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Vorschläge zu Transparenz bei politischer Werbung nicht verwässern

Welche Regeln die EU braucht

Paul Schmidt - Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik Quelle: Wilke Paul Schmidt Generalsekretär Österreichische Gesellschaft für Europapolitik 04.04.2022
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Der Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission für mehr Transparenz bei politischer Werbung ist bereits sehr weit gefasst und durchaus ambitioniert", findet Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Es sei höchste Zeit, die geltenden EU-Vorschriften an das digitale Zeitalter anzupassen. Bei Europa- und Kommunalwahlen plädiert er für weitere Verbesserungen.







Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für Vorschriften für politische Werbung, Wahlrecht und Parteienfinanzierung vorgelegt. Wie dringend ist der Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht in diesem Bereich?
Die von der EU-Kommission im November 2021 vorgeschlagene Verordnung für klare Regeln für politische Werbung ist als wichtiger Schritt einzuschätzen, um die Transparenz zielgerichteter politischer Werbung zu erhöhen. Gerade im digitalen Zeitalter und den damit einhergehenden Veränderungen im Hinblick darauf, wie man zu Informationen kommt und wer diese Informationen zur Verfügung stellen kann, ist der diesbezügliche Handlungsbedarf groß. Denn es ist für die Bürgerinnen und Bürger angesichts der Informationsflut, der man beim Surfen im Internet oder auf Social Media Plattformen tagtäglich ausgesetzt ist häufig schwierig zu erkennen, ob es sich um - bezahlte - politische Werbung handelt oder nicht. Darüber hinaus sind die Vorschriften für politische Werbung in jedem EU-Mitgliedsland unterschiedlich und haben insbesondere traditionelle Medien im Visier, weswegen es im Hinblick auf politische Werbung im Internet nach wie vor Lücken gibt, die es eher heute als morgen zu schließen gilt.

Die neuen Vorschriften für politische Werbung wurden gemeinsam mit anderen Maßnahmen beschlossen, die allesamt sicherstellen sollen, dass die Demokratien in der EU auch angesichts neuer Herausforderungen gut funktionieren können. So hat die Kommission einerseits eine Überarbeitung der EU-Vorschriften für die Finanzierung von europäischen politischen Parteien und Stiftungen vorgeschlagen. Die überarbeiteten Regeln zielen u.a. darauf ab, die Transparenz europäischer Parteien – insbesondere im Hinblick auf politische Werbung und Spenden – zu erhöhen. Sie sollen aber auch den Verwaltungsaufwand reduzieren und generell die Arbeit und transnationale Vernetzung von europäischen politischen Parteien erleichtern. Andererseits hat die Kommission vorgeschlagen, die geltenden EU-Richtlinien für Europa- und Kommunalwahlen für EU-BürgerInnen, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland wohnen, zu aktualisieren. Nur sehr wenige dieser sogenannten „mobilen EU-BürgerInnen“ machen von ihrem Wahlrecht tatsächlich Gebrauch. Darum sollen die aktualisierten Vorschriften rechtzeitig vor den nächsten Europawahlen 2024 dazu beitragen, die betreffenden EU-BürgerInnen proaktiv über ihr Wahlrecht zu informieren und ihnen die Registrierung als WählerIn zu erleichtern.

Fake News, die Manipulation der öffentlichen Meinung, Desinformation sowie die demokratischen Abläufe schädigende Einflussnahme aus dem Ausland bis hin zu (Mord)drohungen gegenüber unabhängigen JournalistInnen und Medien sind mittlerweile leider auch in Europa zum Problem geworden. Dementsprechend ist es höchste Zeit, die geltenden EU-Vorschriften an das digitale Zeitalter anzupassen. Die Bürgerinnen und Bürger der EU haben ein Recht auf objektive und transparente Information und glaubwürdige Informationsquellen.  

