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Über Nischen, Hypes und die Aura von Unikaten

Was NFTs für den Kunstmarkt bedeuten

Joergen Golz - Messedirektor, Discovery Art Fair Quelle: Stefan Maria Rother Jörgen Golz Messedirektor Discovery Art Fair 29.04.2021
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Der klassische Kunstmarkt, wie wir ihn kennen, ist recht konservativ", konstatiert Jörgen Golz, Direktor der Discovery Art Fair. Gerade in Sachen Digitalisierung verändere sich die Branche vergleichsweise langsam. Dennoch könnten neue Technologien wie die NFTs an bestimmten Stellen etwas verändern.







NFT-zertifizierte digitale Werke erzielen zum Teil Millionen-Erlöse. Inwieweit können solche NFT-Zertifikate dem Kunstmarkt eine digitale Zukunft geben?
Der klassische Kunstmarkt, wie wir ihn kennen, ist recht konservativ. Im Vergleich zu anderen Märkten verändert er sich nur sehr langsam, insbesondere was die Digitalisierung betrifft. Medial werden digitale Plattformen, virtuelle Kunstmessen und Online-Verkäufe zwar gefeiert, aber gegenüber realen Präsentationsformen macht dieser Bereich einen recht kleinen Anteil aus. Insbesondere wenn wir die zeitgenössische Kunst und all diejenigen Künstlerinnen und Künstler betrachten, die nicht zu den wenigen weltberühmten Namen gehören, deren Werke Millionen-Erträge erzielen.

Digitale Kunst stellt im Vergleich zu anderen traditionsreichen Kunstsparten wie Malerei oder Skulptur nur eine kleine Nische dar. Insofern wird es sicherlich für eine Überführung des Kunstmarktes in eine digitale Zukunft nicht ausreichen, in dieser Marktnische eine Blockchain-Technologie einzuführen, um Werke zu authentifizieren. Wenn die NFT-Zertifizierung aber dazu führt, den kleinen Teil von Kunstmarkt-Akteuren, um neue Teilnehmer, vor allem um neue, jüngere Zielgruppen zu erweitern, ist dies absolut begrüßenswert.

Die NFT-Zertifizierung für digitale Kunst wird sich als zusätzliches Tool durchsetzen, aber dass dies die Kunstwelt nachhaltig und tiefgreifend verändern wird, sehe ich nicht. In der Vergangenheit haben wir immer wieder solche enthusiastisch gefeierten Hypes erlebt, über die heute niemand spricht. Denken Sie zum Beispiel an die längst vergessene virtuelle Erlebniswelt Second Life, die 3D-Internet-Plattform, die einst der Kunstszene neue Freiräume und globale Sichtbarkeit ermöglichen sollte.

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Befürworter halten der Technologie zugute, dass sie die Künstler unabhängiger von den großen Netzplattformen machen können – wie sehen Sie das?
Ich kann bestätigen, dass zunehmend mehr und mehr Kunstschaffende verschiedene Formen der Selbstvermarktung ausprobieren. Gerade die digitale Welt hält hier eine Fülle von Möglichkeiten bereit. Die großen Schwierigkeiten und Herausforderungen liegen aber darin, für sich selbst und für die eigene Kunst die passenden Präsentations- und  Vermarktungskanäle zu finden.

Wir beobachten bereits jetzt, dass zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, die sich sonst kaum mit medialer oder virtueller Kunst beschäftigt haben, ihr Portfolio um einige zusätzliche digitale Kunstwerke erweitern. Und auch NFTs erfahren ohne Zweifel zunächst einen Boom. Viele erleben aber auch, wie zeitaufwendig diese Art der eigenständigen Vermarktung ist und wie anspruchsvoll es ist, die passende Zielgruppe für die eigenen Werke zu finden.

Diejenigen, die viel in der Online- und Social-Media-Welt unterwegs sind und deren Kunst gut digital darstellbar ist, haben hier ganz klar einen Vorteil. Für sie ist es ein Plus, durch das NFT-Zertifikat, die Deutungshoheit über die Echtheit des eigenen Kunstwerkes zu kontrollieren. Für sie kann der NFT-Hype neue Einnahmequellen generieren: Durch die NFT-Zertifizierung können sie z.B. am Weiterverkauf ihrer Werke partizipieren. Wir müssen abwarten, wie weit sich die Versprechen der neuen Technologie in der Realität bewähren werden. Man kann aber auf keinen Fall sagen, dass sich hier ein goldener Weg für alle eröffnet.

Kritiker wenden ein, dass sich auch die „Einzelstücke“ einfach digital reproduzieren lassen. Welchen Sinn haben NFT-Zertifikate angesichts dessen?
Das Positive an der Diskussion rund um die NFTs ist, dass mehr Menschen über Kunstwerke als einzigartige Unikate nachdenken. Ein Original bzw. ein Unikat zu besitzen, auch wenn es sich von einer perfekt gemachten Kopie nicht sichtbar unterscheidet, ist etwas ganz Besonderes, etwas, das das Herz eines jeden Sammlers und Kunstliebhabers höherschlagen lässt.

Virtuelle Kunst hatte hier immer den Nachteil, dass sie aufgrund ihres Formates leicht kopiert und vervielfältigt werden konnte. Ein NFT-Zertifikat als Werkzeug vermag  Ähnliches zu leisten, wie die Signatur auf einer Leinwand. Ein digitales Kunstwerk kann als Original ausgewiesen werden, was seine Exklusivität und Wertigkeit und somit seinen Preis steigert. In bestimmten Sammlerkreisen könnte das NFT-zertifizierte „Einzelstück“ eine ähnliche Aura entfalten wie das signierte Unikat.

Inzwischen sind auch herkömmliche Auktionshäuser in das Geschäft mit NFT-zertifizierten Unikaten eingestiegen – kann sich die Technologie auch außerhalb der digitalen Sphäre dauerhaft etablieren?
Auktionshäuser sind Wirtschaftsunternehmen, die selbstverständlich ihr Geschäftsmodell dort erweitern, wo sie Umsätze und Gewinne generieren können. Das sagt zunächst nichts über die nachhaltige Bedeutung der NFT-zertifizierten Kunst innerhalb der Kunstwelt aus.

Die enge Bindung des NFT-Hypes an Kryptowährungen lässt zunächst befürchten, dass es hier weniger um die Kunst geht, sondern darum neue, lukrative Investitionsfelder zu erschließen. Leider mit negativen ökologischen Folgen, da die Blockchain-Technologie einen riesigen Energiehunger hat. Es muss sich noch zeigen, inwieweit die hier agierenden Käufer nur an attraktiven Spekulationsobjekten interessiert sind, oder ob es sich wirklich um eine neue Generation an Kunstsammlern und Kunstliebhabern handelt.

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