Wie ist der Status quo der Digitalisierung in der Sicherheitsbranche?
Klar ist: „Unter der Motorhaube“ tut sich einiges. Ein Quantensprung war insbesondere die Migration der Alarmübertragung weg von den alten Telefonverbindungen, hin zu internetbasierten Anschlüssen, die überhaupt erst die Basis für weitreichende Digitalisierungsprozesse in der Sicherheitsbranche geschaffen hat. Apps für Alarmanlagen sind keine Ausnahme mehr, sondern Standard. Und doch stehen wir hier erst am Anfang der Entwicklung – nach wie vor besteht unglaubliches Potenzial.
Demgegenüber steht jedoch eine etablierte Haltung in der Sicherheitsbranche, die eher als konservativ charakterisiert werden kann. Versteht man unter diesem Begriff so etwas wie vorsichtiges Herantasten an neue Möglichkeiten, um keine Sicherheitslücken zu riskieren, stimmt das wohl und hat auch seine Berechtigung. Immerhin geht es bei unseren Produkten nicht um Spielzeuge, sondern um Sensoren und Geräte, die Menschenleben und Sachwerte schützen und im Ernstfall garantiert einhundertprozentig funktionieren müssen.
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Was sind aktuell die größten Herausforderungen für Unternehmen der Branche und wie gehen Sie damit um?
Neben dem Fachkräftemangel stellt vor allem die Regulierung (Normung) den Flaschenhals der Entwicklung dar. Viele Produkte müssen harmonisierten Normen entsprechen (CE-Kennzeichnung) oder aus anderen Gründen Normen einhalten. Diese können jedoch trotz intensiver Anstrengungen nicht so schnell aktualisiert werden. Wir versuchen mit den VdS-Richtlinien, die hier einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil haben, unsere Kunden bei ihren Digitalisierungsprojekten zu begleiten. Klar ist: Durch die Digitalisierung wird der Bedarf an einer unabhängigen Prüfung und Zertifizierung stark zunehmen.
Damit einher geht die Frage, wie die Cybersicherheit der Komponenten und Appliances sichergestellt werden kann. Normen, Regelwerke, Verordnungen usw. schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Sie sind weder einheitlich, noch widerspruchsfrei untereinander. Und mit Ausnahme der Richtlinien VdS 3836 existiert keine für die besonderen Bedürfnisse der Brandschutz- und Sicherheitstechnik angepasste, einheitliche Anforderung an die Cyber-Sicherheit von Komponenten und Systemen dieser Branche.
In welchem Bereich von Sicherheitsdienstleistungen wird es in Zukunft am meisten digital zugehen?
Der Fachkräftemangel fordert überall seinen Tribut. Durch Remoteservice versucht man, Fachkräfte nicht „sinnlos“ im Auto sitzend durchs Land fahren zu lassen, sondern sie bedarfsgerecht digital aus der Ferne zuzuschalten. Systeme können sich heute zu einem gewissen Grad schon selbst konfigurieren. Alarmmanagementsysteme unterstützen das Leitstellenpersonal mit Handlungsvorschlägen oder selektieren Meldungen gezielt vor: Denken Sie nur an die Videosicherheitssysteme. Niemand kann zig Monitore konzentriert im Blick behalten. Computer und KI erkennen Anomalien schneller und zuverlässiger und zeigen nur noch kritische Szenen.
Auch das Thema „Customer Self Service“ sehen wir, bei dem beispielsweise Leitstellenkunden ihre Alarmpläne eigenständig und digital verwalten, ihre Alarmketten überwachen und interaktiv in die Alarmbearbeitung einbezogen werden.
Welchen Einfluss hat der Personalmangel (nach Auskunft des BDSW sind rund 11.400 unbesetzte Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet) auf Unternehmen im Sicherheitssektor was Auftragsvolumen und Wachstum betrifft?
Dazu liegen uns als Prüf- und Zertifizierungsinstitut keine Zahlen vor. Was wir allerdings wahrnehmen ist, dass die wenigsten unserer Kunden über Auftragsmangel klagen.
Welche Anstrengungen müssen Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen unternehmen, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben?
Am erfolgreichsten werden die Unternehmen sein, die einen diffizilen Spagat hinbekommen. So müssen einerseits Digitalisierungstrends antizipiert und in nachhaltige, wertschöpfende Geschäftsmodelle transferiert werden. Andererseits darf das hohe Maß an Sicherheit und Zuverlässigkeit nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Deshalb wird man einerseits neue Wege einschlagen und Wagnisse eingehen müssen, auf der anderen Seite aber auch weiterhin das Versprechen einhalten: 100 % Schutz für Gesundheit und Sachwerte.
Wird es in zukünftig sogar so sein, dass Sicherheitstechnik immer mehr Mitarbeiter ersetzen wird?
Da diese Mitarbeiter vielfach gar nicht mehr zur Verfügung stehen, wird die Branche gar nicht umhinkommen, als vieles durch technische Prozesse zu kompensieren.