Welche Herausforderungen warten bei der weitreichenden Digitalisierung der Bahninfrastruktur auf die Deutsche Bahn und ihren Eigentümer, den Staat?
Die Digitalisierung ist für alle Wirtschaftssektoren im 21. Jahrhundert eine Schlüsseltechnologie, natürlich auch für die gesamte Schienenbranche. Deswegen haben wir gemeinsam mit den anderen Bahnverbänden die beschleunigte und konsequente Digitalisierung als eine der drei Hauptforderungen an die nächste Bundesregierung benannt. Denn sowohl der Bahnbetrieb als auch die Infrastruktur werden durch Digitalisierung leistungsfähiger und zuverlässiger. Daher muss Deutschland in einem finanziellen und organisatorischen Kraftakt das gesamte Bundesschienennetz bis 2035 digitalisieren. Unverzichtbar für mehr Effizienz im Schienengüterverkehr ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK), mit der die Bahnen das alte Kuppeln per Hand aus dem 19. Jahrhundert ablösen können. Für einen verbraucherfreundlichen öffentlichen Verkehr müssen durchgehende Tickets von Tür zu Tür die Regel werden. Dazu gehören branchenweite Informationen über Fahrpläne aller Anbieter in Echtzeit und über moderne Features wie Auslastungsdaten.
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Der Eisenbahnverkehr in Deutschland hat mit vielen Problemen zu kämpfen: Zu wenige Lokführer, Unpünktlichkeit, Konkurrenz der Straße, veraltete Technik, voreilig stillgelegte Strecken etc. Inwieweit kann die digitale Offensive bei der Lösung dieser Probleme helfen?
Eine digitale Offensive hilft dabei, die vorhandene Infrastruktur effizienter zu nutzen. Aber wir brauchen zusätzlich den Ausbau der Infrastruktur und den Mut zur Verkehrswende. Das heißt konkret unter anderem: Der Bund muss die Mittel für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes spätestens ab Mitte der nächsten Legislaturperiode auf mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Ausbau und Modernisierung der Schieneninfrastruktur müssen finanziell langfristig abgesichert sein, so wie es der Erhalt des Netzes bereits ist. Dafür muss sich der Bund wieder Gestaltungsspielraum beim Einsatz der Lkw-Mauteinnahmen verschaffen. Also weg vom Prinzip „Straße finanziert nur Straße“, hin zum Grundsatz „Verkehr finanziert Verkehr“. Mit dem Aufkommen aus der Lkw-Maut, mit dem Abbau umweltschädlicher Subventionen und mit CO2-Abgaben lässt sich die Verkehrswende zu einem großen Teil finanzieren.
Ist die bislang geplante Investitionssumme für den Zweck der umfassenden Digitalisierung ausreichend?
Nein. Allein die Umrüstung der europaweit 450.000 Güterwagen in dieser Dekade auf die DAK kostet insgesamt mehr als acht Milliarden Euro, ein erheblicher Teil davon wird auf Wagen aus Deutschland entfallen. Für diese Herkulesaufgabe brauchen die Unternehmen eine finanzielle Unterstützung vom Bund und der EU. Zwar haben sich im September 2020 die europäischen Verkehrsminister in der Berliner Erklärung darauf verständigt, den Übergang zum digitalen Bahnbetrieb zu forcieren. In einem weiteren Schritt müssen sich die Länder aber noch auf einen gemeinsamen europäischen Standard für die DAK einigen. Schließlich muss ein verbindlicher EU-weiter Fahrplan zur Umstellung vereinbart werden, der durch eine Förderung begleitet wird. Auch das ist bisher nicht beschlossen.
Wie gut schätzen Sie die Zusammenarbeit europäischer Eisenbahngesellschaften beim Thema Digitalisierung ein?
Generell wünschen wir uns gerade im Europäischen Jahr der Schiene einen Ausbau der Kooperation zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Für einen besseren grenzüberschreitenden Verkehr auf der Schiene sind zum Beispiel digitale Stellwerke sowie die Ausstattung von Fahrzeugen und Strecken mit der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS nötig. Dieses European Train Control System kann die unterschiedlichen Zugsicherungssysteme in Europa ablösen und durch einen einheitlichen europäischen Standard ersetzen. Heute müssen Triebfahrzeuge mit mehreren nationalen Sicherungssystemen ausgerüstet sein, um grenzüberschreitend fahren zu können. Allerdings verlangt die Einführung hohe Anfangsinvestitionen. Daher muss sich der Bund an der Finanzierung beteiligen.