Die EU-Kommission will ein Recht auf Reparatur von Waren über den Garantie-Zeitraum hinaus einführen. Wie wichtig ist ein solches Recht aus Ihrer Sicht ganz grundsätzlich?
Grundsätzlich sehr wichtig. Ein Recht auf Reparatur ist meines Erachtens nach grundlegend für langlebige Produkte, und langlebige Produkte bedeuten wiederum Schonung der Ressourcen und Müllvermeidung. Des weiteren würde sich ein solches Recht voraussichtlich bereits in der Design- und Entwicklungsphase auf die Produktion auswirken: die Produzenten würden verstärkt auf modular aufgebaute Produkte setzen. Diese wären zum einen leichter reparierbar und würden sich andererseits, am jeweiligen Gebrauchsende, auch besser recyceln lassen, um so wieder als neue Rohstoffe dem Produktionskreislauf zugeführt zu werden.
Abhängig von der Art der Geräte scheint daneben jedoch auch eine Ausweitung und Verlängerung des Gewährleistungszeitraums notwendig: wenn wir an eine Waschmaschine, einen Kühlschrank oder ein Auto denken scheint ein garantiertes Funktionieren für 24 Monate doch sehr kurz - auch im Verhältnis zu dem von Verbraucher:innen bezahlten Preis des Produkts.
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Reparaturen sollen nur verpflichtend sein, wenn der Ersatz nicht teurer ist. Wie bewerten Sie diese Einschränkung?
Dem kann ich nicht uneingeschränkt zustimmen. Vielfach spiegelt der Preis der Produkte die durch deren Produktion und spätere Entsorgung verursachten Externalitäten nicht korrekt wieder – als Beispiel sei hier die Verwendung seltener Erden in Mobilfunkgeräten genannt. So stammt z.B. Kobalt, das für die Herstellung von Handy- oder Tablet-Akkus, aber auch von einigen Elektroautos benötigt wird, zu großen Teilen aus einem Krisengebiet, und der Bergbau in der Region wird immer wieder mit der Finanzierung eines Bürgerkriegs in Verbindung gebracht. Der Abbau selbst schadet dabei Berichten zufolge Menschen und Umwelt, auch von Kinderarbeit ist oft die Rede. Vor diesem Beispiel scheint klar, dass der Preis als einziges Kriterium für die Beantwortung der Frage „Ersatz oder Reparatur“ nicht ausreichend ist.
Das italienische Verbraucherrecht lässt im Gewährleistungszeitrum den Verbraucher:innen die Wahl zwischen Reparatur und Austausch, außer eine der beiden Abhilfen bringt „unverhältnismäßige Kosten“ (unter Einbeziehung mehrerer Aspekte) für den Verkäufer mit sich. Nun ist dieser Begriff keineswegs klar definiert, geht aber über das reine Preiskriterium hinaus. Es scheint klar, dass es einen Punkt gibt, ab welchem eine Reparatur rein wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist, aber ich denke nicht, dass allein der Preis ausschlaggebend sein sollte.
Eine Matchmaking-Reparaturplattform im Internet soll Reparaturen vor Ort vermitteln. Was halten Sie von diesem Instrument?
Dies halte ich für zukunftsweisend, allerdings müssen erfahrungsgemäß solche Instrumente entsprechend finanziert werden, um Bestand zu haben. Als Verbraucherzentrale Südtirol haben wir mehrmals Reparaturführer oder Online-Karten mit Reparatur-Läden veröffentlicht: problematisch ist dabei nicht die Anfangsphase, sondern die Aktualität der Informationen über die Zeit zu gewährleisten. Datenpflege bringt einen gewissen Aufwand mit sich, und dieser muss über die Jahre hinweg entgolten werden, damit das Instrument wirkungsvoll bleiben kann.
Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einer endgültigen Richtlinie stehen - und was keinesfalls?
Grundsätzlich sollte soweit wie möglich auf standardisierte Komponenten gesetzt werden, um Spektakel wie jenes um das einheitliche Ladekabel, welches nach Jahren nun endlich abgeschlossen zu sein scheint, möglichst der Vergangenheit angehören zu lassen. Eine solche Maßnahme birgt einiges an Konfliktpotential, weil sie einen massiven Eingriff des Regulierers in den freien Markt darstellt. Auf der anderen Seite fiel der „Erdüberlastungs-Tag“, also jener Tag, ab dem wir mehr Ressourcen verbrauchen, als im selben Jahr zur Verfügung stehen, im Jahr 2023 auf Anfang Mai – jegliche Maßnahme zur Ressourcenschonung kann also eigentlich gar nicht früh genug kommen.
Wichtig ist auch die garantierte Verfügbarkeit von Ersatzteilen über einen längeren Zeitraum hinweg: ein „reparierbares“ Produkt nützt nichts, wenn die Ersatzteile nicht mehr zur Verfügung stehen.
Auch sollte es (mindestens) EU-weit untersagt sein, Produkte an herstellereigene Verbrauchsmaterialien zu binden, wie jüngst angeblich wieder bei einem bekannten Druckerhersteller passiert, der Patronen von Drittherstellern schlicht blockiert haben soll: gegenteilig sollten Hersteller auf gemeinsam nutzbare Technologien setzen, um Verpackungs- und Einweg-Abfälle zu vermeiden und eventuell Transportwege zu verkürzen.