KI-Anwendungen wie ChatGPT erobern die Kinder- und Klassenzimmer. Was sind aus Ihrer Sicht die größten damit verbundenen Chancen und Herausforderungen für die Schulen?
Chancen und Herausforderungen sind direkt miteinander verknüpft: Für die Schülerinnen und Schüler sehe ich Chancen in der individuellen Begleitung ihres Lernens, wenn sie ChatGPT tatsächlich dazu nutzen wollen und dies auch können. Für Lehrkräfte sehe ich die Chancen von ChatGPT darin, dass ihnen damit quasi ein neues Medium für die Gestaltung ihres Unterrichts zur Verfügung steht. Für beide Gruppen gilt, dass im Rahmen einer schulbezogenen Nutzung der Schutz der personenbezogenen Daten von Lehrkräften und ihren Schülerinnen und Schülern gewährleistet werden muss. Hier sind die Kultusministerien als Verantwortliche und Dienstherrn gefragt. Für die Schülerinnen und Schüler wird die Herausforderung darin bestehen, die oft gut und überzeugend klingenden Texte z.B. von Chat GPT auf ihren fachlichen Gehalt hin prüfen zu können. Lernende brauchen also nicht weniger fachliche Kompetenzen, vielmehr verlangt eine kundige Nutzung der Möglichkeiten von KI nach einer breiteren und tieferen Verankerung im Fach.
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In der Debatte ist bereits vom "Tod der Hausaufgabe" u.ä. die Rede - wie muss sich insbesondere die Didaktik auf KI-Anwendungen einstellen?
Hier gilt es, verschiedene Zielrichtungen voneinander zu unterscheiden: Wenn der Schutz der personenbezogenen Schülerdaten sichergestellt ist, können KI-Tools für Schülerinnen und Schüler sowohl bei den Hausaufgaben als auch im Unterricht hilfreich sein, um passgenau im Lernprozess Informationen bereitzustellen, Fragen aufzuwerfen und die Lernziele und aktuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler so miteinander zu verknüpfen, dass Lernprozesse individualisiert und das Erreichen der angestrebten Lernziele unterstützt werden.
Zum anderen wird es sicherlich so sein, dass in der Anfangsphase noch als herausfordernde Hausaufgabe gestellt werden kann, was kann ChatGPT (noch) nicht, was ich kann? Das ist sicherlich interessant für die Schülerinnen und Schüler. Gleichzeitig wird das Produzieren von Texten und Ausarbeitungen gegenüber deren Diskussion und tatsächlichen Bewertung etwas in den Hintergrund treten. Im besten Falle wird es dann so sein, dass tatsächlich die Bildung und der Bildungsprozess des einzelnen Schülers, der einzelnen Schülerin in den Mittelpunkt gestellt werden kann und muss. Bildung ist ja die subjektive Verarbeitung von Wissen, die zu kumuliertem, veränderten Wissen, zu veränderten Einstellungen und Haltungen führt. Dies dann im Klassenraum, mit und vor den anderen zu artikulieren, darzustellen, zu begründen, infragezustellen, weiterzuentwickeln wird die anspruchsvolle Aufgabe im Unterricht sein – und dafür bedarf es der dahinterstehenden Üb- und Auseinandersetzungsprozesse, z.B. in den Hausaufgaben.
Welche Chancen bieten moderne KI-Anwendungen auf der anderen Seite für die Lehrerschaft - etwa bei der Kontrolle von Arbeiten o.ä.?
Über z.B. digitale Schulbücher, intelligente tutorielle Systeme, Online-Grammatik-Prüfungen, computerbasiertes Aussprachetraining hinaus könnten zukünftig moderne KI-Anwendungen Lehrkräfte als Korrektur-Assistenten bei der Bewertung von Aufsätzen z.B. in der Fremdsprache unterstützen. Gerade der aktuelle „Hype“ um KI und z.B. ChatGPT zeigt allerdings aus meiner Sicht, dass zunächst einmal Schülerinnen und Schüler informatorische Grundkompetenzen im Fach Informatik in allen weiterführenden Schularten erhalten sollten, und zwar von qualifiziert ausgebildeten Informatiklehrkräften, sowie Informatik als Prüfungsfach im „mathematisch-naturwissenschaftlichen“ Aufgabenfeld gleichberechtigt im Abitur gewählt werden darf.
Welchen rechtlichen Rahmen muss es mittelfristig für KI-Anwendungen in den Schulen geben?
A und O ist und wird der Schutz der personenbezogenen Daten sein, und zwar sowohl der Schüler- wie der Lehrkräftedaten, nicht nur in KI-Anwendungen. Hierzu bedarf es grundlegender Veränderungen. Bisher ist der Datenschutzverantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 der DS-GVO die Schulleitung, die die Schule nach außen vertritt. Diese kann in der Regel aber kein umfassendes (Datenschutz)-Wissen u.a. für sämtliche KI-Tools haben. Es gibt bisher nur wenige Bundesländer, hier beispielsweise Berlin, wo die Verantwortung für den Datenschutz, schulische IT-Verfahren und deren verfahrensabhängige IT-Infrastruktur bei der obersten Dienstbehörde, nämlich dem Kultusministerium bzw. bei der entsprechenden Senatsverwaltung, liegt (hier SchulG Berlin §7, Abs. 2a und § 64, Abs. 11). In den meisten Bundesländern wird diese Verantwortung auf die Schulen bzw. die Schulleitungen delegiert. Die aktuelle Debatte zeigt, wie dynamisch sich gerade der IT-Bereich entwickelt. Daher ist diese Flucht der Kultusministerien aus der Verantwortung ein nicht hinnehmbarer Zustand und muss im Interesse der Schülerinnen und Schüler, ihrer Lehrkräfte und der Schulleitungen dringend verändert werden.