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Über die technologische Evolution von Funktechnologien

Wie es im Frequenzstreit aus Sicht eines Herstellers weitergehen sollte

Dr. Andreas Wilzeck - Head of Spectrum Policy and Standards, Sennheiser Quelle: Sennheiser/ Karsten Koch Dr. Andreas Wilzeck Head of Spectrum Policy and Standards Sennheiser 23.05.2023
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Es wird immer neue Funktechnologien geben, die ihren Platz im Funkspektrum durch Nachweis der Verträglichkeit zu anderen suchen müssen", konstatiert Dr. Andreas Wilzeck von Sennheiser. Er betont aber auch, dass nicht jede Funktechnologie und auch nicht jedes Frequenzband für jede Anwendung geeignet ist.







Immer neue Anwendungen führen zu immer neuen Konkurrenten im engen Frequenz-Spektrum. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die verschiedenen Interessen bei der kommenden Weltfunkkonferenz (WRC) gütlich zusammenzubringen?
Es wird immer neue Funktechnologien geben, die ihren Platz im Funkspektrum durch Nachweis der Verträglichkeit zu anderen suchen müssen. Nicht jede Funktechnologie verträgt sich mit anderen, deswegen wird international, regional, und national viel Aufwand getrieben Verträglichkeit der Nutzungen in Frequenzbändern zu bewerten und herzustellen. Nicht jede Funktechnologie und auch nicht jedes Frequenzband ist für jede Anwendung geeignet. Die Physik bleibt bestimmend.

Aus unserer Sicht sollten Funktechnologien oder Funknetze, die eine Fortentwicklung oder neue Generation sind, auch in bereits zugeteilten Bändern starten. Hier gibt es sicherlich auch wirtschaftliche Erwägungen, die aber am tatsächlichen Mehrwert der neuen Generation hängen. Wer sollte diesen Mehrwert besser erkennen und wertschätzen können als die Anbieter, die dann ihre bestehenden Bänder dafür nutzen wollen?

Im Falle von 470-694 MHz reden wir über ein Band mit bestehenden, gemeinsamen und heute verträglichen Nutzungen. Es liegt hier ein globales, harmonisches Miteinander von Rundfunk, Kultur- und Veranstaltungsbranche (drahtlose Mikrofone, In-Ear) und Wissenschaft (Wetterdienst, Radio Astronomie) vor.

Die eingesetzten Funktechnologien unterliegen auch hier einer technologischen Evolution. Sennheiser hat 1957 mit Funkmikrofonen mit analoger Funkübertragung gestartet und diese fortlaufend weiterentwickelt. Analoge Übertragungsverfahren haben die geringstmögliche Latenz. Im Jahr 2012 wurden Funkmikrofone mit digitalen Übertragungsverfahren eingeführt, diese brachten als Mehrwert höhere Audioqualität kosteten aber Latenz. Es war daher keine Lösung für In-Ear Monitore. Demnächst wird Sennheiser Wireless Multi-Channel Audio Systeme (WMAS) einführen, die dem Anwender neue Möglichkeiten überall dort liefern, wo viele Mikrofon- und In-Ear Strecken benötigt werden.

Wir achten jedoch sehr darauf, dass diese Evolution unserer Funktechnologien das Miteinander mit anderen Herstellern und Nutzern des Bandes weiterhin ermöglichen. Und ja, analog, digital und WMAS werden parallel im Feld sein.

Eine Evolution der Rundfunktechnik ist auch zu erwarten, um wieder mehr Nutzer zu erreichen, warum sollte man dies jetzt durch regulatorische Einschnitte verhindern wollen?

Es ist eine Lösung bei 470 MHz - 694 MHz zu diskutieren, wie das Miteinander bereichert und ggf. auch durch andere ausgedehnt werden kann, ohne die jeweiligen Möglichkeiten des Bestehenden zur Evolution einzuschränken.

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Eine Reihe von Playern fordert den Erhalt der sogenannten „Rundfunk- und Kulturfrequenzen“. Wofür werden diese gebraucht?
Die Rundfunk- und Kulturfrequenzen beschreiben das Frequenzband 470 MHz bis 694 MHz. Es handelt sich um die Schlagader der globalen Kreativ- und Kulturwirtschaft. Kein anderes Band hat eine vergleichbare globale Verfügbarkeit.

