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Summary03.11.2023

Strategien gegen den Fachkräftemangel

Wie Qualifizierung hilft - und welche Stellschrauben es noch gibt

Uwe Schimunek - Freier Journalist, Meinungsbarometer.info Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info

Die hiesige Wirtschaft steht vor einem Problem: Es gibt zu wenige Fachkräfte. Da ist der demografische Wandel, und dann verändert die digitale Transformation auch noch die Anforderungsprofile im Job. Zugleich sind aber immernoch Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz.

Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer beim MITTELSTANDSVERBUND spricht in der Debatte auf Meinungsbarometer.info von einem vermeintlichen Paradoxon. „Abgesehen davon, dass oft die Kompatibilität der Qualifikationsprofile zwischen Angebot und Nachfrage fehlt, bestehen auch die regionalen Diskrepanzen in der Bedarfsdeckung.“ Die Ansatzpunkte für eine Verbesserung durch ein staatliches Anreizsystem seien vielfältig - angefangen bei einer mobilitätsfreundlichen Steuerpolitik über die Verbesserung der Verkehrslogistik, einer transparenteren Darstellung der Details auf den Arbeitsmärkten bis hin zu einer Sonderförderung der Qualifikation in den Betrieben. Im Übrigen könne der Mangel an Fachkräften zu einem nicht unerheblichen Teil durch eine Verschlankung der Bürokratie erreicht werden, denn wer sich um das Ausfüllen von Formularen und Einreichen von Statistiken und Reports kümmern müsse, habe die Hände für fachliche Arbeit nicht mehr frei.

Steffen Kawohl, Experte für Arbeit und Bildung Deutscher Mittelstands-Bund (DMB) nennt Zahlen: „Der Anteil der Personen ohne Berufsausbildung an der Gruppe der 20- bis 34-Jährigen lag zuletzt bei 17,8 Prozent und war damit deutlich zu hoch.“ Da sich hierunter auch einige Ausbildungsabbrecher befinden, sollten Ausbildungsbetriebe aus seiner Sicht durch finanzielle Förderung und weitere Beratungs- bzw. Unterstützungsmaßnahmen dazu befähigt werden, die Zahl der Ausbildungsabbrüche zu reduzieren. Bei der vorherigen Berufsorientierung sollte jungen Menschen zudem bereits in der Schule realistisch vermittelt werden, welche Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt mit der Wahl eines bestimmten Berufes verbunden sind.

„Unternehmen sind aber auch selbst dafür verantwortlich, die Beschäftigten für ihre – oft sehr speziellen – Bedarfe weiterzubilden“, betont NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Seine Landesregierung unterstützt das etwa mit der Potentialberatung und der Transformationsberatung. Mit dieser können Unternehmen bis zu 4.800 Euro erhalten, um die Kompetenzbedarfe ihrer Beschäftigten und passende Lösungen für die Weiterentwicklung zu identifizieren. Mit dem Bildungsscheck werde darüber hinaus die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an beruflicher Weiterbildung gefördert. !Auch Unternehmen können den Scheck für ihre Beschäftigten einsetzen. Allein 2022 wurden gut 28.500 Schecks ausgegeben.“

Auch Bayerische Arbeitsministerin Ulrike Scharf berichtet von Bemühungen, das Matching zwischen Arbeitgebern und Arbeitskräften zu verbessern. „2018 haben wir den Pakt für berufliche Weiterbildung 4.0 ins Leben gerufen, zusammen mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), dem Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern, der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, dem Bayerischen Industrie- und Handelskammertag und dem Bayerischen Handwerkstag. Damit unterstützen wir die Menschen, beruflich durchzustarten.“ Ein zentrales Weiterbildungsportal kommweiter.bayern.de hilft etwa bei Orientierung und Finanzierung. Und in einer ZD.B-Themenplattform Arbeitswelt 4.0 vernetzen sich Wirtschaft, Arbeitnehmerschaft und Forschung.

