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So gut sind die geplanten EU-Regeln zur politischen Werbung

Was am Kommissions-Entwurf passt - und wo noch nachgebessert werden sollte

Uwe Schimunek, Freier Journalist Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 30.06.2022

Die Europäische Kommission hat einen „Vorschlag über die Transparenz und die Ausrichtung von politischer Werbung“ vorgelegt. Die geplante Verordnung enthält Vorschriften etwa über die Anbieter-Kennzeichnung von politischer Werbung oder Regeln zum sogenannten Targeting bei Online-Werbung, die nach personenbezogenen Daten der Nutzer ausgespielt wird.

Dominik Meier, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung - De‘ge‘pol - und Inhaber von Miller & Meier Consulting, betont in der Fachdebatte auf meinungsbarometer.info die Bedeutung des Vorstoßes. „Wahlprozesse sind dynamisch-transformative Prozesse. Die Wählerschaft legt durch ihre Wahlentscheidung Bedingungen fest, unter denen sie repräsentiert wird. Die Gewählten verändern durch ihre Gesetzgebung wiederum gesellschaftliche Bedingungen, unter denen Wahlentscheidungen stattfinden“, betont er. Es sei daher wichtig, wenn die EU nun über politische Wahlkampfkommunikation und -finanzierung in Zeiten digitaler Transformation transparent diskutiert. Der EU-Vorschlag lege gemeinsame, verbindliche Transparenzkriterien fest und ziele darauf ab, die Funktionsweise freiheitlich-demokratischer Rechtsordnungen zu stabilisieren. Dabei habe die Kommission hat die Latte hoch gelegt.

VAUNET-Geschäftsführerin Daniela Beaujean sieht Handlungsbedarf für klare Regelungen durchaus im Onlinebereich. Die Plattformen treffe das Verbot politischer Werbung des Medienstaatsvertrags nicht, denn dieser ist im Bereich allgemeiner Regelungen für den Rundfunk platziert. Für die Vertreterin des deutschen Verbandes Privater Medien nur eines von vielen Beispielen der Medienregulierung, bei dem diese beiden Bereiche vom politischen Ziel eines „Level Playing Field“ weit entfernt sind. Allerdings wendet sie ein, dass der Entwurf auch Mitteilungen zu gesellschaftlichen oder kontroversen Belangen betrifft, die gesellschaftlichen Willensbildungsprozesse beeinflussen. „Faktisch wären hiervon auch sämtliche journalistisch-redaktionelle Berichterstattungsbeiträge in linearen wie non-linearen Mediendiensten erfasst, die gerade einen wichtigen Beitrag zur objektiven Willensbildung und Einordnung leisten. Sie als politische Werbung in dieser Form zu qualifizieren, macht keinen Sinn.“

Auch Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbandes Österreichischer Privatsender, sieht nicht zuletzt die vorgesehenen Transparenz-Regeln positiv. Für die klassischen Medien bestehe schon lange die Pflicht, Werbung als solche kenntlich zu machen. Soweit politische Werbung (also bezahlte Schaltungen) erlaubt ist bzw. sein soll, sollte das aus ihrer Sicht auch in der Online-Welt kenntlich sein. „In Österreich fordern wir als klassische Medien in unserer aktuellen Diskussion allerdings mehr als das: Wenn öffentliches Geld für Kommunikation verwendet wird, sollte das nur in einem gesicherten Qualitätsumfeld erfolgen, also bei Medien mit redaktioneller Verantwortung und Kontrolle.“

Für Dr. Philipp Ostendorff vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW muss genauestens darauf geachtet werden, dass durch die Verordnung nicht – ungewollt – auch kommerzielle Kommunikation beschränkt wird.“ Deshalb muss die Definition von politischer Werbung dringend überarbeitet werden. Der aktuelle Vorschlag ist hier viel zu weitgehend und uferlos und droht auch Wirtschaftswerbung zu erfassen.“

Vérane Meyer von der Heinrich-Böll-Stiftung lobt insbesondere, dass der Gesetzesvorschlag Auflagen für das Targeting und die Amplifikation von politischer Werbung enthält. „Dadurch wird es bald Hürden für die Nutzung hochsensibler personenbezogener Daten wie über Religion, ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung geben.“ Am Ende komme es aber darauf an, ob die Auflagen durchsetzbar sind und bestimmte verhaltens- und personenbezogene Daten wirklich nicht mehr für das Microtargeting verwendet werden dürfen.

Für Prof. Dr. Peter Filzmaier von der Universität für Weiterbildung Krems ist eine Schlüsselfrage indes jene nach den Sanktionen bei Zuwiderhandeln. Dabei verweist er insbesondere auf zwei Aspekte: „Erstens darf es nicht so sein, dass Normverstöße sich sozusagen indirekt lohnen, weil der Nachteil einer Geldstrafe geringer ist als der mögliche Vorteil.“ Werde mit inkorrekten Werbemethoden ein besseres Wahlergebnis erzielt, ergeben sich ja dadurch fünf Jahre lang sowohl mehr Ressourcen für Parteien und Kandidaten als auch vor allem von zusätzlichen Mandaten mehr politische Macht und Einfluss. „Zweitens stellt sich die Frage, wer bei Verstößen haftet, also etwa die Partei als Organisation oder auch Politiker sowie Parteigeschäftsführer und Wahlkampfmanager persönlich?“ Beim Wahlrecht und Parteiengesetz in seiner Heimat Österreich versteht er beispielsweise nicht, warum jeder Kleinunternehmer bei vergleichsweise kleinen Rechtsbrüchen im Sozialversicherungsbereich bis zu 50.000 Euro aus seinem Privatvermögen zahlen muss, während bei einer Überschreitung der Obergrenze für Wahlkampfkosten um Millionen Euro Parteichefs und Generalsekretäre straffrei bleiben.

Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, hält den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission für mehr Transparenz bei politischer Werbung für sehr weit gefasst und durchaus ambitioniert. „Worum es jetzt allerdings geht, ist, dass diese weitreichenden Vorschriften im Zuge der nun anstehenden Verhandlungen mit dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament jedenfalls nicht verwässert werden.“ Zudem sei der Zeitlauf für die Umsetzung recht knapp bemessen. Die neuen Vorschriften sollen bis zum Frühjahr 2023 nicht nur in Kraft treten, sondern darüber hinaus von den EU-Mitgliedstaaten auch vollständig umgesetzt werden. Und: „Bei der Aktualisierung der EU-Richtlinien für Europa- und Kommunalwahlen gäbe es allerdings noch Luft nach oben.“

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