Der Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Plattformen sieht besondere Regeln für die Plattformen vor, die eine Nutzerschaft von 10 % (oder in Zahlen 45 Millionen) in Europa erreichen - wie bewerten Sie diese Grenze?
Der EK-Vorschlag beinhaltet einen differenzierten Anwendungsbereich. Die Verpflichtungen richten sich in abgestufter Weise an intermediäre Dienste, die Inhalte von Dritten übertragen oder speichern (zB Cloud- und Messaging-Diensten, Marktplätzen und sozialen Netzwerke). Sehr große Online-Plattformen, die mindestens 45 Millionen Nutzer in der EU erreichen, treffen weitergehende Pflichten, etwa hinsichtlich Risikomanagement, die Benennung eines Compliance-Beauftragten, Transparenz von Empfehlungssystemen und Datenaustausch mit Behörden und Wissenschaftlern. Wie auch beim österreichischen Kommunikationsplattformengesetz (Grenze von 100.000 Usern) ist auch auf europäischer Ebene eine Grenze vorzusehen. Aufgrund ihres erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Einflusses tragen diese sehr großen Plattformen eine besondere Verantwortung in unserer Gesellschaft und diese zusätzlichen Pflichten sind ihnen aufgrund ihrer Größe und Bedeutung zumutbar.
JETZT HERUNTERLADEN
DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE
DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
Die großen Plattformen sollen etwa ihre Algorithmen offenlegen und unabhängig prüfen lassen. Wer sollte diese Algorithmen worauf kontrollieren?
Die Rolle der digitalen Plattformen hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Waren sie vormals bloß „Blackboards“, also mehr oder minder die Anschlagstafeln für Inhalte Dritter, so nehmen sie doch heute vor allem durch den Einsatz von Algorithmen Einfluss etwa auf das Konsumverhalten der Nutzerinnen und Nutzer. Plattformen sind dementsprechend keine neutralen Übermittler, sondern greifen in die Darstellung der geteilten Inhalte ein. Dies ist nicht per se schlecht, Nutzer sollen aber informiert sein, wie die Darstellung der Inhalte gesteuert wird. Algorithmen sollten von Experten überprüft werden. Sie ganz veröffentlichen zu müssen, wäre aus meiner Sicht wettbewerbsrechtlich problematisch.
Geplant ist auch eine Vorschrift für den Datenzugang und die Interoperabilität von Diensten, die etwa den Nachrichtenaustausch zwischen verschiedenen Messengern ermöglichen soll. Wie schätzen Sie dieses Vorhaben ein?
Auf den europäischen digitalen Märkten agieren aktuell einige wenige große Online-Plattformen als „Gatekeeper“, d.h. aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung können sie bestimmen, wer überhaupt Zugang zum Markt hat. Mit den geplanten Vorschriften im zweiten Teil des DSA soll die Interoperabilität zwischen Diensten verbessert werden, etwa auch durch die Pflicht, Zugang zu nicht-personenbezogenen Daten zu gewähren. Es ist wichtig, das Ungleichgewicht auf diesen Märkten zu beheben und gleichzeitig den Binnenmarkt für digitale Dienste weiterhin wettbewerbsfähig und offen für Innovationen zu halten.
Vorgesehen sind neue Regeln zur Entfernung illegaler Inhalte. Inwieweit könnten diese mit bereits vorhandenen nationalen Regulierungen kollidieren?
Das Kommunikationsplattformengesetz (KoPlG), das mit 1.1.2021 in Kraft getreten ist, sieht effektive Maßnahmen gegen Hass im Netz vor. Die Plattformen sind verpflichtet, wirksame Mechanismen zur raschen Entfernung von illegalen Inhalten und zur Überprüfung dieser Entscheidungen zu etablieren. Natürlich kennt Hass im Netz keine Ländergrenzen und ist ein gesamteuropäisches Problem. Mir und auch unserer Europaministerin Karoline Edtstadler ist es ein Anliegen, dass sich Österreich für eine europäische Lösung einsetzen wird. Daher begrüßen wir die Vorlage des DSA. Hinsichtlich einer zukünftigen Rechtskollision ist darauf zu verweisen, dass das KoPlG eine Evaluierung 2 Jahre nach Inkrafttreten, also Anfang 2023, vorsieht, im Rahmen derer auch die Kompatibilität mit dem DSA bzw. dem dann geltenden EU-Recht überprüft wird.