Bremens Arbeits-Senatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) weist auf die Herausforderungen der Zukunft hin und nennt diese „3D-Transformation“ - Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel. Das werde in vielen Branchen dazu führen, dass sich die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildungen und Qualifikationen ändern. Es werde Jobs geben, die wegfallen, Jobs, die sich verändern, es werden aber auch ganz neue Jobs entstehen. Aus ihrer Sicht ist Weiterbildung und Qualifizierung neben Ausbildung ein sehr wichtiger Schlüssel, mit dem wir die Transformation meistern können. „Wir haben deshalb für Bremen und Bremerhaven neben vielen anderen Projekten Ausbildungsverbünde und die Landesagentur für berufliche Weiterbildung (LabeW) ins Leben gerufen. Sie ist die zentrale, unabhängige und kostenlose Anlaufstelle für alle Fragen zum Thema beruflicher Weiterbildung.“

Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitsminister Reinhard Meyer (SPD) bringt modulare Teilqualifikation (TQ) ins Gespräch, die schrittweise zu einem formalen Abschluss in einen anerkannten Beruf führen kann. TQ werde durch die Bundesagentur für Arbeit oder die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) angeboten. Auch der Beginn einer dualen Ausbildung könne eine Lösung sein, da es dafür keine Altersgrenze gibt. „Die Landesregierung plant eine Informationskampagne zur Aufwertung der (dualen) Berufsausbildung sowie die Stärkung der Berufsschulstruktur. Die Unternehmen sind aufgerufen, diese vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen und verstärkt in die Qualifizierung und Weiterentwicklung dieser Gruppe von Arbeit­nehmern zu investieren.“ Hierbei könne die Qualifizierungsförderung des Landes unterstützend in Anspruch genommen werden.

Der Thüringer Arbeitsministerin Heike Werner (Die Linke) ist es wichtig, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dabei zu unterstützen, ihre digitalen Kompetenzen zu verbessern, um ihre Beschäftigungsfähigkeit in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt zu erhalten. Die Entwicklung von neuen Technologien sei ein wichtiges Thema in Thüringen. „Die Transformation in der Automobilindustrie hin zur emissionsarmen E-Mobilität und zur automatisierten und digitalisierten Produktion führt beispielsweise zu erheblichen Veränderungen in diesem Berufsfeld.“Es besteht die Notwendigkeit, durch bedarfsorientierte Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote frühzeitig und zielgerichtet Kompetenzen von Beschäftigten zu entwickeln.

Brandenburgs Arbeitsminister Prof. Dr. Jörg Steinbach (SPD)  geht auf Angebote von E-Learning oder Blended-Learning ein, die mehr zeitliche Flexibilität bei der Weiterbildung bringen können und Weise Fachkräfte langfristig an Firmen zu binden. Allerdings bedürfe in vielen Fällen jedoch keiner Lösungen, die allein auf Digitalisierung setzen, sondern solcher, die auch sozialpädagogische Begleitung und Unterstützung beinhalten.

Alexander Schweitzer Arbeitsminister in Rheinland-Pfalz (SPD) betont, dass die Antwort auf die Fachkräftelücke nicht allein Qualifizierung sein kann. „Deshalb berücksichtigten wir auch das Potenzial älterer Beschäftigter genauso wie die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Daneben fördern wir die Erwerbsbeteiligung von Frauen, stärken Jugendliche am Übergang von der Schule in den Beruf und unterstützen die Rekrutierung internationaler Fachkräfte.“ Als Landesregierung habe man zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit, den Sozialpartnern und Kammern unter anderem diese Ziele in einer gemeinsamen Fachkräftestrategie vereinbart und setzen diese in Form von konkreten Vorhaben gemeinsam um.

Auch für Österreich gilt aus Sicht von Karlheinz Kopf, Generalsekretär Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), an vielen Schrauben zu drehen, um den Arbeitskräftemangel zu lindern. „Das beginnt beim Ausbau der Kinderbetreuung, um mehr Frauen Vollzeitarbeit zu ermöglichen, geht über Anreize, damit die Menschen im Alter länger in Beschäftigung bleiben, und reicht hin bis zur aktiven Anwerbung von internationalen Fachkräften.“ Zusätzlich müsse man an der angesprochenen Diskrepanz bei den Qualifikationen arbeiten. Hier geschehe auch bereits einiges, etwa wurde auf Initiative der Sozialpartner im Vorjahr die Umweltstiftung ins Leben gerufen. Diese qualifiziere Arbeitslose in Form einer verkürzten, sehr betriebsnahen Ausbildung in Green Jobs. Aber man werde noch mehr gezielte, praxisnahe Weiterbildung hin zu gesuchten Zukunftsjobs brauchen. Ebenso gelte es, die überregionale Vermittlung zu verstärken. „Denn auch regional gibt es große Unterschiede am Arbeitsmarkt im qualifikatorischen und regionalen Mismatch.“

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