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Wann Stellwerke aus Kaisers Zeiten endgültig der Vergangenheit angehören

Und warum geplante Mittel noch lange nicht "zugesagt" sind

Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender Fahrgastverband PRO BAHN e.V. Quelle: PRO BAHN e.V. Lukas Iffländer Stellvertretender Bundesvorsitzender PRO BAHN e.V. 13.04.2021
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN e.V., sieht Bedarf für "zusätzliche Planungskapazitäten für Infrastrukturprojekte". Allein für die angepeilte Digitalisierung der Stellwerke benötige zusätzliche Anstrengungen. Für stillgelegte Strecken brauche es Geld und politischen Willen, diese wieder aufzubauen.







Welche Herausforderungen warten bei der weitreichenden Digitalisierung der Bahninfrastruktur auf die Deutsche Bahn und ihren Eigentümer, den Staat?
Sowohl die Eisenbahn als auch der Staat stehen vor massiven Herausforderungen:

- Digitale Kompetenz muss nicht nur bei den Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen aufgebaut werden, sondern auch bei den Behörden. Hierbei geht es einerseits um Entwickler und Prüfer, die das notwendige Knowhow haben, um die Digitalisierung zu verstehen und Lösungen zu prüfen, ohne sich mangels eigenen Wissens nur von Buzzwords blenden zu lassen.

- Es benötigt zusätzliche Planungskapazitäten für Infrastrukturprojekte. Allein für die angepeilte Digitalisierung der Stellwerke bis 2035 muss die heutige Umrüstungsleistung mehr als verfünffacht werden. Das ist noch nicht abzusehen.

- Die Zuständigkeitsgrenze zwischen Infrastruktur und Fahrzeug verschwimmt. Mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS wandern Funktionen von der Infrastruktur auf das Fahrzeug.

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Der Eisenbahnverkehr in Deutschland hat mit vielen Problemen zu kämpfen: Zu wenige Lokführer, Unpünktlichkeit, Konkurrenz der Straße, veraltete Technik, voreilig stillgelegte Strecken etc. Inwieweit kann die digitale Offensive bei der Lösung dieser Probleme helfen?
Manche Lösungen wird man auf kurze und mittlere Sicht nur mit mehr Geld lösen können. Vollautomatisiertes Fahren ohne Lokführer im gesamten Streckennetz ist noch in weiter Ferne. In abgeschlossenen Netzen wird dies aber möglich sein, um die knappe Ressource Lokführer an den komplizierten Stellen einsetzen zu können. So gewonnene Kapazitäten und zusätzliche Redundanzen (ein Fahrdienstleiter kann sich einfach digital auf das Nachbarstellwerk einwählen, wenn der dortige Kollege ungeplant ausfällt) erhöhen die Pünktlichkeit. Ein pünktliches Eisenbahnsystem, das innovative Technologien nutzt, wird gegenüber der Straße attraktiver, weil Fahrzeiten verkürzt, Takte verdichtet und knappe Umstiege guten Gewissens eingeplant werden können. Für die Digitalisierung muss die veraltete Technik, die teils hohe Betriebskosten erzeugt, ersetzt werden. Stellwerke aus Kaisers Zeiten gehören dann endgültig der Vergangenheit an. Für stillgelegte Strecken ist die Digitalisierung aber nur beschränkt hilfreich. Hier braucht es Geld und politischen Willen, diese wieder aufzubauen. Wenn diese vorhanden sind, kann aber durch moderne digitale Planungsmethoden viel Zeit beim Wiederaufbau gespart werden und digitale Leit- und Sicherungstechnik lässt sich kostengünstiger installieren, weil auf Signale verzichtet werden kann.

Ist die bislang geplante Investitionssumme für den Zweck der umfassenden Digitalisierung ausreichend?
Die geplanten Summen – z.B. für die Digitalisierung der Stellwerke – sind durchaus ausreichend. Geplant heißt aber noch lange nicht „zugesagt“. So plant das Bundesverkehrsministerium zwar mit 3,7 Milliarden Euro für die Ausstattung der Fahrzeuge mit ETCS, das Finanzministerium ist aber nicht bereit, diesen Schritt mitzugehen. Der Bundesrat hat nun die Position bezogen, dass hier Gelder aus dem europäischen Aufbaufonds genutzt werden sollen. Auch auf Infrastrukturseite sind bisher nur große Teile des Starterpakets Digitale Schiene finanziert. Für den Flächenrollout gibt es noch keine verbindlichen Zusagen. Dies erschwert es den Unternehmen, die dafür notwendigen Personale aufzubauen.

Wie gut schätzen Sie die Zusammenarbeit europäischer Eisenbahngesellschaften beim Thema Digitalisierung ein?
Die Zusammenarbeit ist je nach Themenbereich sehr unterschiedlich zu bewerten. Ein Positivbeispiel ist hier die Standardisierung der digitalen Stellwerke nach dem EULYNX-Protokoll, wodurch in vielen europäischen Ländern einheitliche Stellwerke zum Einsatz kommen. In vielen Bereichen kocht aber noch jeder sein eigenes Süppchen. Der Fahrgast merkt dies am ehesten beim Vertrieb, wo ein internationaler Ticketerwerb ohne Tricksereien häufig nicht möglich ist. Auch beim Thema Cybersecurity wird nicht einheitlich gedacht. So wurde vor kurzem auf einer Konferenz der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (enisa) mit der Europäische Eisenbahnagentur (ERA) die dadurch entstehenden Kosten im hohen Millionenbereich geschätzt – Geld, das an anderen Stellen besser angelegt wäre.

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