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Verleger für ein EU-Medienfreiheitsgesetz im Geiste einer Mindestharmonisierung

Wie die geplanten Regeln mit Leben gefüllt werden sollten

Philippe Meistermann - Büroleiter Brüssel, Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) Quelle: BDZV/ B. Brundert Philippe Meistermann Büroleiter Brüssel Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) 17.01.2024
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Dipl.- Journ. Thomas Barthel
Founder & Herausgeber
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Über die geplante EU-weite Medienregulierung meint Philippe Meistermann vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), "dass sowohl das Instrument als auch die vorgeschlagenen Maßnahmen in wesentlicher Hinsicht weder geeignet noch angemessen sind." Deswegen formuliert er klare Erwartungen an einen engültigen European Media Freedom Act.







Die EU hat ein Medienfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht - was halten Sie ganz grundsätzlich von so einem Regelwerk?
Wie die Europäische Kommission und eine große Zahl von Beobachtern müssen auch wir mit Bedauern feststellen, dass die Freiheit und Vielfalt der Medien in der Europäischen Union vielfachen alten und neuen Gefahren ausgesetzt ist: Gefahren für Leib und Leben von Journalisten, einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Medienunternehmen sowie ein Rückgang von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedsstaaten und damit einhergehende Bedrohungen für die Presse- und Meinungsfreiheit.

Als Verband der freien und unabhängigen Medien sehen wir die Verteidigung von Presse- und Meinungsfreiheit als wesentlichen Bestandteil unserer Daseinsberechtigung. Jedoch müssen wir mit Bedauern feststellen, dass das europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) in Form und Inhalt diesen Ansprüchen aus unserer Sicht nicht gerecht wird. Wir sehen in erster Linie keine Kompetenz der Europäischen Union für eine allgemeine Presse- und Medienregulierung. Darüber hinaus sind wir der Ansicht, dass sowohl das Instrument als auch die vorgeschlagenen Maßnahmen in wesentlicher Hinsicht weder geeignet noch angemessen sind.

Wir weisen die Vorstellung zurück, dass sich politische, rechtsstaatliche und wirtschaftliche Probleme durch eine europäische allgemeine Medienregulierung bzw. eine Regulierung der europäischen Medienunternehmen lösen ließen. Die Europäische Union hat, insbesondere durch die Einführung der Urheberrechtsrichtlinie und des Gesetzes über digitale Märkte (DMA), gute Grundlagen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Medien geschaffen. Nun bedarf es einerseits ambitionierter Schritte, um diese neuen Vorschriften mit Leben zu füllen, und andererseits politischen Handelns sowie der konsequenten Durchsetzung der bereits vorliegenden Instrumente (etwa des EU-Rechtsstaatlichkeitsmechanismus). Das Ziel: den Bedrohungen für die Pressefreiheit und -vielfalt zu begegnen und die Europäische Union als Raum der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte für die Zukunft zu wappnen.

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Eine unabhängige Medienaufsichtsbehörde soll geschaffen werden. Was halten Sie davon?
Die im EMFA geplante Medienaufsichtsbehörde, das „Gremium“, soll aus der durch die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD) eingerichteten Gruppe europäischer Regierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) entstehen. Im Gegensatz zur ERGA, die sich ausschließlich mit dem Rundfunk und audiovisuellen Mediendiensten befasst, soll das Gremium Zuständigkeiten für alle Mediendienste, einschließlich der gedruckten und digitalen Presse, erhalten. Eine Medienaufsicht für die Presse ist mit der in Deutschland verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit gänzlich unvereinbar.

Darüber hinaus stellen wir die Unabhängigkeit des Gremiums in Frage. Bei der Durchführung der zugewiesenen Aufgaben ist das Gremium weitgehend von der EU-Kommission abhängig. Die umfassenden Mitwirkungsbefugnisse der EU-Kommission im Gremium sind mit den an eine Medienaufsicht zu stellenden Anforderungen der Unabhängigkeit und der Staats- bzw. Unionsferne nicht vereinbar. Die Beteiligung der EU-Kommission an der Organisation und den Arbeitsabläufen des Gremiums halten wir für höchst fragwürdig.

Regelungen zum Quellenschutz sind aus dem ursprünglichen Entwurf gestrichen worden. Wie bewerten Sie das?
Das erklärte Ziel des EMFA ist der europaweite Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus. Konsequenterweise betont der Vorschlag der Kommission in seinen Erwägungsgründen völlig zu Recht die Notwendigkeit eines „robusten Schutzes“ journalistischer Quellen und Kommunikation. Das Schutzniveau der Verordnung sollte daher nicht hinter die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum publizistischen Quellenschutz zurückfallen. Ein – zumal lückenhafter – Minimalschutz ist gerade dann nicht ausreichend, wenn die europäischen Organe zu der Erkenntnis gekommen sind, dass es zur Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarktes der Medien auch eines einheitlich hohen Schutzniveaus bedürfe.

Ein insgesamt hohes Schutzniveau ist dann konsequenterweise über die gesamte Europäische Union hinweg zu etablieren. Das ist auch deshalb nötig und konsequent, weil es in zunehmendem Maß internationale Kooperationen von Medien und Journalistinnen und Journalisten gibt, etwa im Rahmen gemeinsamer Rechercheprojekte wie z.B. bei den Panama-Papers oder den Pandora-Papers, aber auch, weil Informationen von Medien häufig auf Servern in anderen Ländern der EU liegen. In solchen Fällen hilft ein Schutz in nur einem Mitgliedsstaat nicht, wenn ein anderes Land Zugriff auf Rechercheergebnisse oder gar journalistische Quellen ermöglicht.

Welche Änderungen und Konkretisierungen halten Sie nach der Einigung beim Trilog noch für nötig und möglich?
Wir wünschen uns, dass der EMFA seinem Anspruch gerecht bleibt, im Geiste einer Mindestharmonisierung allgemeine Prinzipien und Grundsätze festzuschreiben und von Detailregelungen und Konkretisierungen absieht. Wir sehen sonst die Gefahr, dass die freiheitliche Medienordnung in Deutschland untergraben wird.

Im Anschluss an die politische Einigung im Trilog sollen noch einige Detailfragen ausgehandelt werden. Dabei geht es in der Regel um die Erwägungsgründe der Verordnung, die die neuen gesetzlichen Regelungen näher erläutern sollen. Dabei sind auch Eingriffe in die interne Arbeitsweise und Organisation von Verlagen und Medienhäusern möglich. Es sollte aber unbedingt davon abgesehen werden, spezifische Regelungen vorzusehen, die die unterschiedlichen und teils verfassungsrechtlich geschützten Praktiken in dem Mitgliedsstaaten missachten.

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