Die große europäische Jugend-Studie „Generation What“ zeigt ein dramatisches Misstrauen junger Menschen gegenüber von Institutionen. 64 % der deutschen Befragten haben kein oder überhaupt kein Vertrauen in die Politik. Woher kommt diese Vertrauenskrise?
Zunächst: Jugendliche sind ein ungeduldiges Publikum. Sie sind frustriert von der Komplexität von Entscheidungen und scheinbar endlosen Debatten im Vorfeld. Es leuchtet ihnen nicht ein, warum das alles so lange dauert. Sie haben wenig Gelegenheit gehabt zu lernen, Kompromisse auszuhandeln und bei Mehrheitsentscheidungen zurück zu stecken. Andererseits hat die große Distanz zwischen Jugend und – vor allem - den Parteien auch handfeste demografische Gründe. Das Durchschnittsalter der Mitglieder der etablierten Parteien liegt heute bei 60 Jahren. Nur 8 % der Mitglieder der Parteien sind unter 30 Jahre alt. Wer also als junger Mann oder als junge Frau in eine Partei eintritt, der sieht sich generationenbezogen in einer absoluten Minderheit.
Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass so wenige junge Leute eintreten möchten. Es ist auch nicht wirklich spürbar, dass sich die Parteien aktiv darum bemühen. Ein wirklicher Anreiz, junge Leute aufzunehmen, ist für die Parteien heute nicht gegeben. Die alt gewordenen Mitglieder und die Funktionäre haben sich arrangiert, da können die unberechenbaren jungen Leute nur Störenfriede sein.
Was muss die Politik leisten, um aus dieser Vertrauenskrise herauszukommen?
Die Parteien sollten alles tun, um Einblick in ihre Arbeit zu gewährleisten und glaubwürdig demonstrieren, dass sie an Jugendlichen als Mitgliedern und Wählern ebenso interessiert sind wie an den Themen, die sich beschäftigen. In einem ersten Schritt sollten sie sich darum bemühen, im Alltag der Jugendlichen ständig präsent zu sein. Dazu sollten sie zum einen die Kanäle der politischen Kommunikation nutzen, die Jugendlichen naheliegen, also über die elektronischen Netzwerke und Portale Diskussionen und Austausche anbieten – möglichst interaktiv, sodass Jugendliche eigene Anliegen vortragen und mit real existierenden Personen diskutieren können.
Parteien sollten sich der unbequemen Aufgabe stellen zu demonstrieren, wie man sich eine politische Meinung bildet und nach ihr lebt. Junge Leute wünschen die Erfahrung der politischen (Selbst-) Wirksamkeit. Sie wollen spüren, dass sie Dinge verändern können, sie wollen Einfluss darauf haben, was die Regierung macht, und da gilt das Gleiche. Weil sie die Machbarkeit nicht nachvollziehen können, wenden sie sich von den Parteien und politischen Institutionen ab.
26 % der Befragten glauben, dass es ihnen schlechter gehen wird als ihren Eltern. Wie bewerten Sie das?
Die letzten Jugendstudien haben deutlich gezeigt, die jungen Leute in Deutschland schätzen ihre zukünftigen Perspektiven besser an als in vielen anderen Ländern. Die Mehrheit von ihnen sieht sehr gute oder gute Perspektiven für die weitere Entwicklung in den nächsten 10-15 Jahren. Die Mehrheit erwartet eine Zukunft mit guter Arbeit, die Spaß und Erfüllung bereitet, immer weniger rechnen mit einer Bedrohung durch Arbeitslosigkeit. Das sind im europäischen Kontext ausgezeichnete Werte, die auf die Stärke der Wirtschaft und die gute soziale Absicherung zurückgeführt werden. Die optimistische Stimmung ist auch auf das gute Abschneiden bei Bildungsabschlüssen zurückzuführen; inzwischen fast 55 % eines jeden Jahrgangs das Abitur. Die jungen Leute merken, dass sie in Zeiten des demographischen Wandels und des Führungskräftemangels von Unternehmen umworben werden.
Die letzte Shell Jugend Studie zeigt zum Beispiel, dass ein großer Teil der Angehörigen der jungen Generation von den Entwicklungen der Globalisierung und Digitalisierung überfordert ist. Die technischen Veränderungen erfolgen in immer stärkerem Tempo die sozialen Veränderungen, zuletzt durch die Fluchtbewegungen, haben ebenfalls ein enormes Ausmaß erreicht.