Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für Vorschriften für politische Werbung, Wahlrecht und Parteienfinanzierung vorgelegt. Wie dringend ist der Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht in diesem Bereich?
Aus österreichischer Sicht würde ich sagen, der Vorschlag kommt zur richtigen Zeit. Wir haben in Österreich seit vielen Jahren ein Gesetz, das unter anderem auch auf die Regulierung politischer Werbung in Medien abzielt und für Transparenz sorgen soll - das sog. "Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz". Im Kern sagt das Gesetz, dass die Verwendung öffentlicher Mittel für politische Eigenwerbung nicht erlaubt ist, sondern konkreten Informationszwecken im öffentlichen Interesse dienen muss. Das hat in der Vergangenheit nicht immer funktioniert. Aktuell befindet sich dieses Gesetz daher auf dem Prüfstand unserer neuen Medienministerin, Bundesministerin Susanne Raab.
In Österreich geht es allerdings (anders als im EU-Vorschlag) um das Ziel, die Verwendung öffentlicher Mittel für Kommunikationszwecke zielgerecht, transparent und missbrauchssicher zu gestalten. Der EU-Vorschlag hat aus meiner Sicht v.a. das Ziel, die Gefahr unsauberer Wahlbeeinflussung durch gezieltes Social-Media-Targeting mit Geld politischer Parteien oder Privater (hinter denen politische Interessen stehen) in den Griff zu kriegen.
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Der Vorschlag sieht einen ausdrücklichen Transparenzvermerk für politische Werbung vor. Wie finden Sie die vorgeschlagenen Regeln dafür?
Ich sehe das positiv. Für die klassischen Medien (Rundfunk und Print) besteht schon lange die Pflicht, Werbung als solche kenntlich zu machen. Weshalb sollte für soziale Medien udgl. dieses Gebot nicht gelten? Soweit politische Werbung (also bezahlte Schaltungen) erlaubt ist bzw. sein soll, sollte sie auch in der Online-Welt als solche kenntlich sein. In Österreich fordern wir als klassische Medien in unserer aktuellen Diskussion allerdings mehr als das: Wenn öffentliches Geld für Kommunikation verwendet wird, sollte das nur in einem gesicherten Qualitätsumfeld erfolgen, also bei Medien mit redaktioneller Verantwortung und Kontrolle.
Es soll Auflagen für Targeting und Amplifikation geben. Wie bewerten Sie das?
Keine sensiblen Daten (wie zB Religionsbekenntnis, sexuelle Orientierung usw.) in politisch motiviertem Online-Targeting verwenden zu dürfen, beurteile ich positiv. Man muss aber darauf achten, dass da nicht „doppelt gemoppelt" wird, also dass nicht Vorgaben der DSGVO noch einmal, womöglich missverständlich, gespiegelt werden.
Was sollte noch in den endgültigen Vorschriften stehen - und was keinesfalls?
Wie immer, wenn es um die Regulierung der großen Online-Player durch EU-Vorschriften geht: Es muss darauf geachtet werden, dass die Vorschriften administrierbar sind, d.h. in dem Mitgliedsstaat, in dem es in der Praxis zu Problemen kommt, müssen diese auch verfolgt werden können. In der EU stehen wir uns gerade bei der Regulierung grenzüberschreitend tätiger Online-Riesen sehr oft selbst im Weg. EU-Vorgaben zu politischer Werbung sollten in den Mitgliedstaaten aufgreifbar und judizierbar sein, in denen (behauptete) Verstöße gegen die Regeln ihre Auswirkungen zeigen.