Menue-Button
← FACHDEBATTE Summary

Digitale Schule für die Krise und danach

Was vom Home Schooling bleiben sollte

Uwe Schimunek, Freier Journalist Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 19.06.2020

Die Corona-Krise hat die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen gestellt. Insbesondere der Bildungsbereich wurde hart getroffen. Die Schulen schlossen vielerorts noch vor dem Inkrafttreten von Ausgangsbeschränkungen. Millionen Kinder und Jugendliche standen buchstäblich von heute auf morgen vor der Aufgabe, zu Hause allein oder mit ihren Eltern zu lernen. Bis in den Sommer hinein haben die Schulen nicht wieder in den Regelbetrieb gefunden. Dauerhaft werden Selbststudium und Elternhilfe natürlich keine qualifizierten Pädagogen ersetzen können. Was aber für die Zukunft Schule durchaus eine Rolle spielen könnte, ist das in der Krise aufgebaute digitale Knohow.

Prof. Dr. Katrin Liebers von der Uni Leipzig verweist in der Debatte bei Meinungsbarometer.info auf Zahlen von Infratest dimap. Danach nutzten nutzten in den letzten Wochen ca. 50 Prozent der Kinder digitale Lernangebote im Sinne von Aufgaben und Lernmaterialien, ein Fünftel erhielt zudem videogestützten Unterricht. „An diese Erfahrungen kann und sollte angeknüpft werden“, sagt die Forscherin sieht jedoch noch große Unterschiede. So hätten manche Schulen auf digitale Lernangebote verzichtet und wöchentlich Materialien zum Abholen ausgegeben, manche haben Aufgaben über Emails verteilt, andere (landeseigene) Lernplattformen wie LernSax, Moodle und Padlet oder Schul-Clouds genutzt.

Da Bildung in Deutschland Ländersache ist, wurden auf dieser Ebene große Anstrengungen unternommen. „Wir alle wünschen uns, dass wir möglichst schnell wieder zu möglichst viel Normalität zurückkehren können. Wir wünschen uns aber auch, dass die vielen guten Ansätze im Bereich des digitalen Lernens und Lehrens nicht verkümmern, sondern weiterentwickelt werden“, erklärt Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz. Die derzeitige Situation mache deutlich, dass der niedrigschwellige Zugang zu Plattformlösungen den Austausch verbessern und damit die Arbeit sehr viel produktiver gestalten kann. Man sei mit der Landeslösung, dem Schulcampus RLP, der mittels Single-Sign-On den Zugriff auf vielfältige digitale Angebote erlaubt, auf dem richtigen Weg. „Nach der bereits laufenden Pilotphase wird der Schulcampus bereits im nächsten Jahr für alle Schulen in Rheinland-Pfalz verfügbar sein.“

Für die Digitalisierung fließen in Deutschland erhebliche Mittel, auch vom Bund, etwa im Rahmen des „DigitalPakt Schule“. Im größten deutschen Bundesland, Nordrhein-Westfalen klingen die Zahlen naturgemäß besonders beeindruckend. In den letzten Jahren sind Milliarden an Bundes- und Landesmittel in die digitale Infrastruktur und Ausstattung der Schulen geflossen, allein in diesem Jahr zwei Milliarden Euro über das „Förderprogramm Gute Schule 2020“. Die NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer betont indes, dass die Digitalisierung der Schulen nicht so angelegt ist, „dass dadurch der Unterricht über einen längeren Zeitraum hinweg, wie derzeit durch das Coronavirus bedingt, aus den Klassen- in die Kinderzimmer verlagert wird.“ Man sammle zurzeit aber wertvolle Erfahrungen, wie Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler digital sinnvoll miteinander arbeiten und kommunizieren können. Dabei eröffnen sich aus Sicht der Ministerin sogar neue Chancen etwa für die individuellere Förderung der Schülerinnen und Schüler. Solche Erfahrungen könnten auch nach Corona helfen, den Unterricht gezielt besser zu machen.

