Wie steht es generell in Sachen Digitalisierung der Medizin?
In der Digitalisierung des Gesundheitswesens haben wir einiges aufzuholen. Fragen des Datenschutzes, des Föderalismus, der Bürokratie und unklarer Vorgaben haben die Digitalisierung lange ausgebremst. Jens Spahn ist als Bundesgesundheitsminister das Thema als erster systematisch angegangen und hat damit den Grundstein für die Digitalisierung des Gesundheitssystems gelegt. Nun müssen wir zügig und pragmatisch diese Digitalisierung umsetzen. Wichtig ist, dass der Datenschutz nicht dazu führen darf, dass wir wieder Jahre in der Digitalisierung verlieren. Ohne eine konsequente Digitalisierung und den intensiven Einsatz von KI wird unser Gesundheitswesen sonst in 7 bis 10 Jahren auf diesem Niveau nicht zu halten sein. Da das Gesundheitssystem systemrelevant ist, müssen auch Mittel aus dem Bundeshaushalt in diesen Prozess fließen. Allein aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung ist dieser Prozess nicht zu stemmen.
Was sind die Vorteile von SDC und welche Barrieren und Herausforderungen gibt es derzeit noch, um den herstellerübergreifenden Kommunikationsstandard einzuführen?Der Kommunikationsstandard Service-oriented Device Connectivity (SDC) bezieht sich auf Geräte im OP wie z. B. Beatmungsgeräte, Fußtaster oder Saug-/Spülpumpen. Geräte unterschiedlicher Hersteller können dank dieses Interoperabilitätsstandards miteinander kommunizieren und Daten austauschen. Wichtige Funktionen sind unter anderem der bidirektionale Datentransfer zwischen einer Vielzahl von Medizingeräten unterschiedlicher Hersteller, die Fernsteuerung einzelner Funktionen sowie konsistente Daten und hohe Datenqualität durch standardisierte Kommunikation. Barrieren und Herausforderungen ergeben sich durch den Investitionsstau bei digitalem Equipment in Kliniken und durch den Wildwuchs digitaler Lösungen. SDC dient der Überwindung heutiger Grenzen in der Konnektivität medizinischer Geräte. Zur zügigen Digitalisierung des Klinikalltags kann dieser herstellerunabhängige, offene und dynamische Standard also empfohlen und verwendet werden.
Welche notwendigen Rahmenbedingungen müssen IT-Branche, Politik, Krankenhausverwaltungen sowie die Herstellerseite dafür schaffen?
Derzeit führen Defizite in der Interoperabilität, Performanz, Stabilität und Nutzerfreundlichkeit dazu, dass nicht alle Potenziale der Digitalisierung genutzt werden können. Diese Probleme liegen aber weniger auf der Anwender- und Entwicklerseite als vielmehr auf der politischen Ebene. Das Problem ist, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bisher noch nicht die so dringend notwendige Interoperabilität gewährleisten konnte. Wir haben jedoch eine historisch gewachsene und insgesamt hochkomplexe IT-Landschaft im Gesundheitswesen. Die Akteure im Gesundheitswesen wollen digitale Lösungen und KI, sie müssen aber darauf vertrauen können, dass ihr digitales Krankenhausequipment zuverlässig und dauerhaft herstellerunabhängig miteinander kommuniziert. Das ist bisher nicht ausreichend sichergestellt und hemmt somit die Investitionsbereitschaft der Krankenhäuser. Das ist meiner Ansicht nach auch verständlich. Die Politik muss zuerst liefern. Wichtig ist, dass Minister Lauterbach sich auf die Übernahme internationaler Standards der Interoperabilität fokussiert. Damit könnte auch der Investitionsstau in diesem Bereich ein Stück weit aufgebrochen werden.
Welche Vorteile könnten Patienten und medizinisches Personal von einer zügigen SDC-Einführung realistischerweise erwarten?
Da Geräte von unterschiedlichen Herstellern eingesetzt werden, würde sich dies sicherlich für das medizinische Personal auszahlen, da die Klinik entsprechend passende Geräte anschaffen könnte, ohne darauf angewiesen zu sein, alles aus einer Hand nehmen zu müssen. Dies hätte die schnellere Integration digitaler Lösungen und KI zur Folge, was der Steigerung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit zugutekäme. Auch unter dem Aspekt des Bürokratieabbaus und der Patientenversorgung ist der Abbau von Barrieren zu begrüßen, weil das medizinische Personal so weniger Zeit für Bürokratie aufwenden müsste und mehr Zeit für die Behandlung der Patienten bliebe. SDC kann somit der Optimierung der klinischen Abläufe dienen. Auch aus Sicht von Klinikbetreibern hätte dies Vorteile, wie etwa effizienteres Wirtschaften und eine bessere Management- und Prozesskontrolle im Krankenhausalltag.