Aktuell bestehen drei unterschiedliche Optionen für Alternativen zu fossil-basierten Kunststoffen, sagt Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV): "Kunststoffe aus dem mechanischen und dem chemischen Recycling von Kunststoff-Abfällen, biobasierte Kunststoffe sowie Kunststoffe auf Basis von CO2." Ein ausgeklügeltes und umfassendes produkt- und materialbezogenes Recyclingsystem wird nach seiner Meinung "eine überragende Rolle spielen", um die wertvollen Rohstoffe lange in der Nutzung zu halten - und die Entstehung zusätzlichen CO2 dabei zu vermeiden.
Diese Aussage wird von Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer des paneuropäischen Verbands der Kunststofferzeuger "Plastics Europe", unterstrichen. Denn: "Gerade einmal 12 Prozent des Kunststoffs in Deutschland wird aktuell im Kreislauf geführt". Insofern weiß er: "Die Zukunft der Kunststoffindustrie ist eine zirkuläre. Dafür eignet sich kaum ein Werkstoff so gut wie moderne Kunststoffe." Und Bühler erklärt auch detailliert, wie das funktionieren kann.
Prof. Dr.-Ing. Hans-Josef Endres von der Leibniz Universität Hannover befürchtet keine erneute Tank-oder-Teller-Diskussion in Sachen Biokunststoffe, was die Anbauflächen für diesbezüglichen Rohstoffanbau betrifft. Sein Augenmerk liegt etwa auf den Rohstoffquellen, der Kaskadennutzung sowie der Recyclinginfrastruktur. Biobasierte Kunststoffe seien zwar nicht per se in allen Bereichen nachhaltiger, dennoch könne ihre Verwendung Vorteile aufweisen. "Dafür müssen die konkreten Produktanforderungen bewertet und die Faktoren, die sich negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken, beseitigt werden."
"Beim Carbon Footprint und sogar bei weit umfassenderen Ökobilanzen sind Produkte aus Kunststoff oft die Gewinner", sagt Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten, einer der Leiter des Instituts für Kunststofftechnik (IKT) an der Universität Stuttgart. Um die Ausbeutung der Natur zu reduzieren, müsse die Fokussierung auf Klimaneutralität, wie der Green Deal der EU in den Blick rücke, immer weiter verstärkt und die Rohstoffbasis bis 2050 auf „Erneuerbaren Kohlenstoff“ umgestellt werden.
Biobasierte Kunststoffe "haben einen ökologischen Vorteil gegenüber erdölbasierten Kunststoffen, da sie aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und bei Verbleib in der Kreislaufwirtschaft durch fachgerechtes Recycling eine Kohlenstoffsenke darstellen", sagt Dr. Inna Bretz, Abteilungsleiterin Zirkuläre und Biobasierte Kunststoffe am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT Oberhausen. Ob ein Produkt nachhaltig sei, hänge in hohem Maße davon ab, wie es hergestellt, verwendet und recycelt wird. "Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten bei der Entwicklung neuer Anwendungssysteme, Werkstoffkonzepte und/oder Kunststoffformulierungen die R-Strategien (Refuse, Rethink, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle, Recover) beachtet werden – unabhängig von der Rohstoffbasis."
Recycling ist das große Stichwort, denn Nachhaltigkeit fordert eine Ressourcennutzung im Rahmen der planetaren Grenzen! Dank Wiederverwertung und langer Produkt-Nutzungszeiten lassen sich für Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer des Vereins kunststoffland NRW, die Vorteile von Kunststoffen mit ihrer nachhaltigen Verwendung in Einklang bringen. Allerdings weiß er: "Der Weg dahin ist lang und schließt die gesamte Wertschöpfungskette ein."
Effizientes Recycling ist unabdingbar für Nachhaltigkeit. "Um die Nachhaltigkeit alternativer Kunststoffe zu gewährleisten, muss der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden", betont Jasmin Boße, wissenschaftlich-technische Mitarbeiterin am Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Das reiche von der Auswahl der Rohstoffe bis hin zum fachgerechten Recycling nach Ablauf einer möglichst langen Nutzungsdauer.
Es klingt vielversprechend: Sogenanntes Bio-Plastik, das aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird und einfach verrottet, anstatt die Natur zu verschmutzen. „Leider sind solche biologisch abbaubaren oder 'biobasierten' Kunststoffe jedoch nicht automatisch nachhaltig“, sagt Janine Korduan, Referentin Kreislaufwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Ihr Fazit: "Echter Umweltschutz beginnt daher mit der Vermeidung unnötiger Produkte und Verpackungen. Für hochwertige, langlebige Anwendungsbereiche, bei denen der Einsatz von Kunststoffen sinnvoll ist, kann 'Bio'-Plastik eine gute Alternative sein."