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Interview09.10.2023

Über Chancen und Gefahren von Subventionen für Chip-Fabriken

Und was neben der Subventionierung noch nötig ist

Prof. Dr. Lars Mönch, Lehr­gebiets­leiter an der Fakultät für Mathe­matik und Infor­matik der FernUni­versi­tät in Hagen Quelle: Hardy-Welsch.de Prof. Dr. Lars Mönch Lehrstuhlleiter Fernuniversität Hagen
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Subventionen seien gut, "um relativ kurzfristig eine Ansiedlung von Halbleiterherstellern in Europa zu erreichen", sagt Prof. Dr. Lars Mönch, Lehr­gebiets­leiter an der Fakultät für Mathe­matik und Infor­matik der FernUni­versi­tät in Hagen. Es braucht neben Geld aber auch weitere Anstrengungen.





Inwieweit sind Subventionen der richtige Weg, um den Anteil in Europa produzierter Mikrochips substanziell zu erhöhen?
Chips befinden sich heute in allen Autos, Smartphones, Computern, Kühlschränken, elektrischen Zahnbürsten, Automatisierungslösungen. Ein Mangel an Chips, der sogenannte „Chip Shortage“, hat in jüngerer Zeit unter anderem zum Stillhand von Montagelinien der Automobilindustrie und zur Verteuerung von Autos geführt.

Die Produktion eines Chips erfordert bis zu 800 Arbeitsgänge, die auf hunderten von extrem teuren Maschinen ausgeführt werden müssen. Durchlaufzeiten von bis zu drei Monaten sind typisch. Die Herstellung von Chips ist deshalb insgesamt ein äußerst komplexer, teurer und zeitaufwändiger Prozess.

Die Halbleiterindustrie ist extrem kapitalintensiv. Aus diesem Grund werden Halbleiterfabriken traditionell 24 Stunden an 7 Tagen pro Woche betrieben, Kapazitäts­erweiterungen durch zusätzliche Schichten sind unmöglich. Die Beschaffung der komplizierten Maschinen dauert typischerweise mindestens 6 Monate, oft sogar ein Jahr. Eine Kapazitätserweiterung einer bestehenden Halbleiterfabrik durch den Kauf neuer Maschinen ist kurzfristig somit kaum möglich.

Der Bau einer neuen Halbleiterfabrik der Spitzenklasse kostet 5-20 Milliarden EUR, weil die erforderlichen Maschinen oft extrem teuer sind und die Produktion unter Rein­raumbedingungen fast vollständig automatisiert erfolgt. Aus diesem Grund werden milliardenschwere Subventionen für die Halbleiterindustrie in Südkorea, Taiwan, Japan zum Teil seit Jahrzehnten vorgenommen. Die Errichtung neuer Halbleiterfabriken ist aktuell sowohl in Peking als auch Washington erklärte Regierungspolitik.

Subventionen sind ein möglicher Weg, um relativ kurzfristig eine Ansiedlung von Halbleiterherstellern in Europa zu erreichen. Insbesondere als Antwort auf den internationalen Druck, der sich aus der Subventionspolitik nichteuropäischer Länder, einem Subventionsrennen, ergibt, halte ich nationale und europäische Subventionen für erforderlich. Gleichzeitig sehe ich die Gefahr, dass der sogenannte, insbesondere für die Halbleiterindustrie typische Ende eines „Schweinezyklus“ einsetzt: als Reaktion auf eine Knappheit wird die Produktion weltweit angekurbelt, danach ist dann aber eine Überproduktion und daraus resultierender extremer Preisverfall zu beobachten, da zu viel Kapazität aufgebaut wurde. In der Vergangenheit konnte die Phasen des Schweinezyklus in der Halbleiterindustrie mit großer Regelmäßigkeit beobachtet werden.

Die in Europa und auch in Deutschland dominanten und weltführenden Industriezweige Maschinen-, Automobil- und Flugzeugbau sowie Energietechnik müssen sich parallel zur Chipindustrie weiterentwickeln und bedürfen auch der dazu notwendigen staatlichen Rahmen­bedingungen.

