Wie steht es generell in Sachen Digitalisierung der Medizin?
Es gibt bereits viele digitale Anwendungen oder digital unterstützte Abläufe in der Medizin. In der Radiologie und der Labormedizin ist die Digitalisierung bereits weit fortgeschritten. Diese intelligente Vernetzung von unterschiedlichen Medizingeräten entlang eines bestimmten Behandlungspfades oder Workflows ist in vielen anderen medizinischen Fachgebieten aber noch nicht erreicht.
Deshalb sind wir von der gemeinsamen Nutzung von persönlichen Gesundheitsdaten über Fachgebiete hinweg auch noch weit entfernt.
Was sind die Vorteile von SDC und welche Barrieren und Herausforderungen gibt es derzeit noch, um den herstellerübergreifenden Kommunikationsstandard einzuführen? Die IEEE 11073 Service-oriented Device Connectivity (SDC) Standardfamilie definiert ein Kommunikationsprotokoll für Medizingeräte, deren Einsatzbereich in der akut kritischen Patientenversorgung liegt, wie etwa dem Operationssaal oder der Intensivstation. Der Standard kann aber auch in anderen Bereichen des Krankenhauses zur Anwendung kommen. Sie ist Teil der ISO/IEEE 11073 Normenfamilie. IEEE 11073 SDC basiert auf dem Konzept der serviceorientierten Architektur (SOA). Daher unterscheidet sich IEEE 11073 SDC in Teilen stark von den Mechanismen der "klassischen" ISO/IEEE 11073 Standardfamilie.
Im Fokus von IEEE 11073 SDC steht die herstellerübergreifende Geräte-zu-Geräte-Kommunikation. Die Standardfamilie zielt dabei auf die Interoperabilität von Medizingerätesystemen ab und ermöglicht den Mehrpunkt-zu-Mehrpunkt-Informationsaustausch zwischen Medizingeräten. Darüber hinaus wird ein grundlegender Datenaustausch zwischen Medizingeräten und den medizinischen Informationssystemen ermöglicht, die in einem Krankenhaus eingesetzt werden.
Mit dem Fokus auf die Geräte-zu-Geräte-Kommunikation tritt IEEE 11073 SDC nicht in Konkurrenz zu bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen Standards wie DICOM, HL7 oder HL7 FHIR. Vielmehr ergänzen sich diese Standards.
Welche notwendigen Rahmenbedingungen müssen IT-Branche, Politik und Krankenhausverwaltungen sowie die Herstellerseite dafür schaffen?
Das Projekt OR.NET hat in Deutschland mit verschiedenen Demonstratoren gezeigt, wie man SDC in der Praxis einsetzen kann. Damit SDC in der Praxis breit zur Anwendung kommt ist eine wichtige Voraussetzung, dass die medizinischen Anwender sich auf klar beschriebene Workflows verständigen, die dann durch über SDC übermittelte Daten unterstützt werden.
Alle Beteiligten müssen also gemeinsam klare Konzepte entwickeln welche Parameter am „Point of Care“ gebraucht werden und welche Medizingeräte deshalb welche Daten zur Verfügung stellen oder empfangen müssen. SDC stellt die technische Plattform zur Verfügung, um diese Daten sicher bereitzustellen. Welche Daten in welcher Situation benötigt werden, müssen die Anwender definieren.
Welche Vorteile könnten Patienten und medizinisches Personal von einer zügigen SDC-Einführung realistischerweise erwarten?
Patientinnen und Patienten und medizinisches Personal können von SDC vor allem erwarten, dass alle medizinisch relevanten Informationen am „Point of Care“ sicher und schnell zur Verfügung stehen. Am „Point of Care“ gibt es also ein vollständiges Bild vom Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten und der Entwicklung in der letzten Zeit. Das verbessert die Qualität der medizinischen Versorgung und entlastet auch das medizinische Personal, weil alle relevanten Informationen am „Point of Care“, also direkt bei der Patientin und dem Patienten, vollständig zur Verfügung stehen und nicht gesucht oder erfragt werden müssen. Es bleibt also mehr Zeit für die eigentliche Arbeit des medizinischen Personals, nämlich die Betreuung der Patientinnen und Patienten.