschaftliche Interessen stellt.