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Können neuerliche Investitionen sowie der avisierte EU-Chips-Act die erhofften Ziele wie etwa umfassende Stärkung der Forschungs- und Technologieführerschaft, Ausbau der Kapazitäten Europas und Entkopplung von globalen Halbleiterlieferketten erreichen?
Die EU erhofft sich durch den sogenannten EU-Chip-Act den EU-Marktanteil an der globalen Chip-Produktion bis 2030 von 10% auf 20% Prozent zu verdoppeln. Dabei ist anzumerken, dass in den 1970 Jahren der EU-Anteil an der globalen Chip-Produktion mehr als 40% betragen hat. Seither ist dieser Anteil aber kontinuierlich gesunken.

Ob dieses Vorhaben erfolgreich sein wird, ist schwer einzuschätzen. So hat die EU beispielsweise bereits im Mai 2013 eine „Electronics Strategy for Europe“ verabschiedet, die das Ziel hatte, bis 2020 große Investitionen in dieser Branche vorzunehmen, den Wert der EU-Microchip-Produktion zu verdoppeln sowie 250000 neue Jobs in diesem Bereich in Europa zu etablieren.

Neben der Subventionierung neuer Standorte und Produktionsstätten ist es gleichzeitig aber auch wichtig, die universitäre und angewandte Forschung in diesem Bereich umfassend zu stärken.

Die Forschungs- und Technologieführerschaft und der Ausbau der Kapazitäten in der Chipindustrie müssen auf solche Halbleiter ausgerichtet werden, die auch zukünftig den Kernindustrien in Europa und insbesondere Deutschland ihre Weltmarktführerschaft sichern. Die Entkopplung von globalen Halbleiterlieferketten sollte kein lautstark proklamiertes strategisches Ziel sein.

Ist die Strategie, mittel- bis langfristig eine Führungsrolle der EU in diesem Bereich gewährleisten, überhaupt sinnvoll und notwendig, oder sollte der Fokus nicht eher auf Kooperationen liegen?
Kooperationen sind in der Halbleiterindustrie bereits heute weit verbreitet und essentiell. So ist es beispielsweise üblich, dass ein Chip in den USA entworfen wird, der in Taiwan dann unter Verwendung von Chemikalien aus Japan und Deutschland, auf Maschinen aus den Niederlanden, auf Wafern aus Deutschland gefertigt wird und dessen Vereinzelung und Montage an Backendstandorten in China und Malaysia erfolgen.

Gleichzeitig sollte aber großer Wert daraufgelegt werden, dass die EU auch weiterhin in der Lage ist, neben Chemikalien, Silizium-Rohlingen und Halbleiterequipment auch selber Chips der Spitzenklasse herzustellen.

Inwiefern kann der aktuelle Fachkräftemangel ausgerechnet in dieser Branche gebrochen werden?
Moderne Halbleiterfabriken erfordern hochqualifizierte Ingenieure und Facharbeiter. Aufgrund des in Deutschland und der EU derzeit vorherrschenden Fachkräftemangels wird erwartet, dass die Arbeitskräfte von anderen Firmen, in der Region Dresden auch von bereits dort ansässigen Halbleiterherstellern, abgeworben werden. Insofern erwarte ich eine weitere Verschärfung des Kampfes um talentierte Fachkräfte, wodurch der Fachkräftemangel in anderen Bereichen der Wirtschaft eher vergrößert wird. Wenn es nicht gelingt, den Stellenwert und die Qualität der Ausbildung von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern zu erhöhen, und eine Tätigkeit in der Mikroelektronik anstrebenswert erscheinen lassen, kann der Fachkräftemangel in dieser Branche meiner Einschätzung nach nicht gebrochen werden.

Entlohnung, Arbeitszeitregelungen und Fortbildungsmöglichkeiten in der Mikroelektronik müssen gleichzeitig eine Pionierrolle in der industriellen Produktion einnehmen.

Bei der Stärkung der deutschen Halbleiterindustrie und des dabei auftretenden Fach­kräfteproblems darf staatlicherseits eine Region wie Thüringen mit langer Tradition in der Halbleiterforschung an der TU Ilmenau und mit langer Tradition, Wissen und Erfahrung in industrieller Forschung und Fertigung von Halbleitern in Erfurt nicht außer Acht gelassen werden.

Insgesamt muss darauf geachtet werden, dass die Subventionen in die Halbleiterindustrie nicht zu einem Nullsummenspiel führen, die Vorteile durch die Nachteile kompensiert werden.

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