Zur Verbesserung der Luft in Städten diskutiert die Politik auch über einen kostenlosen ÖPNV. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag, vor allem mittel – bis langfristig?
Kurzfristig ist dieser Ansatz nicht umsetzbar. So, wie er kommuniziert wurde, ist er auch noch nicht durchdacht. Die Verbesserung des ÖPNV, der die Menschen zum Umstieg bringt und eine Verkehrswende ermöglicht, muss man in der richtigen Reihenfolge gestalten. Der Fahrpreis ist für viele Kunden weniger wichtig als ein gutes Angebot mit hinreichenden Kapazitäten, hoher Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Sauberkeit. Zuerst gilt es also vorhandene Mittel in die Infrastruktur zu investieren und das Angebot und die Qualität deutlich zu verbessern. Dann kann man unter Beachtung von Preiselastizitäten an der Preisschraube drehen. Dabei ist zu beachten, dass es einen kostenlosen ÖPNV nicht geben kann. Das was an Fahrgeldeinnahmen fehlt, muss über andere Quellen bereitgestellt werden. Momentan kommen dafür nur Steuermittel in Frage. Mittelfristig kann man auch an alternative Finanzierungsformen wie Citymaut oder eine Nahverkehrsabgabe denken. Dazu müssten aber die rechtlichen Voraussetzungen erst noch geschaffen werden.
Die Diskussion über einen (für Fahrgäste) kostenlosen ÖPNV kann im Grunde dennoch als vorteilhaft bezeichnet werden, weil dadurch der ÖPNV wieder stärker als Problemlöser in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist.
Kritiker wenden ein, dass vor allem Fußgänger und Radfahrer auf den kostenlosen ÖPNV umsteigen könnten. Welches wären die wichtigsten Maßnahmen für den Verkehrsmix der Zukunft aus Ihrer Sicht?
Die Menschen werden zukünftig in Transportketten denken. Der öffentliche Verkehr wird individueller. Der Individualverkehr wird öffentlicher. D.h. das es den Bereich des öffentlichen Verkehrs immer mehr Menschen geben wird, die beispielsweise auch Carsharingangebote oder Mietfahrräder nutzen. Die verschiedenen Verkehrsmodi werden enger verknüpfen werden, was die Nutzung aber auch die Information zu Verfügbarkeit und die Buchungsmöglichkeiten betrifft. Hier bietet die Digitalisierung ganz neue Chancen. Die Gefahr, dass vor allen Dingen Fußgänger und Radfahrer auf einen kostenlosen ÖPNV umsteigen könnten, sehe ich nicht. Das Fahrrad ist über viele Monate und bei bestimmten Wettersituationen keine echte Alternative und auch die Fußgänger werden im Winterhalbjahr, bei schlechter Witterung oder längeren Strecken sehr gerne weiter den ÖPNV nutzen.
Der ÖPNV ist Teil eines komplexen Netzes an öffentlichen Verkehr. Welche Rolle spielt das für den Verkehrsmix – und welche Stellschrauben sehen Sie hier noch zur Optimierung?
Der ÖPNV wird, vor allem in Ballungsräumen, weiter unangefochten mit seinen Schienenverkehrsmitteln Rückgrat der Verkehrsbedienung bleiben. Die Massenströme sind nicht anders zu bewältigen. Bei Orte und Zeiten schwacher Nachfrage werden alternative Bedienungsformen und Sharingangebote deutlich zunehmen, den ÖPNV aber mehr ergänzen als konkurrenzieren. Der Bus wird mit elektrischem Antrieb und später autonom eine renaissance erleben.
Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung für den optimalen Verkehrsmix?
Die Digitalisierung wird das Nutzungsverhalten der Fahrgäste weiter deutlich verändern. Künftig wird der Zugang zu dem System über digitale Plattformen deutlich einfacher werden. Auch wird die Information über Echtzeitnutzung, Verkehrsalternativen, Stau und Ticketing wird über die Digitalisierung für den Endkunden jederzeit einfach und transparent verfügbar sein. Die Digitalisierung ermöglicht es dem Kunden sich schneller und Spontaner zu entscheiden und situativ auf Wetterphänomene oder Staus angemessen zu reagieren. Die Digitalisierung wird dazu beitragen, dass der Verkehrsmix mit den einzelnen Modi sich noch enger vernetzen wird. Dies gilt sowohl lokal, regional als auch national oder gar international.