In der aktuellen Corona-Krise gerät auch das klassische Schulfernsehen wieder verstärkt in den Fokus. Welche Vorteile bieten lineare AV-Formate heute noch?
Beim aktuellen Projekt "Schule daheim" von BR und Bayerischem Kultusministerium, mit dem sich bayerische Schülerinnen und Schüler während der Corona-bedingten Schulschließungen mit Lerninhalten beschäftigen können, setzen wir bewusst sowohl auf ein lineares als auch ein Abruf-Angebot. Werktags zwischen 9 und 12 Uhr – also zu einer Zeit, in der sonst Schule wäre - sendet der Bildungskanal ARD-alpha ausgewählte Lerninhalte linear im Fernsehen. Es ist ein Angebot, das sowohl Eltern als auch den Schülerinnen und Schülern helfen kann, auch in der Ausnahmesituation der Corona-Krise den Alltag zu strukturieren und zu festen Zeiten zu lernen. Parallel gibt es die Inhalte losgelöst von festen Sendezeiten in der BR Mediathek - ergänzt von der Plattform mebis des Bayerischen Kultusministerium, zu der der BR ebenfalls zahlreiche Programme beisteuert. Denn es zeigt sich schon, dass eine non-lineare, zeit- und ortsunabhängige Nutzung auch für Lernformate wie Schulfernsehen oder Sprachkurse zunehmend in den Vordergrund tritt. Allerdings verändern sich Machart und Inhalte dabei deutlich weniger als der Ausspielweg. Unsere Erfahrungen zeigen, dass gut gemachte, im klassischen Sinn produzierte TV-Videos auch im Netz hohe Reichweiten erzielen.
Für welche Schulfächer eignen sich lineare AV-Formate besonders - und für welche weniger?
Statt einer Unterscheidung nach Fächern bevorzugen wir die Unterscheidung nach den Inhalten, die gezeigt werden sollen. Unser für alle Fächer gleichermaßen geltende Ansatz für "Lernformate der Zukunft" nutzt für jeden Inhalt das passende Medium: Bewegtbild eignet sich besonders für Inhalte mit hohem Schauwert oder einem hohen Bedarf an Visualisierung. Es wird z. B. bei der Vermittlung von Architekturthemen, Ästhetik wie der Lehre vom goldenen Schnitt, historischen Ereignissen und diversen naturwissenschaftlichen Experimenten eingesetzt. Audio wird vornehmlich für Sprachkurse, Deutsch und historische Tonquellen verwendet. Erklärgrafiken veranschaulichen Zusammenhänge und Vorgänge, die real nicht gefilmt werden können, z. B. die Molekülstruktur oder der Blick in Maschinen. Grundsätzlich liegt der Hauptvorteil digitaler Ausspielwege in den flexiblen Längen. Einzelne Module erzählen bzw. erklären immer eine abgeschlossene Stoffeinheit. Die Einsatzmöglichkeiten werden dadurch deutlich flexibler.
Welche begleitenden digitalen Angebote können die Wirkung von linearen AV-Formaten unterstützen?
Wie oben beschrieben, bietet das Bereitstellen von Lerninhalten auf Abruf, wie wir es etwa aktuell im Zuge des Projekts "Schule daheim" in der BR Mediathek praktizieren, natürlich den großen Vorteil der zeit- und ortsabhängigen Nutzung. Unterstützend kann Unterrichtsmaterial wie Arbeitsblätter oder weiterführende Informationen zum Download angeboten werden, etwa auf Internetportalen wie mebis oder dem multimedialen Schulfernsehen Planet Schule.
Welche Potenziale für den Schulunterricht sehen Sie in linearen AV-Formaten auch über die aktuelle Krisensituation hinaus, ggf. in Verbindung mit ergänzenden digitalen Angeboten?
Neben den oben beschriebenen grundsätzlichen Perspektiven für Schul- und Lernformate eröffnen besonders die erwähnten "Lernformate der Zukunft" auch für den klassischen Schulunterricht einige interessante Möglichkeiten – wegen des modularen Aufbaus und der flexiblen, insgesamt sehr viel kürzeren Längen lassen sie sich in vielen Bereichen sinnvoll ergänzend nutzen. Unbedingte Voraussetzung für die vornehmliche Nutzung des digitalen Verbreitungswegs wäre allerdings die flächendeckende Breitbandversorgung vor allem der ländlichen Regionen.