Zur Verbesserung der Luft in Städten diskutiert die Politik auch über einen kostenlosen ÖPNV. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag, vor allem mittel- bis langfristig?
Für die Stadt Köln muss zunächst festgestellt werden, dass die Stadtbahn- und Buslinien in den Hauptverkehrszeiten die Vollauslastung auf vielen Strecken bereits überschreiten. Bei einer kostenlosen Verfügbarkeit des ÖPNV-Netzes in Köln ist daher davon auszugehen, dass der Druck durch steigende Nutzungswünsche noch weiter ansteigen würde. Insgesamt erscheint es mir der fachlich und strategisch richtige Weg, die finanziellen Mittel, die für ein kostenfreies ÖPNV-Netz notwendig wären, stattdessen in den Infrastrukturausbau des Stadtbahn- und Busliniennetzes zu investieren. In Köln hat es sich bislang als erfolgreich erwiesen, die ÖPNV-Nutzung durch Angebotserweiterungen zu steigern.
Kritiker wenden ein, dass vor allem Fußgänger und Radfahrer auf den kostenlosen ÖPNV umsteigen könnten. Welches wären die wichtigsten Maßnahmen für den Verkehrsmix der Zukunft aus Ihrer Sicht?
Die Stadt Köln richtet ihre zukünftige Mobilitätsentwicklung an den Leitzielen des Strategiepapiers „Köln mobil 2025“ aus. Dieses Strategiepapier sieht vor, den Anteil der einzelnen Verkehrsmittel am Gesamtverkehrsaufkommen in Köln bis 2025/2030 zu verändern. So soll der Anteil des Kfz-Verkehrs, der heute ca. 40 % des Gesamtverkehrsaufkommens beträgt, auf ca. 33 % sinken. Gleichzeitig soll der Anteil der Verkehrsmittel des Umweltverbundes von heute 60 % auf ca. 67 % anwachsen. Die beschriebenen Angebotsverbesserungen im ÖPNV sind wesentliche Bausteine, um diese Zielsetzung zu erreichen.
Der ÖPNV ist Teil eines komplexen Netzes an öffentlichem Verkehr. Welche Rolle spielt das für den Verkehrsmix - und welche Stellschrauben sehen Sie hier noch zur Optimierung?
Für die künftigen Maßnahmen im ÖPNV-Netz werden derzeit zwei Roadmaps entwickelt, in denen die Stadtbahnausbauvorhaben priorisiert und Verbesserungsmaßnahmen im Busnetz vorgeschlagen werden. Ein Teil der Maßnahmen im Busnetz soll als Interimslösung das Stadtbahnnetz kurzfristig entlasten, bis dort die geplanten Ausbauten realisiert werden können. Gleichzeitig werden der sukzessive Ausbau des Radwegenetzes durch Radverkehrskonzepte gezielt gesteuert und sichere Wegeführungen für zu Fuß Gehende ausgebaut. Teilweise wurden Verkehrsflächen für den motorisierten Verkehr zugunsten des Fahrradverkehrs bereits reduziert und zurückgebaut.
Flankierend zu diesen Maßnahmen werden in den kommenden Jahren in Köln und im Umland flächendeckend Mobilstationen eingerichtet, die den Umstieg zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln erleichtern. An den Mobilstationen werden unterschiedliche Verkehrsangebote, wie z. B. ÖPNV-Linien, Leihräder, Elektroautos und Fahrrad- und Pkw-Parkplätze verfügbar sein, so dass die individuellen Wegeketten der Verkehrsteilnehmenden optimiert durchgeführt werden können.
Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung für den optimalen Verkehrsmix?
Die Digitalisierung bietet eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten: Im Personenverkehr stehen den Verkehrsteilnehmenden gegenüber früher weitaus mehr Informationen zur Verfügung, nämlich zu welcher Uhrzeit, auf welcher Strecke, in welcher Kombination von Verkehrsmitteln und zu welchen Preisen er optimal seine Ortsveränderung vornimmt. Durch BigData und OpenData wird es Mobilitätsdienstleistenden möglich, kundengerechte Services anzubieten. Die Stadt Köln hat sich mit ihrer Digitalisierungsoffensive dem Thema angenommen und stellt relevante Daten auf „Offene Daten Köln“ zur Verfügung. Dabei sind auch zahlreiche Informationen zum Verkehr, wie die Baustellenmeldungen aus dem Verkehrskalender, Daten zu Parkhausbelegungen, zum Fahrradverkehr und zu vielen weiteren verkehrsrelevanten Themen. Mit dem EU-Projekt GrowSmarter wird deutlich, welchen Stellenwert diese Vernetzung für eine nachhaltige Stadtentwicklung besitzt. Mit dem Ansatz „Mobility as a Service“ wird im Personenverkehr nicht mehr auf den Besitz eines Fahrzeuges fokussiert, sondern auf die Nutzung des für den Zweck am besten geeigneten Fortbewegungsmittels. Dies erfordert umfassende Informationen zur Verfügbarkeit und wird auch dann erst Akzeptanz finden, wenn die Buchungs- und Bezahlsysteme durchgängig sind. Für die Verkehrsmittelwahl bedeutet dieser Ansatz, dass die bisherigen Hemmschwellen zur Fortbewegung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder im ÖPNV abgebaut werden und eine Verlagerung im Modal-Split zugunsten des Umweltverbundes auf einen Anteil von 2/3 erreicht werden kann.