Louis Ulrich, Bundesgeschäftsführer der Schüler Union, beobachtet deutliche Unterschiede bei den Lehrkräften: „Oftmals können die jungen Lehrer naturgemäß besser mit den digitalen Hilfsmitteln und Plattformen umgehen, bei den älteren Kollegen hingegen sieht es oft anders aus.“ Insbesondere für diese benötige man auch zwingend mehr verpflichtende Fortbildungen im digitalen Bereich. Vielerorts werde dieser Fortbildungsbereich mehr oder weniger gar nicht angeboten – und meistens nicht wahrgenommen. „Einige Lehrkräfte schaffen es auch im Jahr 2020 noch nicht, sich im Schulnetzwerk an Rechnern einzuloggen oder Materialien per E-Mail zu versenden, für eine digitale Welt im 21. Jahrhundert, ist das tödlich.“ Ulrich fordert Nachhaltigkeit, auch nach dem Referendariat dürften die Lehrkräfte das Benutzen digitaler Anwendungen und Plattformen nicht verlernen und müssten stetig auf den neusten Stand gebracht werden.

Die Politik ist indes nicht untätig. So verweist Dr. Susanne Eisenmann, Kultus-Ministerin in Baden-Württemberg, darauf, dass ihr Land schon vor der Corona-Krise eine Qualifizierungsoffensive mit einem Fördervolumen von über fünf Millionen Euro ins Leben gerufen hat. „Aber auch kurzfristig, also während der momentanen Krise, geben wir den Lehrerinnen und Lehrern Hilfestellungen, zum Beispiel durch Materialien, Tutorials, Webinare und digitale Sprechstunden.“

In Bayern werden schon seit Beginn des Schuljahres alle Lehrkräfte mit zentral bereitgestellten Online-Fortbildungsmodulen in einer Fortbildungsoffensive darin geschult, wie Medien sinnvoll beim Lernen eingesetzt werden können. „Ein flächendeckendes Referentennetzwerk aus über 200 Lehrkräften unterstützt zudem die Schulen dabei, ihre Fortbildungsplanung im Bereich Digitale Bildung umzusetzen“, erklärt Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo. Außerdem stehen den Lehrkräften nach seiner Aussage über 170 „Berater digitale Bildung in Bayern“ in medienpädagogischen und informationstechnischen Fragen zur Seite.

Die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Katrin Liebers empfiehlt bei der Fortbildungen das „Doppeldeckerprinzip“, bei dem Lehrkräfte in vergleichbaren digitalen Lernformaten und -umgebungen arbeiten, die sie später für ihre Schüler einsetzen sollen. Für die Zukunft wünscht sie sich eine dauerhafte professionelle Unterstützung für die digitale Schul-Infrastruktur vom Bund. Und: „Eine länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Entwicklung und dem Transfer pädagogischer Konzepte, das haben viele frühere Modellprojekte deutlich gezeigt, beinhalten deutliche Potentiale für die Weiterentwicklung von praxistauglichen, erprobten und evaluierten Konzepten zunächst an Best-Practice-Schulen und im Transfer für weitere Schulen, Bildungsregionen und Deutschland insgesamt.“

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Stefanie Hubig
Ministerin
Landesregierung Rheinland-Pfalz

Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz
Schule | Bildung

Schulcampus in Rheinland-Pfalz bald ■ ■ ■

Wie Schulen, Lehrer und Schüler für die ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Stefanie Hubig
Ministerin
Landesregierung Rheinland-Pfalz

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Michael Piazolo
Kultusminister
Bayerische Staatsregierung

Prof. Dr. Michael Piazolo - Kultusminister des Freistaates Bayern
Schule | Bildung

Eine Digitalisierungsmilliarde für ■ ■ ■

Was der Freistaat aus der Corona-Krise ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Michael Piazolo
Kultusminister
Bayerische Staatsregierung

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Katrin Liebers
Forscherin
Uni Leipzig

Prof. Dr. Katrin Liebers (rechts) und Miriam Beier - Universität Leipzig, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Institut für Pädagogik und Didaktik im Elementar- und Primarbereich
Schule | Bildung

Learning Snacks statt Hausaufgaben

Wie Schüler auch nach der Krise zu Hause besser lernen

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Katrin Liebers
Forscherin
Uni Leipzig

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.