Auf welchem Niveau befindet sich derzeit die digitale Kommunikation zwischen Unternehmen und Behörden?
Österreich ist in Sachen eGovernment besser aufgestellt, als landläufig vermutet wird. Im EU Digital Economy and Society Index, der den Digitalisierungsgrad der Mitgliedstaaten vergleicht, liegen wir immerhin auf Platz 8. Zum Vergleich: Deutschland hat es nur auf Rang 21 geschafft. Viele behördliche Prozesse können bei uns heute dank sinnvoller digitaler Transformationsmaßnahmen schneller und effizienter erledigt werden. Das hat nicht nur die Produktivität der Unternehmen gesteigert, sondern auch die Rechtssicherheit.
Klar ist aber auch, dass wir noch viel Luft nach oben haben. Eine schlagkräftige Verwaltung sollte immer einem Dienstleistungsgedanken unterliegen. Bei uns wird man als Betrieb von den Behörden oft im Kreis geschickt, was mitunter frustrierend sein kann. Das hat sich vor allem im Zuge der Pandemie gezeigt: Die unzähligen Anträge für Corona-Kurzarbeit, Verlustersatz, Fixkostenzuschuss und so weiter waren selbst für versierte Buchhaltungsprofis eine Herausforderung – ich kenne viele Unternehmer, die daran verzweifelt sind.
Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky hat kürzlich gesagt, das digitale Amt muss am Handy so einfach funktionieren wie Tinder. Er hat absolut Recht. So wie im eCommerce ist auch hier Nutzerfreundlichkeit alles. Wenn wir alle Potenziale heben, könnten die betrieblichen Kosten für Behördeninteraktionen um rund die Hälfte reduziert werden. Laut einer Studie von Accenture sind Einsparungen im Ausmaß von über 100 Millionen Euro pro Jahr möglich. Auch der Rechnungshof hat empfohlen, die Digitalisierung der Verwaltung unter dem Gesichtspunkt der Deregulierung und Entbürokratisierung zu forcieren.
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Trägt dieser Kommunikationsweg in irgendeiner Weise zum Abbau von Bürokratiebelastungen in Unternehmen aller Größenordnungen bei?
Digitalisierung kann richtig eingesetzt ein wahrer Bürokratiekiller sein. Moderne digitale Prozesse in der Verwaltung bedeuten schließlich für alle Beteiligten weniger bürokratischen Aufwand und damit eine Kostenreduktion. Die Erfolgsbeispiele haben wir, sei es "FinanzOnline", das "Digitale Amt" oder auch das Rechtsportal "RIS".
Dessen ungeachtet ist Österreich noch immer ein Land mit extremer Regulierungsdichte und zu viel Bürokratie. Gerade die Handelsbranche, die in den letzten Jahren massiv von der Corona-Pandemie und aktuell von der Energie-Krise betroffen ist, sieht sich mit immer neuen Auflagen und Gesetzen konfrontiert, die unsere Entwicklung bremsen. Das ist unnötig, auch weil es enorm viel Zeit und Geld kostet. Der Handelsverband hat durch Bewusstseinsbildung, pointierte, zukunftsgerichtete Interessensvertretung und unzählige persönliche Gespräche mit allen relevanten politischen Kräften wichtige Erfolge für den Handel und seine Beschäftigten erzielen können. Aber vieles bleibt noch zu tun, und das gelingt uns nur gemeinsam. Wir appellieren an die Bundesregierung, dem österreichischen Handel freie Fahrt in eine erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen.
In welchen Feldern sehen die Unternehmen dabei vordringlichen bzw. generellen Verbesserungsbedarf?
Zu den größten Herausforderungen für die Unternehmen zählt der ausgeprägte Föderalismus, was sich etwa in neun unterschiedlichen Raumordnungen manifestiert. Für ein kleines Land wie Österreich mit 9 Millionen Einwohnern ist das ein Wahnsinn, wenn man in jedem Bundesland andere Vorschriften beachten muss. Mittlerweile haben wir neben der Bundes-, Landes- und Gemeindeebene noch die EU als vierte Regulierungsebene dazu bekommen, und jede sieht sich als unverzichtbar an. Mühsam sind auch die langen Behörden- und Genehmigungsverfahren, wobei hier in den letzten Jahren schon einiges beschleunigt wurde.
Summa summarum ist Österreich ein modernes Land und nach wie vor ein guter Wirtschaftsstandort. Wir müssen aber auch in Zukunft innovativ bleiben, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Da geht es nicht nur um eGovernment, sondern auch um eine deutliche Entlastung des Faktors Arbeit für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber oder um die Abschaffung der Mietvertragsgebühr. Dieses Relikt aus Zeiten Maria Theresias gibt es in keinem anderen europäischen Land mehr. Die Mietvertragsgebühr bestraft genau jene, die hierzulande Geschäftslokale betreiben, Personal anstellen und zur regionalen und nationalen Wertschöpfung beitragen. Höchste Zeit, sie zu kübeln. Denn wenn wir daran festhalten, dann wird sich eine schleichende Abwanderung der Firmenzentralen und Arbeitsstätten entwickeln, die dem Staatshaushalt mehr Verluste bringt, als man durch die Abschaffung dieser versteckten „Steuer“ verliert. Im Übrigen erbringt der Staat hierfür keinerlei Gegenleistung.
Ist die Rechtslage – etwa hinsichtlich Datenschutz bzw. Schutz betrieblicher Geheimnisse – diesem Gegenstand angemessen?
Die Datenhoheit der Bürger und der Unternehmen ist ein wichtiges Gut. Daher sollten die staatlichen Behörden nicht automatisch auf alle Daten Zugriff haben, sondern nur auf jene, die sie benötigen oder die vom Dateninhaber freigegeben wurden. Das Finanzamt benötigt beispielsweise keinen Zugriff auf meine Gesundheitsdaten und die Ärztin keinen Zugriff auf meine Finanzdaten. Darüber hinaus sollten alle Datenzugriffe protokolliert werden, damit alle Firmen und auch Privatpersonen sehen können, wer wann auf ihre Daten zugegriffen hat. So kann man auch den Schutz betrieblicher Geheimnisse effektiv sicherstellen und die Privatsphäre besser schützen.