Die bisherige Bilanz der Digitalisierung für die deutsche öffentliche Verwaltung ist für Prof. Dr. Jörg Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum „nach wie vor als eher ernüchternd einzuschätzen“, obwohl „ein Teil der Bürokratiebelastungen für Bürger und Unternehmen durch besser funktionierende digitale Verfahren deutlich reduziert werden“ könnten. Der Bürokratieforscher sieht Modernisierungserfordernisse „auf allen Ebenen“, damit analoge bürokratische Prozesse nicht einfach nur digitalisiert würden. Insbesondere gemeinsame Schnittstellen und Softwarelösungen seien notwendig.
Ein gutes Beispiel, wie es funktionieren kann, ist wohl die seit Anfang 2023 freigeschaltete Steuerberaterplattform und mit ihr das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt). Dr. Dieter Mehnert, Präsidialmitglied der Bundessteuerberaterkammer und Präsident der Steuerberaterkammer Nürnberg, erklärt: „Das beSt gewährleistet eine sichere, einheitliche und einfache elektronische Kommunikation im EGVP-Verbund“, einer Kommunikationsinfrastruktur, mit der seit 2004 von authentifizierten Teilnehmern an die teilnehmenden Gerichte und Behörden elektronische Dokumente und Akten übermittelt werden können.“ Steuerberater*innen kommunizierten nun über das beSt mit Gerichten und Behörden, anderen freien Berufen und Kammern sowie innerhalb des Berufsstandes selbst.
„Viele behördliche Prozesse können bei uns heute dank sinnvoller digitaler Transformationsmaßnahmen schneller und effizienter erledigt werden", konstatiert Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands Österreich. Allerdings behinderte etwa der ausgeprägte Föderalismus die wirtschaftliche Performance der Unternehmen. Verbesserungen ließen sich aber vergleichsweise leicht erreichen: „Die Erfolgsbeispiele haben wir, sei es "FinanzOnline", das "Digitale Amt" oder auch das Rechtsportal RIS.“
Auch die Schweiz müsse in Sachen digitaler Kommunikation zwischen Wirtschaft und Behörden besser werden, sagt Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung sowie Leiter Umwelt, Energie und Infrastruktur von economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Kernpunkt seiner Wünsche: Für die Realität der Unternehmen sei insbesondere die Interaktion mit Kantonen und Gemeinden im Alltag wichtig, wo aber beträchtliche Unterschiede im Entwicklungsstand vorherrschten. „Ein positiv zu wertender Schritt ist die Plattform «easygov.swiss», wobei diese Plattform erst der Anfang eines digitalen Ökosystems darstellen kann.“ Schlussendlich brauche es die Möglichkeit, dass Private über offene Schnittstellen direkt mit Behörden unter Nutzung ihrer Standard-Software kommunizieren können. Die Schweiz benötige dringend eine E-ID.
Die Digitalisierung in der Behördenkommunikation an sich sei sehr zu begrüßen, sagt Christian Bünger, beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) zuständig für Digitalisierungsthemen. Diese sei aber problematisch, solange unterschiedliche Systeme und Verfahren genutzt würden. „Unsere Mitgliederumfrage 2021 zur Digitalisierung zeigt, dass der Austausch zwischen den Behörden und Unternehmen grundsätzlich gut funktioniert.“ Aber es gebe zentrale Hindernisse wie Medienbrüche - Versand per E-Mail, Ausdruck, Einscannen, Rückversand oder aber auch die technische Ausstattung der Behörden – vor allem für Baugenehmigungen. „Ebenso fehlt ein einheitliches Behördensystem, d.h. hier gibt es große Schwierigkeiten bei der Interoperabilität.“
In Sachen Bürokratie-Entlastung von Handwerksbetrieben „sind bislang leider kaum positive Auswirkungen der Digitalisierung zu spüren“, sagt Dr. Stefan Stork, Referatsleiter in der Abteilung Organisation und Recht des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Es fehle an einer tragfähigen Strategie als auch an einem Bürokratieabbau. „Um es auf den Punkt zu bringen: Während sich Deutschland zwar regelmäßig ehrgeizige gesetzliche Ziele setzt, fehlt es nach wie vor an einer entschlossenen Digitalisierungsstrategie, um diese zu verwirklichen.“ Bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sei die Umsetzung des Grundsatzes der einmaligen Datenerfassung für Handwerksbetriebe besonders wichtig. Danach sollen Betriebe zukünftig bei Verwaltungsverfahren keine Unterlagen mehr beibringen müssen, die bereits als Registerdaten bei Behörden vorliegen. „Vielmehr ist es Aufgabe der Verwaltung, diese intern zu beschaffen.“
Dr. Julian Dörr, Leiter Digitalisierungspolitik des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER, ist mit dem Stand der Digitalisierung der Kommunikation mit Behörden sehr unzufrieden. Sein Vorschlag: „Es muss Unternehmen ermöglicht werden, dass sie über ein einheitliches, digitales Konto mit den Behörden kommunizieren können – und zwar egal, in welchem Bundesland sie ihre verschiedenen Niederlassungen haben. Mit einem solchen „Single Point of Contact“ zur Verwaltung sollten Unternehmen – die Poweruser der öffentlichen Verwaltung – ihre zahlreichen Verwaltungsleistungen deutschlandweit mit nur einem Konto abwickeln können.“ Dafür seien Strukturreformen und bundesweit einheitliche Standards nötig.