Die deutsche Autoindustrie bewertet ihre Lage derzeit positiv, macht sich aber Sorgen um die Zukunft. Wie schätzen Sie die Situation der Branche in Ihrem Bundesland ein?
Große Herausforderungen für die Branche bestehen bei den Investitionen und dem Finanzierungsbedarf der Transformation hin zu klimaneutralen Antrieben, einer klimaneutralen Produktion sowie der Digitalisierung und Vernetzung.
Viele Unternehmen stehen derzeit vor ihrer bisher wohl größten unternehmerischen Herausforderung. Dazu gehören explodierende Rohstoff- und Energiepreise sowie die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Vor allem die mittelständischen Zulieferer sehen sich unter Druck gesetzt. Wir erleben aktuell, dass Unternehmen in zunehmendem Maße Investitionen zurückstellen, streichen oder ganz ins Ausland verlagern. Der Standort Deutschland droht im internationalen Vergleich trotz grundsätzlich guter Ausgangsbedingungen in vielen Bereichen ins Hintertreffen zu geraten. Dem gilt es entgegenzuwirken. Angesichts der sehr dynamischen Entwicklungen im Weltmarkt müssen wir mithalten und unsere Stärken weiter ausbauen. Im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW gehen wir gemeinsam mit allen Stakeholdern diese Herausforderungen an und definieren Handlungsfelder, die wir wiederum gemeinsam voranbringen.
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Insbesondere die internationale Wettbewerbssituation wird als problematisch angesehen - wie unterstützen Sie die Branche in Ihrem Bundesland diesbezüglich?
Mit unserer Aktiven Ansiedlungsstrategie unterstützen wir zum einen Neuansiedlungen, zum anderen unsere heimischen Unternehmen bei ihren Transformationsvorhaben in Baden-Württemberg. Als zentraler Ansprechpartner identifiziert die Landesagentur Baden-Württemberg International (BW-i) gemeinsam mit uns die für die Transformationsvorhaben benötigten Flächen und unterstützt bei der schnellen Umsetzung von notwendigen Genehmigungsverfahren.
Außerdem ist der von der Landesregierung initiierte Bürgerbeteiligungsprozess auf große Zustimmung im Rahmen des Strategiedialogs Automobil (SDA) gestoßen und hat im Ergebnis zu positiven Entscheidungen bei verschiedenen Ansiedlungsprojekten in dieser Branche geführt.
Zudem unterstützen wir die hiesige Automobil- und Zulieferindustrie nicht nur durch die bestehenden Fördermöglichkeiten im Land, sondern auch bei Förderangeboten auf EU- und Bundesebene zum Beispiel bei der Batteriezellenfertigung (Stichwort IPCEI) oder bei der Mikroelektronik.
Durch eine Vernetzung der Forschungsinfrastruktur bei Themen der Digitalisierung und Industrie 4.0 sowie Energieeffizienz in der Produktion schaffen wir exzellente Rahmenbedingungen, damit die Automobilindustrie den aktuellen Herausforderungen in technischer Hinsicht bestmöglich begegnen kann.
Nicht zuletzt viele Mittelständler investieren in experimentelle Konzepte, selbst bei der Gefahr einer Fehlinvestition - wie innovativ ist die Branche in Ihrem Bundesland aus Ihrer Sicht?
Nach dem Innovationsindex des statistischen Landesamtes für 2020 sind wir die innovativste Region in Deutschland und Europa. Mit unseren Fachkräften, der exzellenten Forschungslandschaft und den starken mittelständischen Unternehmen haben wir die besten Voraussetzungen. Dies zeigt die Forschungs- und Entwicklungs-Quote von 5,8 Prozent. Damit liegen wir bundesweit an der Spitze. Vor allem die Industrie ist Treiber von Innovationen.
Als Wirtschaftsministerin setze ich mich intensiv für geeignete Rahmenbedingungen, allem voran den Bürokratieabbau und zielgerichteten Fördermaßnahmen ein. Insbesondere auch bei der Gründung; denn die Start-ups von heute sind die Mittelständler und Großunternehmen von morgen. Sie können etablierten Unternehmen neue Wege aufzeigen, beispielsweise Prozesse auf erneuerbare Energien umstellen oder innovative Technologien in die Geschäftstätigkeit zu integrieren. Daher setzt unsere erfolgreiche Landeskampagne Start-up BW einen besonderen Schwerpunkt auf die Förderung von Start-ups mit B2B-Modellen. Ebenso müssen wir Innovationen schneller auf den Markt bringen – gerade bei den Schlüsseltechnologien.
Als ein Problem gilt der Fachkräfte-Mangel. Wie lässt sich dieser abmildern?
Fachkräftesicherung ist demografiebedingt eines der zentralen Themen nicht nur für unsere Unternehmen. Sie ist darüber hinaus von enormer Bedeutung für das Gelingen der Klima- und Energiewende, die Versorgungssicherheit mit wichtigen Dienstleistungen in der Fläche unseres Landes, für die Standortqualität im internationalen Wettbewerb und letztlich unseren Wohlstand.
Wegen der Dringlichkeit und der Größe der Herausforderung müssen alle Hebel der Fachkräftesicherung genutzt werden. Diese reichen von der Stärkung der Aus- und Weiterbildung, über die bessere Arbeitsmarktintegration von Erwerbspersonengruppen mit besonderen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, wie zum Beispiel aufgrund Herkunft, schwierigen Erwerbsbiografien oder Familien- und Betreuungsaufgaben, bis hin zu technologischen Lösungen zur Arbeitsentlastung, dem Abbau von Regulierungslasten oder dem verstärkten Gewinnen und Halten von internationalen Fachkräften.
Das Wirtschaftsministerium setzt gemeinsam mit seinen Partnern an diesen Punkten an und investiert dafür im Jahr 2023 mehr als 80 Millionen Euro.