Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, empfiehlt den Kommunen den Verkauf von anonymisierten Datenbeständen. Wie finden Sie diesen Vorschlag?
Zuallererst muss ich etwas klarstellen, das in der Debatte nicht genügend deutlich geworden ist: Auf keinen Fall kann es darum gehen, dass Meldeämter unsere Daten zu Geld machen. Die sind tabu. Auch geht es nicht um eine Parallele zum Datenverkauf durch die Posttochter an politische Parteien. Der wird datenschutzrechtlich durch meine nordrheinwestfälische Kollegin geprüft, wobei vor allem zu klären sein wird, ob es sich tatsächlich um anonymisierte Datenbestände handelte. Selbst wenn der Datenverkauf aus datenschutzrechtlicher Sicht ok war, müssen wir alle noch gemeinsam darüber sprechen, welche Auswirkungen eine solche Praxis auf unsere parlamentarischen Demokratie hat.
Der springende Punkt ist aber doch, dass Verwaltungen eine Vielzahl von Daten produzieren, die keinen Personenbezug aufweisen. Der Aufbau solcher Datenbestände nimmt viele Ressourcen in Anspruch. Denken Sie etwa daran, wie viele Beschäftigte es bei statistischen Landesämtern und in der Kataster- und in der Vermessungsverwaltung gibt. Die bremische Verwaltung hatte sogar vor ein paar Jahren auf einem Portal solche Daten zur Verfügung gestellt, um Softwareentwicklerinnen und Softwareentwickler zu motivieren, daraus Apps zu entwickeln. In diesen Fällen bin ich in der Tat dafür, solche Daten, mit denen sich von Privaten viel Geld verdienen lässt, nicht einfach wegzuschenken.
Der Bund hat einen „nationalen Aktionsplan für Transparenz und offenes Regieren“ erarbeitet, der die Bereitstellung offener Daten in den Vordergrund stellt. Wie passt das zum Verkauf von Daten?
Zunächst einmal muss ich wieder etwas klarstellen, diesmal als Landesbeauftragte für Informationsfreiheit: Für Bürgerinnen und Bürger darf es grundsätzlich erst einmal nichts kosten, von der Verwaltung Informationen zu erhalten, um sich besser am demokratischen Willensbildungsprozess beteiligen zu können. Hier sollten Gebühren - wenn sie überhaupt erhoben werden - auf ein Minimum reduziert sein. Sofern Gebührenordnungen dies nicht beachten, verstoßen sie gegen die Grundsätze der Informationsfreiheit. Die Sache liegt aber anders, wenn es sich um die Nutzung amtlicher Informationen zur Gewinnerzielung handelt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Informationsweiterverwendungsgesetz tatsächlich dafür entschieden, für bereitgestellte öffentliche Informationen, die gewerblich genutzt werden, allenfalls geringe Gebühren zu erheben. Höchstens können dies salopp gesagt die Kopierkosten sein. Diese gesetzliche Regelung ist keinesfalls zwingend. Die Europäische PSI(=Re-use of Public Sector Information)-Richtlinie, würde es sogar erlauben, für die Daten deutlich höhere Gebühren zu erheben. Auch die Kosten der Erstellung, Erfassung, Reproduktion und Verbreitung können danach gedeckt werden. Der europäische Richtliniengeber geht darüber sogar noch hinaus, indem er zusätzlich eine „angemessenen Gewinnspanne“ akzeptiert. Angesichts des gestiegenen Wissens um den Wert der in der Verwaltung vorhandenen Daten könnten die deutschen Gesetzgeber deshalb durchaus einmal darüber nachdenken, den privaten Stellen, die mit Hilfe dieser anonymisierten Daten Geld verdienen, im Gegenzug entsprechende Gebühren abzuverlangen.
Kritiker wenden ein, dass Großkonzerne wie Google hohe Preise für Daten bezahlen könnten, Start-Ups aber nicht. Wie bewerten Sie das?
Auf diesen Aspekt könnten gestaffelte Beträge reagieren, die am Gewinn orientiert sind. Um Modelle dafür zu entwickeln, wie das genau aussehen könnte, müsste noch gesetzgeberische Kreativität entfaltet werden.
Zum Datenschutz-Aspekt: Wie lässt sich sicherstellen, dass verkaufte oder anderweitig verbreitete Daten wirklich keine Rückschlüsse auf die Privatsphäre des Einzelnen zulassen?
Sie haben völlig Recht: Es ist unverzichtbar, hier viel Mühe zu investieren. Anonymisiert sind nur solche Daten, bei denen der Personenbezug irreversibel unmöglich gemacht ist. Nicht anonymisiert sind also mehrere Informationen zu einer bestimmten Person, die in dieser Kombination nur noch allein auf diese Person zutreffen. Wenn in einem Postleitzahlenbezirk nur ein einziger Hauseigentümer ein Haus mit Spitzgiebel hat, dann ist eine Information über dieses Haus personenbezogen, also nicht anonymisiert. Auch muss Zusatzwissen, das bei irgendwem vorhanden ist, mit berücksichtigt werden. Eine Information über Frauen, die im Jahr 1950 Abitur gemacht und danach in Aachen Maschinenbau studiert haben, ist also nicht anonymsiert, wenn es nur eine einzige gegeben hat, was ihre damaligen Mitstudierenden wissen. Dass Anonymisierung schwer ist, heißt aber nicht, dass es keine anonymisierten Daten geben kann. Im Zweifel sind es dann aber eben ein paar Daten weniger, die gegen Gebühren weitergegeben werden können. Es bleiben noch genug übrig.

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