Wie kann man sicherstellen, dass alternative Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wirklich nachhaltig sind?
Um die Nachhaltigkeit alternativer Kunststoffe zu gewährleisten, muss der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden. Dies umfasst die Rohstoffgewinnung, die Herstellung, die Nutzungsdauer und die Entsorgung. Falls biobasierte Kunststoffe eingesetzt werden, sollten die Rohstoffe hierfür aus Abfallstoffen oder Nebenprodukten der Land- oder Forstwirtschaft bzw. aus Verarbeitungsprozessen wie der Lebensmittelindustrie stammen. Wichtig ist, eine direkte Konkurrenz zu Nahrungsmitteln oder negative Umwelteffekte durch zusätzlichen Anbau zu vermeiden. Auch der Anbau selbst sollte nachhaltig sein. Düngemittel, Pestizideinsatz oder direkte und indirekte Landnutzungsänderungen haben einen stark negativen Einfluss auf die Ökobilanz biobasierter Kunststoffe. Schließlich müssen sie energieeffizient produziert und möglichst in bestehende Recyclingkreisläufe integriert werden. Denn je länger ein Material im Kreislauf gehalten wird, desto besser ist das für die ökologische Performance.
JETZT HERUNTERLADEN
DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE
DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
Stehen wir in Sachen Biokunststoffe vor einer neuen Tank-oder-Teller-Diskussion?
Diese Diskussion ist bei biobasierten Kunststoffen wichtig, weil der Anbau von Rohstoffen für Kunststoffe direkt mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren kann. Um dieses Problem zu vermeiden, ist es wichtig, nicht-konkurrierende Rohstoffe wie zum Beispiel landwirtschaftliche Reststoffe zu verwenden. Es ist jedoch auch in diesem Fall von großer Bedeutung zu prüfen, ob es keine Konkurrenz gibt, beispielsweise hinsichtlich deren Verwendung als Tierfutter.
Wie steht es bei Biokunststoffen um das Prinzip der Kaskadennutzung, das in ihrem Fall bedeuten würde, sie zunächst stofflich in langlebigen und reparierbaren Produkten einzusetzen, später zu recyceln und zuletzt energetisch zu verwerten?
Das Prinzip der Kaskadennutzung ist von zentraler Bedeutung für die Nachhaltigkeit von Produkten generell und auch solchen aus biobasierten Kunststoffen. Dieses Prinzip verlangt, dass Produkte möglichst lange im Kreislauf gehalten werden, bevor sie energetisch verwertet werden. Bei biobasierten Kunststoffen, welche die gleiche chemische Struktur wie ihre fossilbasierten Pendants haben (sog. Drop-In Kunststoffe, zum Beispiel Bio-Polyethylen (Bio-PE)) kann diese Kaskade gut funktionieren, denn sie verhalten sich genauso wie die jeweiligen konventionellen Kunststoffe und können auch gemeinsam mit diesen recycelt werden. Anders ist dies bei bioabbaubaren Kunststoffen (zum Beispiel Polylactide (PLA)). Diese haben eine andere chemische Struktur und andere Eigenschaften. Dadurch können sie das etablierte Kunststoffrecycling negativ beeinflussen. Spezifisch auf bioabbaubare Kunststoffe ausgerichtete Recyclingsysteme gibt es (bislang) nicht. Der biologische Abbau wiederum widerspricht dem Prinzip der Kaskadennutzung. Die ökologischen Vorteile einer wiederholten stofflichen Nutzung gehen durch die Kompostierung verloren. Da hierbei auch kein wertvoller Humus oder eine Düngerwirkung entsteht, ist die Kompostierung von abbaubaren Kunststoffen zudem nicht als Recycling zu betrachten, sondern als Beseitigung einzustufen. Nicht zuletzt erlaubt die Bioabfallverordnung auch nicht die Entsorgung von bioabbaubaren Kunststoffen über die Biotonne – mit Ausnahme von abbaubaren Abfallsammelbeuteln.
Muss in diesem Zusammenhang die Frage eines effizienten und umfassenden Recyclingsystems stärker in den Vordergrund rücken?
Effizientes Recycling ist für die Nachhaltigkeit von Kunststoffen, unabhängig von der Rohstoffquelle unabdingbar. Dies erfordert sowohl eine geeignete Sammel-, Sortier- und Recyclinginfrastruktur als auch ein darauf abgestimmtes Produktdesign. Die Kreislaufführung von Kunststoffen ist aus Sicht des Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutzes sinnvoller als der biologische Abbau, bei dem ein aufwändig hergestelltes Material zu Wasser und CO2 zerfällt und damit verlorengeht. Aus unserer Sicht sollten bioabbaubare Kunststoffe daher nur dort eingesetzt werden, wo die Bioabbaubarkeit einen notwendigen Zweck darstellt, zum Beispiel im medizinischen Bereich (u.a. selbstauflösendes / resorbierbares Nahtmaterial) oder dort, wo Einträge in die Umwelt unvermeidbar sind (z.B. Schutzseile an Fischernetzen, die beim Schleppen über den Meeresgrund Abrieb von Kunststoffpartikeln verursachen, sogenannte „Dolly-Ropes“) .
Abschließend ist zu sagen, dass Biokunststoffe durchaus das Potential haben, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung zu leisten. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie aus Abfall- respektive Reststoffen gewonnen werden und recyclingfähig sind. Allerdings sind sie kein Allheilmittel und sollten als Teil eines breiteren nachhaltigen Systems betrachtet werden. Die Forschung und Entwicklung im Bereich der Biokunststoffe sollte weiter vorangetrieben werden, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren. Nur so können sie eine echte Alternative für einen Teilbereich der erdölbasierten Kunststoffe darstellen.