Hybride Tagungen verbinden lokale mit virtuellen Treffen. Welche Potenziale sehen Sie in solchen Formaten – in der Pandemie und darüber hinaus?
Den Begriff der hybriden Events gab es bereits vor Covid19. Allerdings war damit im weitesten Sinne die Anreicherung realer Events mit digitalen Komponenten gemeint, was letztlich fast jedes Event mehr oder weniger hybrid gemacht hat. Mit der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung und vor allem die dadurch mögliche Virtualisierung von Tagungen eine ganz andere Relevanz erhalten, da viele Veranstaltungen auf reguläre Weise nicht hätten realisiert werden können. Eine wichtige Komponente von Tagungen ist der Austausch von Wissen. Dies lässt sich auch medial über Videostreaming sehr gut umsetzen, wie es seit Jahren beim Distance-Learning praktiziert wird. Die Potenziale – auch über die Pandemie hinaus – sind, dass Referent*innen und Teilnehmer*innen einfacher eingeladen werden können und auch die Größe des Publikums nicht mehr an einen Veranstaltungsort gebunden sind. Damit lassen sich hybride Events leichter skalieren. Spannend bleibt jedoch die Frage nach der Zahlungsbereitschaft für diese Formate nach der Pandemie.
JETZT HERUNTERLADEN
DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE

DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
Für welche Inhalte eigenen sich hybride Formate aus Ihrer Sicht besonders?
Hybride Events eignen sich für Events, bei denen das Publikum vor dem Bildschirm
keinen signifikanten Nachteil gegenüber dem Publikum vor Ort hat. Das betrifft Veranstaltungen bei denen die multisensuale Inszenierung vor Ort vergleichsweise unwichtig ist. Hier kann zwischen eher prozess- und eher ergebnisorientierten Events unterschieden werden: Bei einem Musikfestival geht es um die Stimmung, Inszenierung des Ortes und die Interaktion mit den anderen Besucher*innen. Der Erlebnisprozess ist entscheidend. Das alles lässt sich virtuell schlecht übersetzen.
Anders verhält es sich bei Kongressen, Tagungen oder Informationsveranstaltungen wie z. B. Pressekonferenzen: Hier geht es stärker um die Vermittlung von Informationen und somit das Ergebnis des Wissenstransfers. Natürlich spielen auch Kontakte zu anderen Teilnehmer*innen und die Erweiterung des eigenen Netzwerks bei Kongressen eine wichtige Rolle. Aber im Vordergrund stehen Informationen, die sich auch digital gut vermitteln lassen.
Welche technischen Voraussetzungen benötigen Hybride Tagungen und wie wichtig sind dabei welche Interaktionsmöglichkeiten für Online-Teilnehmer?
Hybride Tagungen benötigen professionelle Medientechnik und Expert*innen für
deren Bedienung: Personal mit Streaming- und Bildregie-Kompetenz, hochauflösende Kameras, einen gut abgenommenen Ton der Redner*innen sowie des Publikums (bei Kommentaren und Fragen der anderen Teilnehmenden) sowie eine schnelle und stabile Internetverbindung. Insgesamt muss eine professionelle Medienleistung mit mehreren Kameraperspektiven angeboten werden. Eine asynchrone Bild-/Tonübertragung oder Präsentationsfolien von Referent*innen, die zu klein gezeigt werden, müssen unbedingt vermieden werden, da sonst die Zuschauer*innen schnell aussteigen.
Eine besondere Herausforderung ergibt sich bei digitalen Formaten, wenn Referent*innen nicht das Media-Setting der Veranstalter*innen nutzen, sondern mit eigenem Equipment aus dem Home Office streamen, wie es derzeit oft der Fall ist. Dadurch sind die Organisator*innen einer Tagung auf die Technik der Referent*innen angewiesen, die bisweilen zu erheblichen Qualitätsunterschieden in Bezug auf Hardware, Software und Medienkompetenz innerhalb eines Panels mit mehreren Beitragenden führen kann.
Die Frage ist, wie eine Dramaturgie entwickelt und moderiert werden kann, die das Publikum am Bildschirm aufmerksam bleiben lässt. Letztlich reicht die beste Technik nicht aus, wenn die Inhalte keinen relevanten inhaltlichen Mehrwert bieten oder nicht unterhalten.
Ein Mehrwert können Interaktionsangebote für die Online-Teilnehmer*innen sein. Die Bedeutung der Interaktionsmöglichkeiten hängt von den Zielgruppen ab. Zu unterscheiden sind Interaktionen zwischen Teilnehmenden und den Protagonisten der Tagung, beispielsweise indem Fragen gestellt werden können. Dies ist sinnvoll und kann die Veranstaltung inhaltlich bereichern und die Identifikation der Teilnehmenden mit dem Event fördern. Zudem gibt es die Möglichkeit, dass die Online-Teilnehmer*innen miteinander interagieren. Diesen Austausch zu aktivieren ist oftmals schwieriger als bei realen Events und sollte daher moderiert und spielerisch unterstützt werden.
Wie verhindert man eine Zwei-Klassen-Teilnehmerschaft zwischen den „echten“ und den Online-Teilnehmern?
Grundsätzlich muss anerkannt werden, dass eine Teilnahme vor Ort und eine Online-Teilnahme einfach zwei sehr verschiedene Erlebnisse darstellen. Es muss zwischen beiden Formen aber keine Wertigkeit definiert werden. Die Unterschiede können relativiert werden, wenn beispielsweise die Moderation beide Publikumsgruppen gleichermaßen adressiert und die Dramaturgie und Regie darauf achtet, dass Kameras und Saalpublikum alles mitbekommen. Denkbar ist auch der Einsatz von Sprecher*innen, die für das Online- Publikum das Geschehen vor Ort kommentieren.
Bei Programmpunkten, die explizit für das Publikum vor Ort gedacht sind, wie z. B. Kaffeepausen, sollte ein eigenes Parallelangebot für das Online-Publikum geschaffen werden, damit dieses nicht in die Werbepause geschickt wird oder gar den anderen beim Kaffeetrinken zusehen soll. Die Bayerische Staatsoper bietet bei den Opern-Streamings beispielsweise während der Pausen einen Blick hinter die Kulissen und damit Backstage-Einblicke, die das Publikum vor Ort so nicht sieht.