Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, empfiehlt den Kommunen den Verkauf von anonymisierten Datenbeständen. Wie finden Sie diesen Vorschlag?
Ich halte diesen Vorschlag für nicht zulässig. Auch das Anonymisieren von Daten stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar, denn solange die zugrundeliegenden Datenbestände nicht zugleich gelöscht werden, wäre eine Re-Identifizierung der Betroffenen möglich. Für eine solche Datenverarbeitung durch Kommunen gibt es keine rechtliche Grundlage. Abgesehen von den rechtlichen Bedenken halte ich es aber auch aus ethischen Gründen für äußerst fragwürdig, ob der Staat Geld mit den Daten seiner Bürgerinnen und Bürgern verdienen sollte.
Ich glaube vielmehr, dass das Gegenteil richtig ist: Meines Erachtens stellt sich hier nicht die Frage, ob auch der Staat mit in den Datenhandel einsteigen sollte, vielmehr sollte in unseren digitalisierten Zeiten mit immer mehr Datenbanken, deren Datenbestände potenziell miteinander verknüpfbar sind, der Datenhandel insgesamt stärker reglementiert und begrenzt werden. Die ab 25. Mai 2018 wirksam werdende Datenschutz-Grundverordnung bietet hierfür neue Ansätze. Für den Staat kommt hinzu, dass er grundsätzlich die Befugnis hat, die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Daten auf entsprechender gesetzlicher Grundlage zu erheben, ohne dass Betroffene dem widersprechen könnten. Wir Bürgerinnen und Bürger sind verpflichtet, unseren Wohnsitz zu melden, eine Steuererklärung
abzugeben oder für den Erhalt staatlicher Leistungen Daten preiszugeben. Demzufolge obliegt dem Staat auch eine besondere Sorgfaltspflicht im Umgang mit diesen Daten. Sie dürfen nur im erforderlichen Umfang erhoben werden, sie dürfen nur für den Zweck, für den sie erhoben wurden, verwendet werden und sie müssen gelöscht werden, wenn sie nicht mehr erforderlich sind. Ein Verkauf von Daten widerspricht dieser besonderen Verantwortung des Staates.
Der Bund hat einen „nationalen Aktionsplan für Transparenz und offenes Regieren“ erarbeitet, der die Bereitstellung offener Daten in den Vordergrund stellt. Wie passt das zum Verkauf von Daten?
Bei Fragen von Transparenz und offenem Regieren geht es darum, staatliche Informationen zu veröffentlichen, um den Bürgerinnen und Bürgern Einblick in staatliche Entscheidungsprozesse zu geben und erlangte Erkenntnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Es geht dabei aber ausdrücklich nicht um die Veröffentlichung personengebundener Daten!
Neben meiner Funktion als Datenschutzbeauftragte bin ich gleichzeitig auch Informationsfreiheitsbeauftragte des Landes Berlin. Ich setze mich daher in meiner täglichen Arbeit für Transparenz und offenes Regieren ein und halte die vermehrte Veröffentlichung staatlicher Informationen für einen sehr wichtigen Schritt, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihren Staat zu bewahren. In einer Zeit des freien Zugangs zu fast allen In-formationen, die man sich nur vorstellen kann, würde eine weitgehende Geheimhaltung staatlicher Dokumente nur zu Misstrauen führen.
Transparenz dient einerseits der Kontrolle staatlichen Handelns. Darüber hinaus hat sie jedoch einen nicht zu unterschätzenden gesamtgesellschaftlichen Wert. Offenes Regieren unterstützt Menschen – auch angesichts immer häufiger auftauchender Fake-News – bei der politischen Willens- und Meinungsbildung. Zugleich können die bereitgestellten Informationen auch Triebkraft für Forschung und Innovation sein. Ich plädiere deshalb für die größtmögliche Offenlegung staatlicher Datenbestände, solange sie keinen Personenbezug aufweisen. Da der Staat ein ureigenes Interesse an der Stärkung der Demokratie sowie der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes hat, sollte er sich um Transparenz und um kostenfreien Zugang zu Informationen bemühen.
Kritiker wenden ein, dass Großkonzerne wie Google hohe Preise für Daten bezahlen könnten, Start-Ups aber nicht. Wie bewerten Sie das?
Ich gehe davon aus, dass Großkonzerne wie Google und Facebook eigene Datenbestände haben, die um ein Vielfaches größer sind als die Bestände einzelner Kommunen. Insoweit ist fraglich, ob die Big Player überhaupt ein Interesse an solchen staatlichen Daten hätten. Dessen ungeachtet macht das Argument aber vor allem deutlich, dass Daten in unserer zunehmend digitalisierten Welt ein extrem wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. Sofern der Staat seine Daten nach den Informationsfreiheitsgesetzen auf Anfrage Einzelnen zur Verfügung stellen darf, ist er gut beraten, dies auch proaktiv, umsonst und für alle Interessierten zu tun. Damit unterstützt das Land seine Wirtschaft und seine Menschen.
Zum Datenschutz-Aspekt: Wie lässt sich sicherstellen, dass verkaufte oder anderweitig verbreitete Daten wirklich keine Rückschlüsse auf die Privatsphäre des Einzelnen zulassen?
Das ist eine Frage, die gerade in Zeiten von Big Data zunehmend schwerer zu beantworten ist. Daten gelten dann als anonymisiert, wenn sie entweder gar nicht mehr, oder aber nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Je mehr Daten erhoben, verarbeitet und aus unterschiedlichen Quellen kombiniert werden, desto leichter fällt aber potenziell eine Re-Identifizierung einzelner Personen. Daten, die vor ein paar Jahren noch wegen des unverhältnismäßig großen Aufwands einer Re-Identifizierung als anonymisiert galten, können bereits morgen durch Big Data-Analysemethoden wieder einer konkreten Person zugeordnet werden. Auch vor diesem Hintergrund sollte der Handel mit derartigen Daten restriktiv gestaltet werden.
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