Sport- und Fitnesszentren sind in der Pandemie seit einem Jahr immer wieder von Einschränkungen betroffen. Wie können digitale Tools und Angebote der Branche durch die Krise helfen?
Die Pandemie hat – wie in vielen anderen Branchen auch – die Digitalisierung stark vorangetrieben. Kurse werden online gestreamt, Coachings können virtuell stattfinden, es gibt Online-Programme zu den Themen Training und Ernährung und zahlreiche Möglichkeiten einzelne Kursstunden im Netz on demand abzurufen.
Viele Fitnessclubs verfügen inzwischen über eigene Apps, welche die hoch-digitalisierten Prozesse, die im Hintergrund ablaufen, für den Kunden erlebbar machen. Die Entwicklung dieser Tools wird rasant vorangetrieben. Die Nutzerfreundlichkeit und damit die Akzeptanz der Verwendung dieser Tools steigt enorm an.
Diese Maßnahmen dienen jedoch in erster Linie der Bindung von bestehenden Kunden oder Mitgliedern. Der unmittelbare wirtschaftliche Vorteil ist gering, Neukunden können nur schwer oder gar nicht gewonnen werden. Denn die Entwicklung hat gleichzeitig zu einem großen Anstieg an Mitbewerber geführt, die digitale Fitnessformate im Netz anbieten. Gegen diese professionellen, investorengetriebenen Anbieter, wie z.B. Peleton, Apple oder Fitness+, haben es die meist mittelständisch ausgerichteten Fitnessclubs aufgrund des beschränkten Werbebudgets schwer.
Langfristig wird das Online-Angebot fester Bestandteil des Fitnessclubs von morgen sein. Diese Entwicklung ist spätestens jetzt nicht mehr aufzuhalten.
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Wie können solche Angebote umgekehrt den Kunden während der Einschränkungen dabei helfen, sich fit zu halten?
Das Online-Angebot, um sich auch Zuhause fit zu halten ist enorm. Egal, ob Yoga, High Intensity Training oder Dance. Kurse gibt es jede Menge. Es scheitert in der Regel vielmehr an der Motivation oder auch an den räumlichen Möglichkeiten. Fitnessclubs sind ein Ort der Begegnung, man motiviert sich gegenseitig den eigenen inneren Schweinehund zu überwinden. Dieser Austausch fällt Zuhause weg. Das Sofa ist nah, der Kühlschrank verlockend voll.
Viele Menschen zieht es für den Sport nach draußen. Vor allem Ausdauer kann outdoor sehr gut trainiert werden, Kraft jedoch eher weniger. Hier mangelt es auch an geeigneten Geräten, um ein gutes gesundheitsorientiertes Krafttraining durchführen zu können. Gerade ältere Menschen tun sich schwer ohne Anleitung durch Mensch oder Maschine ein gezieltes Training durchzuführen.
Im professionellen Spitzensport werden weiterhin Wettkämpfe ausgetragen. Wie bewerten Sie das?
Grundsätzlich führt die Aufrechterhaltung des Spitzensports auch zu einem gewissen Gefühl an Normalität. Es dient der Unterhaltung des oft eintönigen Corona-Alltag. Der Spitzensport zeigt sich aber auch als Wegbereiter für Lösungen in der Pandemie. Strategien wie das großflächige „Freitesten“ wurden innerhalb der Formel 1 oder auch im Fußball ausgiebig erprobt und können als Best Practice Beispiel für die breite Masse dienen.
Es ist nachvollziehbar, wenn sich Hobby-Sportler benachteiligt fühlen, zumal diese Maßnahmen auch hier schon längst eingesetzt werden könnten. Dieses Gefühl der Ungleichbehandlung erstreckt sich jedoch über viele Branchen und Personengruppen und beschränkt sich nicht auf den Sport. Solange uns nicht alle Bereiche des Lebens wieder voll zugänglich sind und solange nicht alle Unternehmen wieder ihre Tätigkeit voll ausüben können, wird sich daran auch nichts ändern.
Fitness und Gesundheit haben auch eine Bedeutung für die Gesellschaft – wie sollte die Politik die Branche in der Pandemie und ggf. darüber hinaus unterstützen?
Der Stellenwert von Fitness ist innerhalb der Politik noch längst nicht gegeben. Dass Fitnesstraining ein wichtiger Bestandteil der aktiven Gesundheitsvorsorge ist, scheint in den Köpfen der Politiker noch nicht angekommen zu sein. Man redet über die Öffnung von Hotellerie, Gastronomie und Handel, aber nie darüber, wie man Menschen ermöglichen kann aktiv an ihrer Gesundheit zu arbeiten. Es gibt sehr viele Studien, die belegen, dass regelmäßiges Training nicht nur das Immunsystem stärkt, sondern generell der Zellalterung entgegenwirkt. Vielen Zivilisationskrankheiten könnte mit Training und Ernährung entgegengewirkt werden. Selbst die WHO gibt - erstmals im Rahmen der Pandemie - klare Empfehlungen heraus und ruft zu gesundheitsorientiertem Training auf.
Wichtig wäre es endlich anzuerkennen, dass Fitnessclubs einen Beitrag zur Volksgesundheit leisten. Daraus würden sich viele mögliche Maßnahmen ergeben, wie z.B. die Einbeziehung von Branchenvertretern in Entscheidungsprozesse, aber auch die aktive Unterstützung der Branche, z.B. durch eine Senkung der Mehrwertsteuersätze.