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Der Vorschlag sieht einen ausdrücklichen Transparenzvermerk für politische Werbung vor. Wie finden Sie die vorgeschlagenen Regeln dafür?
Der Transparenzvermerk für politische Werbung ist jedenfalls positiv zu bewerten. Dabei geht es darum, dass politische Werbung künftig verpflichtend als solche zu erkennen sein muss. Im Transparenzvermerk sind demnach Angaben darüber enthalten, wer die Werbung bezahlt hat, welche Summe dafür gezahlt wurde und woher das Geld stammt, wie lange die Werbung im Umlauf sein wird und auf welche Wahlen bzw. welches Referendum sie sich bezieht. Für die BürgerInnen ist somit auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich um politische Werbung handelt.   

Es soll Auflagen für Targeting und Amplifikation geben. Wie bewerten Sie das?
Targeting und Amplifikation sind aus dem Online Marketing heutzutage nicht mehr wegzudenken. Für das Targeted Advertising, sprich die gezielte Ausrichtung von Werbung im Internet auf eine bestimmte Zielgruppe, werden personenbezogene Daten verwendet. Auch die Amplifikation, also die kostenpflichtige Verstärkung der Wirkung und Reichweite von Werbeanzeigen auf Plattformen wie z.B. Instagram, Facebook, Blogs und You Tube, nutzt personenbezogene Daten. Es liegt auf der Hand, dass es hier klare Regeln braucht, um den Missbrauch von personenbezogenen Daten zu verhindern und die BürgerInnenrechte auch in der digitalen Welt zu schützen. Neben den bereits existierenden Datenschutzregelungen auf EU-Ebene, wie beispielsweise der Datenschutzgrundverordnung, sind die Auflagen für Targeting und Amplifikation von politischer Werbung jedenfalls zu begrüßen. Künftig soll es bei politischer Werbung demnach verboten sein, Targeting und Amplifizieren auf Basis sensibler personenbezogener Daten zu betreiben – außer, wenn die Betroffenen dem ausdrücklich zustimmen. Wenn dennoch Targeting und Amplifizieren für politische Zwecke zum Einsatz kommt, muss es zumindest transparent gemacht werden.

Was sollte noch in den endgültigen Vorschriften stehen - und was keinesfalls?
Der Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission für mehr Transparenz bei politischer Werbung ist bereits sehr weit gefasst und durchaus ambitioniert. Worum es jetzt allerdings geht ist, dass diese weitreichenden Vorschriften im Zuge der nun anstehenden Verhandlungen mit dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament jedenfalls nicht verwässert werden. Zudem ist der Zeitlauf für die Umsetzung recht knapp bemessen. Das Ziel ist ja, dass die neuen Vorschriften bis zum Frühjahr 2023 nicht nur in Kraft treten, sondern darüber hinaus von den EU-Mitgliedstaaten auch vollständig umgesetzt werden. So soll garantiert werden, dass die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Frühjahr 2024 die höchsten demokratischen Standards erfüllen.

Bei der Aktualisierung der EU-Richtlinien für Europa- und Kommunalwahlen gäbe es allerdings noch Luft nach oben. Hier scheint man sich auf einen Minimalkompromiss geeinigt zu haben, denn eine echte und tiefgreifende Reform des EU-Wahlrechts müsste auch die Verankerung des EU-SpitzenkandidatInnen-Verfahrens und die Einführung transnationaler Wahllisten umfassen. Insbesondere das EU-Parlament sollte sich in den nun anstehenden Verhandlungen dafür einsetzen, diese bereits seit längerem geforderten Vorschläge in die Aktualisierung des EU-Wahlrechts aufzunehmen, so dass das EU-SpitzenkandidatInnen-Verfahren auch bei den Europawahlen 2024 zur Anwendung kommen kann. Denn die Verbindung der Europawahlen und der Kommissionspräsidentschaft führt letztlich auch zu einer Stärkung der demokratischen Legitimation der EU.

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