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Rechtliche Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit nicht ausreichend

Zu spät, zu uneinheitlich, zu lasch: Viel Kritik am Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Christina Marx, Leiterin Aufklärung und Kommunikation der Aktion Mensch Quelle: Aktion Mensch Christina Marx Leiterin Aufklärung und Kommunikation Aktion Mensch 23.05.2022
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Bei der Entwicklung digitaler Angebote hat die Aktion Mensch mit der Beteiligung gehandicapter Personen gute Erfahrungen gemacht, sagt Christina Marx, Leiterin Aufklärung und Kommunikation dieser Organisation. Nur so gelinge es,  im Ergebnis sehr viel barrierefreier zu werden und eine höhere Akzeptanz zu erreichen.







Menschen mit Behinderung wünschen sich mehr Beteiligung bei der Entwicklung digitaler Lernangebote.
Menschen mit Behinderung legen Wert darauf, in der gesellschaftlichen Debatte um die digitale Transformation als akzeptierte, wertgeschätzte und gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft gehört zu werden. Auch bei der Entwicklung digitaler Angebote möchten sie beteiligt werden. Die Realität ist leider jedoch eine andere: Grundsätzlich ist die nutzerzentrierte Entwicklung von digitalen Angeboten in den letzten Jahren zwar gewachsen, es werden dabei jedoch immer noch selten Menschen mit Behinderung einbezogen. Eine Ursache dafür liegt häufig immer noch am fehlenden Bewusstsein und Wissen über die Bedarfe von Menschen mit Behinderung – wie in diesem Fall der digitalen Barrierefreiheit. Das sind Ergebnisse der Studie „Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ der Aktion Mensch (2020), bei der 43 Personen mit unterschiedlichen Behinderungen gefragt wurden, welche Wünsche und Forderungen sie bezüglich der digitalen Teilhabe in der Gesellschaft haben, siehe www.aktion-mensch.de/studie-digitale-teilhabe. 

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Echte Partizipation durch Beteiligung von Anfang an
Nur wenn im Entwicklungsprozess von Lernangeboten von Anfang an alle Nutzer*innengruppen konsequent mitgedacht werden, ist eine nutzerzentrierte Entwicklung gewährleistet. Dabei meint echte Partizipation die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen schon im Konzeptionsstadium und eine dauerhafte Mitarbeit in der Entwicklung. Mit dieser strukturellen Anpassung im Prozess können alle Bedarfe berücksichtigt werden, das Ergebnis ist sehr viel barrierefreier und wird damit auch eine höhere Akzeptanz bei den Nutzer*innen finden. Wenn Menschen mit Behinderung nicht einbezogen werden, wird die Technik leicht zur Barriere und kann die ohnehin sozial und gesellschaftlich prekäre Situation von vielen Menschen mit Behinderung weiter verschlechtern.

Beim Aufbau einer E-Learning Plattform und bei der Gestaltung der Online-Kurse hat die Aktion Mensch daher von Anfang an Menschen mit Behinderung in den Entwicklungsprozess einbezogen und damit viele Barrieren vermeiden können. Unsere Erfahrungen haben wir in einem Leitfaden für Lehrende zusammengefasst: www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/e-learning-leitfaden.

Die Politik steht in der Verantwortung, rechtliche Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit zügig und rechtsbindend zu verankern.
Nach aktuellem Stand sind die rechtlichen Vorgaben leider nicht ausreichend: Zum einen haben sie keine relevanten Rechtsfolgen und zum anderen kann bei den öffentlichen Anbietern, insbesondere den Kommunen, immer der Finanzierungsvorbehalt als Begründung für das Beibehalten digitaler Barrieren herangezogen werden. Das erst im letzten Jahr verabschiedete “Barrierefreiheitsstärkungsgesetz” wird von den Behindertenverbänden stark kritisiert. Die Kritikpunkte sind die langen Umsetzungsfristen, da das Gesetz erst im Juni 2025 in Kraft tritt, als auch die Uneinheitlichkeit der Maßnahmen.  Allerdings sind hier nun zukünftig einige Branchen der privaten Wirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichtet.*

Barrierefreie, digitale Lernangebote ermöglichen Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen
Auch Bildungseinrichtungen stehen vor der Herausforderung des digitalen Wandels, der durch die Corona-Pandemie noch stärkere Relevanz bekommen hat. Sie hat die Ungleichheiten bei der digitalen Ausstattung von Schulen und Jugendeinrichtungen sichtbar gemacht und auch die damit verbundene unterschiedliche Qualität von digitalen Unterrichts- und Lernangeboten. Dabei bilden Digitalität und Inklusion maßgebliche Synergien, deren Mehrwert für eine gute inklusive Lernkultur nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Digitale Medien unterstützen nicht nur dabei, Beeinträchtigungen auszugleichen, sondern ermöglichen, dass alle Kinder und Jugendlichen tatsächlich selbstbestimmt und eigenständig lernen, vielfältige Zugänge zum Lernstoff haben und gemeinsam am gleichen Lerngegenstand arbeiten können. Tablets und Lern-Apps machen Lernerfolge sichtbar, fördern Spaß, Motivation sowie Kreativität und zeigen auf, wo die individuellen Förderpotentiale der Lernenden liegen. Zu einer zukunftsgerechten Bildung für alle jungen Menschen gehört der kompetente Umgang mit digitalen Medien daher selbstverständlich mit dazu. Damit dies gut gelingen kann, müssen alle Bildungsverantwortlichen ihren Teil dazu beitragen: Politik, Kommunen, Schul- und Einrichtungsleitungen und vor allem auch die Pädagog*innen vor Ort. Wie die Erfahrung zeigt, trägt vor allem eine gute Strategie- und Netzwerkarbeit dazu bei, dass digital-inklusive Konzepte erfolgreich wirksam werden können. 

Die Aktion Mensch unterstützt Bildungsverantwortliche, Pädagog*innen und alle Interessierten auf dem Weg des digital-inklusiven Lernens mit dem Online-Wegweiser "Praxis kompakt: Digital-inklusive Bildung".**

 

 

* www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz
** www.aktion-mensch.de/digital-inklusive-bildung

 

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