Experten sehen die Landwirtschaft in einer digitalen Transformation hin zum Smart Farming. Wie sollte die Politik die Betriebe auf diesem Weg unterstützen?
Der Einsatz digitaler Techniken in der Landwirtschaft ist sehr breit, von einer agrarspezifischen Wetter-App angefangen bis hin zum Melkroboter, spurgenauem Fahren mittels GPS und Drohneneinsatz zur Bekämpfung des Maiszünslers. Wir gehen davon aus, dass mittlerweile fast jeder Landwirt in irgendeiner Weise digitale Techniken einsetzt. Landwirte von sind in der Regel schnell dabei, neue Techniken auf dem eigenen Betrieb einzuführen, allerdings unter zwei wesentlichen Voraussetzungen. Die neue Technik muss unter Praxisbedingungen funktionieren und sie muss sich unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten rechnen.
Die Landwirtschaft kann von der Digitalisierung in besonderem Maße profitieren. Das hat damit zu tun, dass sie mit Boden, Wasser, Luft und Tieren umgeht, wo ein Mehr an Wissen zu noch mehr Ressourcen- und Klimaeffizienz führen und das Wohl der Tiere weiter optimiert werden kann. Der Umgang mit Natur und Tieren unterscheidet die Landwirtschaft von den Produktionsprozessen in vielen Industriebetrieben, wo ein Stoff „vorne reingeht“ und „hinten“ in gasförmiger, flüssiger und/oder fester Form wieder „rauskommt“.
Vor diesem Hintergrund sollte die Politik die Hemmnisse der weiteren Digitalisierung aus dem Weg räumen. Vor allem brauchen wir in ein flächendeckendes 5G-Mobilfunknetz und keine Behelfslösungen wie Campus-Netzwerke oder nur eingeschränkt funktionierende Mobilfunk-Netze. Hier ist die Politik gefordert. Die von der Bundesregierung angekündigte „Mobilfunkstrategie“ geht in die richtige Richtung, ist aber bei weitem noch nicht gut genug und muss daher nachgebessert werden.
Am Internet scheitern derzeit viele Anwendungsmöglichkeiten, besonders im Ackerbau. Leistungsfähige digitale Infrastrukturen entscheiden über die künftige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch des gesamten ländlichen Raumes. Als Landwirtschaft brauchen wir die Gigabit-Cloud über dem Acker, um in der gebotenen Echtzeit die erforderliche Behandlung jeder einzelnen Pflanze künftig vornehmen zu können.
Selbstfahrende landwirtschaftliche Maschinen, Drohnen über den Feldern, Roboter im Stall – wie kann sichergestellt werden, dass kleinere Betriebe in solche Zukunftstechnologien angemessen investieren können?
Landwirtschaft 4.0 ist nicht unbedingt von der Größe der Betriebe abhängig. Über Maschinenringe, Lohnunternehmen und andere Formen der Zusammenarbeit sind grundsätzlich alle Betriebe in der Lage, Nutzen aus der neuen Technikentwicklung zu ziehen und damit schnell ökonomische, soziale und ökologische Fortschritte zu erzielen. Sharing-Economy ist übrigens keine Eigenheit der Digitalisierung. Sie findet grundsätzlich bei jedem technischen Fortschritt statt, bei dem Arbeit durch Kapital ersetzt wird, in der Landwirtschaft wie in der Industrie.
Welchen Beitrag kann die Digitalisierung auf dem Weg zu nachhaltigerer Landwirtschaft leisten?
Die Landwirtschaft in Deutschland steht vor wachsenden Herausforderungen. Die gesellschaftlichen Anforderungen an Klimaschutz, Biodiversität und Tierwohl nehmen zu. Digitale Techniken haben ein großes Potenzial, effizienter, umweltschonender, mit weniger Klimagasen, mehr Biodiversität und mit Tierwohl fördernder Technik Nahrungsmittel zu erzeugen. Größter Engpass ist mit Abstand die unzureichende oder fehlende Infrastruktur zur Datenübertragung.
Die jetzt mit 50 Millionen Euro Bundesmittel geförderten 14 landwirtschaftliche Experimentierfelder gehen in die richtige Richtung, um die Möglichkeiten des digitalen Fortschrittes für die Landwirtschaft auszuloten und der landwirtschaftlichen Praxis zukunftsorientierte Anschauungsbeispiele zu vermitteln. Über das jetzt vom BMEL gegründete Kompetenznetzwerk hinaus brauchen wir länderübergreifendes digitales Kompetenzzentrum, um den spezifischen Belangen der Landwirtschaft gerecht werden zu können. Zu den Aufgaben eines solchen Kompetenzzentrums gehören:
- Praxistransfer von Erkenntnissen aus den Test- und Experimentierfeldern zu befördern,
- die konsequente Zurverfügungstellung von Open Data zu gewährleisten,
- Beiträge zu notwendigen Standardisierungen von interoperablen Schnittstellen zu leisten,
- Prüfrahmen für Technikprüfungen zu erstellen,
- Technikfolgenabschätzungen vorzunehmen,
- wichtige Aspekte der Datensicherheit und Datenhoheit aufzuarbeiten,
- digitalen Techniken in Hinblick auf ihre gesellschaftliche und ethische Relevanz zu bewerten,
- eine länderübergreifende europäische Zusammenarbeit in strategischen Fragen zu Landwirtschaft 4.0 zu entwickeln und
- Agrar- Startups wirkungsvoll zu unterstützen.
Die Digitalisierung bietet vor allem große Chancen, die kritische öffentliche Diskussion über moderne und nachhaltige Landwirtschaft versachlichen zu helfen und überbordende bürokratische Vorgaben überflüssig zu machen.
Wie lässt sich sicherstellen, dass genügend Fachkräfte für Smart Farming zur Verfügung stehen?
Der Beruf des Landwirts ist heute ein sehr technik-affiner Beruf. Mit der hohen Technikverbundenheit ist folglich auch ein hohes Interesse an neuen technischen Entwicklungen verbunden. Diese sehen unsere Landwirte als eine unternehmerische Herausforderung an, die sie in der Regel selber meistern bzw. wissen, wie sie sie meistern können.
Nach einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes (DBV), unterstützt vom Digitalverband Bitkom, unter 850 landwirtschaftlichen Betriebsleitern aus September 2017 geben zwei Drittel der Landwirte (67 Prozent) an, sehr gute bis befriedigende Digitalkompetenzen zu haben. Weitere 16 Prozent halten ihre Kompetenzen immerhin noch für ausreichend. Nur 16 Prozent sehen sich ungenügend oder mangelhaft auf das digitale Zeitalter vorbereitet.
Nach Ergebnissen des DBV-Konjunkturbarometers aus Juni 2019 und der Bitkom-DBV-Erhebung aus September 2016 nennen immer weniger Landwirte unzureichende Kompetenzen als Digitalisierungshemmnis. Berührungsängste gegenüber digitalen Technologien werden nur noch von einem Fünftel der Landwirte als Digitalisierungshürde gesehen. 2016 aber war es noch entsprechend ein Viertel der Landwirte.