Der Digitalpakt Schule hatte das Ziel, eine "leistungsfähige digitale Bildungsumgebung" zu schaffen - wo stehen die Schulen nun diesbezüglich?
In den vergangenen Jahren hat sich dank des Digitalpakts Schule einiges getan. Allerdings gibt es weiterhin Probleme. Die Zuständigkeiten zwischen Land und Kommune als Schulträger sind nicht zukunftsweisend geklärt, die notwendige Unterstützung durch professionelles IT-Personal fehlt oft. Es kann nicht sein, dass überlastete Lehrkräfte sich zusätzlich um die Technik kümmern müssen. Zudem reicht es nicht aus, einmalig Geräte anzuschaffen; die nachhaltige Beschaffung und Wartung steht aus, denn nach vier bis fünf Jahren – der erste Digitalpakt Schule stammt aus dem Jahr 2019 – sind viele Geräte veraltet, insbesondere angesichts der zunehmenden Anforderungen an Geschwindigkeit und Datenvolumen.
Welche Anstrengungen – und welche Unterstützung vom Bund – sind künftig nötig?
Kurzfristig brauchen wir dringend eine Zwischenfinanzierung, also eine umgehende Anschlussfinanzierung an den Digitalpakt 1.0, solange es den Digitalpakt 2.0 noch nicht gibt, denn es hakt jetzt schon. Die Schulen benötigen umgehend Mittel für eine angemessene Unterstützung der Schulverwaltung und des Unterrichts, um digital auf der Höhe der Zeit zu sein.
Mittel- und langfristig ist das ständige Hangeln von einem Digitalpakt zum nächsten keine Lösung. Wir brauchen eine nachhaltige Finanzierungsstrategie, damit Schulen verlässlich planen können. Der Bund sollte hierbei in enger Abstimmung mit den Ländern, vor allem aber auch mit den Kommunen agieren, um die notwendige Kontinuität sicherzustellen, denn die Kommunen sind in allen Ländern – bis auf die Stadtstaaten – die dafür zuständigen Schulträger. Kontrolle bis ins Kleinste ist hier allerdings nicht hilfreich, das zeigt sich an der aktuellen Debatte.
Mit neuer Technik wachsen auch die Anforderungen an das Lehrpersonal. Wie wird die Lehrerschaft für diese Herausforderung fit gemacht?
Gute Fortbildung ist hier das Schlüsselwort – mit vernünftigen, empirisch abgesicherten Konzeptionen und kontinuierlicher finanzieller Absicherung durch die Länder und den Bund! Wir brauchen mehr Zeit, Raum, Geld und Kompetenz für die Weiterbildung der Lehrkräfte – aber keine reflexhaften Rufe nach verpflichtender Fortbildung als angebliches Allheilmittel. Es ist sehr bedauerlich, dass der Bund die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ 2023 auslaufen ließ, ohne dass ein Nachfolgeprogramm in Sicht ist. Diese Initiative hatte 91 Projekte an 72 Hochschulen zur Verbesserung der Lehrkräftebildung unterstützt. Innovative Projekte wie CODIP der Leuphana Universität Lüneburg wurden entwickelt. Warum sollten wir künftig keine innovativen Konzepte mehr brauchen? Überhaupt sind die derzeit vorhandenen Ressourcen für die Lehrkräftebildung schlicht zu gering. Während die Bundesländer nach Untersuchungen Peter Daschners im Schnitt 173 Euro pro Jahr und Vollzeit-Lehrkraft in Fortbildung investieren, geben privatwirtschaftliche Unternehmen zwischen 423 und 561 Euro aus. Das sagt schon sehr viel. Zudem brauchen die Lehrkräfte natürlich auch die entsprechenden Zeit-Budgets, um sich überhaupt fortbilden zu können – was in Zeiten des Lehrkräftemangels schwer zu vermitteln, aber um so deutlicher zu fordern ist. Wir haben es also mit fundamentalen Problemen zu tun. Im Moment ist die Lehrkräftefortbildung in Deutschland im internationalen Vergleich leider schlicht nicht konkurrenzfähig.
Wissenschaftler befürchten, dass digitale Medien sogar negative Auswirkungen auf das Lernen haben könnten. Welches Maß und welche Art der Digitalisierung ist an den Schulen überhaupt sinnvoll?
Eine Schule ohne eine klug unterstützende Digitalisierung der Schulverwaltung und des Unterrichts kann es im 21. Jahrhundert nicht geben. Wir sprechen hier über notwendige IT-Infrastrukturen und sinnvolle, das Lernen unterstützende Maßnahmen, und explizit nicht über ein Handy für alle! Digitale Hilfsmittel, die Lehrkräfte entlasten, sind ebenfalls wichtig. Wir dürfen uns jedoch nicht von blinder Digitalisierungseuphorie mitreißen lassen. In den digitalen Vorreiterstaaten Dänemark und Schweden werden viele Maßnahmen der vergangenen Jahre neu bewertet. Eine aktuelle britische Studie hat gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler bessere Leistungen erbringen, wenn sie keine Handys mit in die Schule bringen. Diese Signale zeigen deutlich, dass Digitalisierung mit Bedacht und nicht um ihrer selbst willen eingesetzt werden soll. Wir müssen also reflektiert entscheiden, was für die Zukunft unserer Kinder sinnvoll ist und was nicht.