Ist die Zukunft der Kunststoffindustrie grün?
Die Kunststoffindustrie steht an einem wichtigen Scheideweg. Die Nachfrage nach Kunststoffen wächst auch nach 70 Jahren des Wachstums kontinuierlich an, aber mit ihr auch der lineare Verbrauch fossiler Ressourcen und in der Konsequenz auch die Umweltbelastung. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wie Erdöl und auch Erdgas ist nach wie vor groß. Gerade einmal 12 Prozent des Kunststoffs in Deutschland wird im Kreislauf geführt. Dennoch ist ein Systemwechsel möglich und auch notwendig, um die Industrie hin zur Klimaneutralität zu führen.
Die Zukunft der Kunststoffindustrie ist eine zirkuläre. Dafür eignet sich kaum ein Werkstoff so gut wie moderne Kunststoffe. Der Weg muss wegführen vom linearen Verbrauch zu einem Gebrauch und einer Wiedergewinnung von Rohstoffen am Ende der Nutzungsphase. Was ändert sich damit? Kurzum: Alles. Die Art der Sourcings – der Gewinnung von Rohstoffen, das Produktdesign, die Materialien an sich, aber auch der Aufbau der Produkte, Herstellung, Verarbeitung, Verkauf, Nutzung, sowie Rückführung und Recycling. Entscheidende Faktoren sind dabei Nachwachsende und Regenerative Rohstoffe, die Beispielweise aus Recyclingverfahren, aus Biomasse, aus der Abscheidung und Nutzung von CO2 aus Industrieabgasen oder der Müllverbrennung gewonnen werden. Aber auch das Design der verwendeten Kunststoffe. Oftmals entscheidet die Anwendung von Monomaterialien bereits über die Recyclingfähigkeit eines Konsumentenprodukts. Diese Technologien sind neben dem Zirkulären Design und eigens angepassten Geschäftsmodellen der Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen.
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Wie kann man sicherstellen, dass alternative Kunststoffe wirklich nachhaltig sind?
Bei der Bereitstellung von alternativen Kunststoffen, also herkömmlichen Kunststoffen, die aber auch Basis nachhaltiger, nachwachsender oder regenerativer Rohstoffe hergestellt werden, ist es wichtig, dass die gesamte Ökobilanz für die LCA, also die Lebenszyklusanalyse dargestellt und zertifiziert werden. Wichtig ist auch, dass nicht alle Umweltprobleme mit der Umstellung auf Biobasierte Kunststoffe erschlagen werden können. Denn wir wissen bereits heute, die Herausforderung, die es zu meistern gilt, besteht darin, das Kunststoffsystem in die planetaren Grenzen zu führen. Bei einer fundamentalen Umstellung auf Biobasierte Kunststoffe steht das System zwar deutlich besser bei den Treibhausgasemissionen da, überschreitet aber die Limits bei der Landnutzung, dem Wassereinsatz, und der Biosphäre. Das gilt es ganzheitlich zu betrachten und dafür braucht es auch eine zuverlässige Zertifizierung.
Stehen wir in Sachen Biokunststoffe vor einer neuen Tank-oder-Teller-Diskussion?
Teilweise ja. Warum nur teilweise? Kunststoffe können auf Basis von Pflanzenresten hergestellt werden, die ohnehin nicht als Futter- oder Nahrungsmittel geeignet sind. Schnittreste aus der Landwirtschaft etwa. Es gibt auch Pflanzen, die für die Herstellung von Biokunststoffen geeignet sind und auf Böden und unter Bedingungen gedeihen, unter denen man Nahrungs- und Futtermittel nicht anbauen kann. Die Konkurrenz kann trotzdem bei der Nutzung der Anbaufläche und wertvoller Ressourcen entstehen, zumal heute bereits klar ist, dass viele Industrien um die limitierte Menge an Biomasse konkurrieren wird. Diese Diskussion darf sich nicht wiederholen, es ist vollkommen klar, dass der Teller immer dem Tank vorzuziehen ist, ganz gleich wo auf der Welt der Teller steht, er ist unabhängig von der Kaufkraft immer wichtiger als der Tank – oder in unserem Fall als die Industrie.
Wie steht es bei Biokunststoffen um das Prinzip der Kaskadennutzung, das in ihrem Fall bedeuten würde, sie zunächst stofflich in langlebigen und reparierbaren Produkten einzusetzen, später zu recyceln und zuletzt energetisch zu verwerten?
Das Prinzip der Kaskadennutzung ist entscheidend und sollte ein maßgebliches für eine gesamte Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen sein. Langlebige und reparierbare und recyclebare Produkteinsätze sind für uns entscheidend. Die Rückführung von Ressourcen durch sich ergänzende Recyclingsysteme absolut essenziell, und die Verbrennung aus meiner Sicht so weit es geht zu vermeiden. Auch sollte die Zukunft der Verbrennung ausschließlich unter der Gewährleistung stattfinden, dass das CO2 dabei nicht freigesetzt, sondern auch im Kreislauf geführt wird.
Muss in diesem Zusammenhang die Frage eines effizienten und umfassenden Recyclingsystems stärker in den Vordergrund rücken?
Die Recyclinglandschaft wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Anstatt miteinander konkurrierender Technologiepfade wird es ein Gesamtbild geben, mit dem Ziel so effizient wie möglich bei minimalem Einsatz von Energien möglichst hohe Materialausbeuten zu ermöglichen. Das gelingt durch einen Technologiemix, bei dem Fraktionen klar sortiert, vorbehandelt, aufgeteilt, und nach Ökologischen und Ökonomischen Bewertungen sequenziell verarbeitet werden. Der Zustand der Molekülketten, Sortenreinheiten und Verunreinigungen werden anders sein als heute, aber dennoch eine Herausforderung sein. Wir werden sehr viel größere Mengen als heute noch mechanisch recyceln und zu einem späteren Zeitpunkt chemischen Pfaden zuteilen, bevor wir nur noch die Verbrennung nutzen – um aber dann über CCU den Kohlenstoff wiederzugewinnen. Wir werden sehr viel größere Mengen an Biobasierten Kunststoffen sehen, die Leistungsfähig sind. Diese werden industriell wieder gewonnen, oder verrotten, wenn es nicht vermeidbar ist etwa wegen eines Sohlen- oder Reifenabriebs, dass sie in der Umwelt landen.