Viele Kreuzfahrt-Reedereien haben eine Klimastrategie und bekennen sich zu den Klimazielen von Paris. Wo steht die Branche aus Ihrer Sicht heute auf dem Weg zu einer nachghaltigen Kreuzschifffahrt?
Der Kreuzfahrtsektor ist in Bezug auf seine Nachhaltigkeitsbilanz immer wieder und zunehmend in den Fokus der Medien geraten. Dies ist teilweise auf die Symbolik und das Wachstum des Kreuzfahrtsektors in den letzten Jahren zurückzuführen, aber auch auf die defensive Kommunikation und die passive Reaktion auf verschiedene Vorfälle. Im weiteren Kontext des Tourismus und der Schifffahrt weltweit ist der Sektor im Hinblick auf seine kumulativen Auswirkungen auf die Umwelt relativ klein. Auf lokaler, Mikro-Ebene gibt es jedoch reichlich Raum für Verbesserungen, vorausgesetzt, das Engagement für Nachhaltigkeit geht über isolierte Maßnahmen und PR-Kampagnen hinaus. Der Sektor hat sein Engagement für Nachhaltigkeit in seiner Kommunikation zum Ausdruck gebracht und unternimmt einige Schritte, um dies auch zu demonstrieren. Kontinuität, anhaltendes Engagement und Eigeninitiative sind für die Realisierung der angestrebten Ziele unerlässlich. Die Umsetzung der innovativen Aktionen in eine Standardpraxis für den Kreuzfahrtsektor und die Realisierung der damit verbundenen Ankündigungen steht noch ganz am Anfang. Die Reduzierung von Emissionen, Abfällen und Energieeffizienz bezieht sich lediglich auf Teilaspekte der Nachhaltigkeit, und zwar in dem Maße, wie sie wirtschaftlich tragfähig oder gesetzlich unumgänglich sind. Wirtschaftliche Interessen und die regulatorische Wirksamkeit mit Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen, ist eine kontinuierliche Herausforderung für Kreuzfahrtunternehmen und das gesamte System des Kreuzfahrttourismus, einschließlich Leistungsträger, Behörden und Gesetzgeber.
Wie lassen sich die Kreuzfahrt-Routen und Aufenthalte an Ausflugszielen im Sinne der Nachhaltigkeit optimieren?
Unter Berücksichtigung der ökonomischen Nachhaltigkeit ermöglicht die Verlängerung der Liegezeiten in den Häfen eine ausgeglichenere Umsatzverteilung zwischen den Reedereien und den Häfen. Die Forschung zeigt uns deutlich, dass der wirtschaftliche Nutzen des Kreuzfahrttourismus mit der allgemeinen Entwicklung und der touristischen Infrastruktur des entsprechenden Hafens zusammenhängt. Die Infrastruktur der Destinationen und die Steuerung des Kreuzfahrt-Tourismus spielen eine Schlüsselrolle bei der Minimierung der ökologischen Auswirkungen und der Maximierung der wirtschaftlichen Auswirkungen.
LNG, E-Fuels, E-Motoren - welches ist der Antrieb der Zukunft für Kreuzfahrtschiffe?
Es ist irreführend, unsere Hoffnungen auf Nachhaltigkeit an eine einzige Technologie zu knüpfen. Die Lebensdauer eines Kreuzfahrtschiffes beträgt zwei oder mehr Jahrzehnte, und innerhalb eines solchen Zeitrahmens werden die modernen "umweltschonenden " Technologien wahrscheinlich überholt oder sogar obsolet sein. Nachhaltigkeit erfordert eine kontinuierliche Modernisierung und eine gezielte Kombination von Technologien und Praktiken sowie eine ganzheitliche Betrachtung des Systems Kreuzfahrttourismus. Es geht nicht nur um die Antriebstechnik und den Schiffsbetrieb. Es geht auch um den Transport vom und zum Schiff, die gesamte Wertschöpfungskette, den Schiffsbau und die Schiffsverschrottung.
Welchen Beitrag können digitale Tools - etwa für die Wartung, die Routenberechnung u.v.m. - für eine nachhaltige Kreuzschiffahrt leisten?
Die Digitalisierung kann - und hat - die Energieeffizienz und die Sicherheit der Kreuzschifffahrt verbessert. Sicherheit ist auch deshalb wichtig, weil Kreuzfahrtunglücke nicht selten auch mit Umweltschäden einhergehen. Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung der Dienstleistungen an Bord eine effizientere Nutzung des verfügbaren Raums auf einem Kreuzfahrtschiff, was bedeutet, dass die Erlebniskapazität und die umsatzwirksame Fahrgastkapazität eines Kreuzfahrtschiffs erhöht werden können, ohne dass die tatsächliche Größe zunimmt. Smart-Services, AR/VR und Robotisierung ermöglichen es, mehr Kreuzfahrterlebnisse für mehr Passagiere mit den gleichen oder weniger Ressourcen anzubieten.