Die große europäische Jugend-Studie „Generation What“ zeigt ein dramatisches Misstrauen junger Menschen gegenüber von Institutionen. 64 % der deutschen Befragten haben kein oder überhaupt kein Vertrauen in die Politik, bei den Medien verhält es sich ebenso. Woher kommt diese Vertrauenskrise?
Das Grundproblem liegt meiner Meinung nach darin, dass sich viele in der Politik nicht wiederfinden und das Gefühl haben, nichts bewegen zu können. Dabei geht es in der Politik darum, die Wirklichkeit in kleinen Schritten durch immer neue Kompromisse zu verbessern. Das ist ein fortwährender und mitunter mühsamer Prozess, der nicht unmittelbar sichtbar ist. Schülerinnen und Schüler sollten deshalb in der Schule konkret lernen, wie Politik gemacht wird und welche Beteiligungsmöglichkeiten sie in unserer Gesellschaft haben. Gleiches gilt auch für die schulische Medienbildung. Indem wir Jugendliche in ihrer Medien- und Kommunikationskompetenz fördern, lernen sie den verantwortungsvollen Umgang mit Medien und können diese kritisch hinterfragen.
Was müssen die Politik und Medien leisten, um aus dieser Vertrauenskrise herauszukommen?
Ein wichtiges Stichwort im Zusammenhang mit der Vertrauenskrise ist Transparenz. Es darf nicht über die Bürger hinweg kommuniziert werden. Politik braucht eine klare Sprache, die Entscheidungsfindungen erklärt und deutlich sagt was Sache ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass damit auch unpopuläre Entscheidungen besser aufgefasst werden.
56 % der Befragten finden das Bildungssystem „ungerecht“ oder „eher ungerecht“ – in anderen Ländern (etwa Finnland, 15 %) sind es deutlich weniger. Was kann und sollte dagegen getan werden?
In den letzten Jahren wurde viel investiert, um die Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zu verbessern. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der Ausbau von Ganztagsschulen. Für viele Schülerinnen und Schülerermöglichen sich durch eine ganztägige Betreuung Chancen, die im familiären Umfeld nicht unbedingt gegeben sind. Darüber hinaus gibt es in unserem Land viele Möglichkeiten, seinen persönlichen Bildungserfolg zu erlangen. Die gute Durchlässigkeit zwischen den Schularten erlaubt es den Schülerinnen und Schüler, einen höheren Bildungsabschluss anzustreben, ohne die Schule wechseln zu müssen. Dabei muss es nicht immer das Abitur mit anschließendem Studium sein, um gute Startchancen fürs Berufsleben zu haben. Die berufliche Bildung besitzt in Deutschland eine hervorragende Qualität und ist eine absolut gleichwertige Alternative zum Hochschulstudium.
26 % der Befragten glauben, dass es Ihnen schlechter gehen wird als Ihren Eltern. Wie bewerten Sie das?
Trotz dieser nachvollziehbaren Befürchtungen sehe ich keinen Grund pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Die beruflichen Perspektiven und Freiheiten sind heute größer als jemals zuvor. Schülerinnen und Schüler haben die Wahl zwischen über 18.000 Studiengängen und rund 330 anerkannten Ausbildungsberufen. Das erscheint für viele komplex, deshalb müssen wir junge Menschen in ihrer Berufsorientierung stärker unterstützen. Baden-Württemberg hat dafür als erstes Bundesland das Unterrichtsfach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung an allen weiterführenden Schulen eingeführt. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, ein Bewusstsein für ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten zu bekommen, damit sie mit gestärktem Selbstbewusstsein auf die Zukunft und ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen können.