Wie verläuft im Allgemeinen die Entwicklung von digitalen Anwendungen?
Wir bei dotSource implementieren verschiedenste Software für größere Unternehmen. Egal ob E-Commerce-Systeme, Masterdaten-Management-Systeme oder Content-Management-Systeme – Usability spielt bei solchen Projekten immer bereits in einem frühen Stadium eine wichtige Rolle. Als Consultants für User-Experience sind wir daher mit an Bord und evaluieren – zusammen mit den Kundinnen und Kunden das Bestehende und dessen Nutzung – wir nennen das Audits. Denn nur wenn die Benutzerführung intuitiv und zeitgemäß ist,werden Digitalisierungsprojekte auch erfolgreich und bringen eine tatsächliche Verbesserung.
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Inwiefern spielt Barrierefreiheit in diesem Prozess schon eine Rolle und wer außer den Entwicklern testet die Entwicklungsergebnisse bis zum Punkt der Marktreife?
Wir als User-Experience-Designerinnen und -Designer sprechen bewusst nicht von Barrierefreiheit, sondern von Barrierearmut. Denn irgendwelche Barrieren wird es im Netz immer geben und es wäre vermessen zu behaupten, unsere Arbeit könne sie alle ausräumen. Inklusives User-Experience-Design spielt bereits in vielen Projekten eine Rolle, aber noch nicht in allen. Das liegt daran, dass es an einigen Stellen mit etwas höheren Aufwänden und entsprechenden Mehrkosten verbunden ist. Aber der Aufwand lhnt sich – nicht zuletzt, weil es seit Sommer 2021 eine neue EU-Richtlinie gibt, die im deutschen BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) im Jahr 2025 voll verbindlich wird: Grob gesagt müssen demnach sämtliche Touchpoints im Netz barrierearm gestaltet sein. Dies gilt nicht nur für die digitale Interaktion mit Behörden, sondern auch für die Angebote von Unternehmen. Wenn man hier, wie bei der DSGVO, erst spät mit der Umsetzung beginnt, sind die Einbußen groß. Was die Prüfung vor dem Go-Live betrifft, empfehlen wir von technischer Seite umfangreiches Testing durch Entwicklerinnen und Entwickler sowie Quality-AssuranceManagerinnen und -Manager. Zudem gibt es Tools, welche Webseiten oder Software mit Blick auf Barrierearmut automatisiert evaluieren können. Zusätzlich sollten Testzyklen mit Endnutzerinnen und -nutzern durchgeführt werden, bevor eine Web-Anwendung final live geht. Das Feedback aus dieser Versuchsgruppe kann dann wiederum in das Projekt eingearbeitet werden, um die Usability weiter zu optimieren.
Wie verhindert man von Vornherein durch strukturelle Anpassungen im Entwicklungsprozess den Ausschluss von potenziellen Nutzergruppen?
Um Web-Anwendungen möglichst barrierearm zu gestalten, halten wir uns an einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, die sogenannten „Web Content Accessibility Guidelines“ bei w3.org. Dafür arbeiten wir im Gestaltungsprozess mit einer internen Checkliste und verschiedenen Software Tools, die die Barrierearmut unterstützen. Zwei konkrete Beispiele sind etwa die Farbgestaltung oder die Screenreader-Optimierung: Wir wissen, dass etwa jeder zehnte Mensch farbenblind ist, Rot- und Grüntöne also nur bräunlich wahrnimmt. Um barrierearm zu gestalten, müssen wir auf diese Farben nicht verzichten, sondern nur klug kontrastieren. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Webseiten und Apps von Screenreadern auslesen sprich vorlesen zu lassen. Hierfür müssen die Inhalte entsprechend im Code verankert werden, was wiederum einen größeren Aufwand bedeutet, jedoch sehr hilfreich oder sogar essenziell sein kann, um eine Web-Anwendung für alle nutzbar zu machen.
Sind die rechtlichen Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit ausreichend oder muss die Politik hier mehr tun?
Durch die erwähnte EU-Richtlinie ist politisch diesbezüglich bereits viel in Bewegung hin zu mehr Verbindlichkeit bei digitaler Barrierearmut. Das ist sinnvoll, da letztlich alle von einer barrierearmen User-Experience profitieren. Ob es allerdings ausreichend ist, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten, da das Thema der Barrieren viel zu komplex und individuell ist. Aus diesem Grund sind alle, die etwas Digitales konzipieren und umsetzen wollen, gut beraten, sich professionell unterstützen zu lassen.