Die Nutzung drahtloser Mikrofone ist äußerst vielfältig und de-facto fast allgegenwärtig; So allgegenwärtig, dass man es schon für selbstverständlich hält. Von der Filmproduktion, Konzertveranstaltung, Messe, Kongress, Sportveranstaltung, Pressekonferenz bis zur Schulveranstaltung oder einem Gottesdienst.  Der Frequenzbedarf für drahtlose Mikrofone und In-Ear Monitore reicht hierbei von 200 kHz bis 200 MHz.

Der größte Frequenzbedarf liegt bei den Großveranstaltungen also Konzerten, Messen, Kongresse, Wahlabende und Sportveranstaltungen vor. Gerade für diese sehen wir schon heute die größten Herausforderungen. Insbesondere für Outdoor-Nutzungen gibt es kaum noch Spielräume. Eine Großveranstaltung muss sich in bestehende, andere Nutzungen an einem Ort einfügen und zieht meistens auch andere Nebenveranstaltungen und Berichterstattung an. Es ist leider keine Seltenheit, dass Veranstaltungen und Produktionen Anpassungen und Einschränkungen wegen des lokal verfügbaren Funkspektrums hinnehmen müssen. Wir haben jüngst über eine Studie durch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg statistisch ermitteln lassen, wie sich der Frequenzbedarf entwickelt. Er steigt deutlich, trotz aller technologischen Maßnahmen, die unsere Branche ergreift.

Unsere Produkte und auch die der anderen Hersteller stehen am Anfang der Wertschöpfungskette der Kultur- und Kreativwirtschaft, einer Branche die laut einer EY Studie1 sich für 4,4% der Bruttoinlandsproduktes der EU generiert und 8,4-mal so viele Menschen beschäftigt, wie der Telekommunikationssektor.

Welche Auswirkungen können die WRC-Entscheidungen für Warn-Routinen in Not- oder Katastrophenfällen haben?
Rundfunksender, Radio und Fernsehen, spielen eine wichtige und unverzichtbare Rolle in der Information der Bevölkerung, da hier entsprechende Reichweite sowie die technische Absicherung für den Not- und Katastrophenfall bereits mitgedacht und etabliert sind. Der „Warnmix“ aus Sirenen, Rundfunk, Mobilfunk und Sprechdurchsagen von Einsatzfahrzeugen sichert sicherlich die beste Erreichbarkeit der Bevölkerung.

Auch hier leistet das Mikrofon seinen kleinen, aber grundlegend wichtigen Anteil, Sprache in übertragbares Audio zu verwandeln. Presseteams haben mir berichtet, dass die robuste, drahtlose Sennheiser-Technik mit überall erhältlichen AA-Batterien die fortlaufende Berichterstattung aus Katastrophengebieten ermöglich hat, während andere Lösungen zu sehr auf das Vorhandensein von internet-fähiger Infrastruktur und Energieversorgung gesetzt haben.

Die WRC entscheidet über eine Zuweisung, nicht über die konkrete Nutzung des Bandes - welche Spielräume bleiben dann vor Ort bei der praktischen Umsetzung?
Die Weltfunkkonferenz (WRC) ist für alle internationalen Fragen von Funk zuständig und kümmert sich insbesondere um die kontinuierlichen Anpassungen der Funkvorschriften. Vereinfacht gesprochen geht es um die verbindliche Vereinbarung von Rechten und Pflichten zwischen den Nationalstaaten, da Funkwellen keine nationalen Grenzen kennen.

Unternehmen, wie auch Sennheiser, adressieren mit ihren Funklösungen globale Märkte, um kostengünstige und innovative Produkte anbieten zu können. Auch Funklösungen kennen daher am liebsten keine nationalen Grenzen. Die Realität ist selbst in Europa eine andere.

Ja, die Zuständigkeit für die nationale Umsetzung von Funkvorschriften ist national. Ja, es gibt auch heute schon sinnvolle Spielräume für abweichende nationale Umsetzungen, die insbesondere für rein nationale Anwendungen genutzt werden können. Ist es sinnvoll nationale Umsetzungen, ohne europäischen oder internationalen Kontext einer Harmonisierung zu denken? Wohl kaum.

Wie zuvor dargestellt, muss zunächst die Lösung zum Miteinander im Frequenzband 470-694 MHz erarbeitet werden. Dieser Weg ist lang und technisch anspruchsvoll. Der Vorbereitungsprozess zur WRC-23 war hier nicht wirklich hilfreich.

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