In der Fachdebatte wurde immer wieder betont, dass es verlässliche Rahmenbedingungen und ein innovations- und investitionsfreundliches Klima braucht, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu erhalten bzw. zu steigern. Nun investiert Lilly 2,3 Milliarden Euro in den Bau eines neuen Werks hierzulande. Haben sich die Bedingungen in den zurückliegenden Monaten so stark positiv verändert, dass sie diese große Investition rechtfertigen?
Die Entscheidung für den Bau einer Hightech-Produktionsstätte zeigt unser Vertrauen in den Standort Deutschland. Die geplante Investition von 2,3 Milliarden Euro ist die größte Einzelinvestition von Lilly in den zurückliegenden Jahren. Mit der Anlage in Alzey, die subventionsfrei, sprich ohne staatliche Zuschüsse, realisiert wird, bauen wir unser weltweites Produktionsnetzwerk für injizierbare Medikamente und die dazugehörenden Injektionshilfen (Pens) aus.
Wir werden hier nicht nur für den deutschen Markt produzieren, sondern auch die Arzneimittelversorgung in der EU und weltweit unterstützen. Zudem werden am neuen Produktionsstandort in Alzey bis zu 1.000 hochqualifizierte Fachkräfte beschäftigt sein. Damit unterstreichen wir einmal mehr, dass die Arzneimittelbranche eine Schlüsselindustrie für Deutschland ist, die als eine der innovativsten und produktivsten Industrien hierzulande einen maßgeblichen Anteil zur Bruttowertschöpfung leistet.
In den zurückliegenden Monaten haben wir deutlich darauf hingewiesen, dass z.B. das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) oder das „EU-Pharma-Paket“ der Europäischen Kommission die schnelle Verfügbarkeit innovativer Medikamente für Patient:innen und die Versorgungssicherheit riskieren. Um im globalen Wettbewerb erfolgreich sein zu können, brauchen wir verlässliche politische Rahmenbedingungen und ein Umfeld, in dem die forschende Arzneimittelindustrie wieder als Leitindustrie verstanden wird.
Im Zuge der Entscheidungsfindung für die Investition in Alzey haben wir in zahlreichen vertrauensvollen Gesprächen mit Politiker:innen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene den Eindruck gewonnen, dass dieses Verständnis in die Politik zurückkehrt. Und wir sehen heute – anders als noch zu Beginn des Jahres – ein klareres Bekenntnis der politischen Entscheidungsträger:innen zum Pharmasektor als Zukunfts- und Leitindustrie für Innovation und Wertschöpfung in Deutschland.
Welche konkreten Entwicklungen der zurückliegenden Monate bewerten Sie positiv und wo wünschen Sie sich noch deutlichere Signale aus der Politik?
Forschende Pharmaunternehmen wie Lilly tragen eine große Verantwortung für eine stabile Arzneimittelversorgung in Deutschland. Diese lässt sich nur erreichen, wenn wir uns auf bewährte Mechanismen, ein anerkanntes Preisbildungssystem und ein konkurrenzfähiges Wettbewerbsumfeld verlassen können. Nur so können wir sicherstellen, dass innovative Therapien Patient:innen auch künftig schnell erreichen. Dafür bedarf es einer ganzheitlichen Strategie, die wettbewerbstaugliche Standortbedingungen und den bezahlbaren Zugang zu innovativen Arzneimitteln wieder besser vereint.
Wir werten es als positives Signal, dass die Bundesminister Dr. Robert Habeck und Prof. Dr. Karl Lauterbach in ihren jeweiligen Ressorts an Strategien arbeiten, die die Rahmenbedingungen für unsere Branche verbessern sollen. Die Ansätze im geplanten Medizinforschungsgesetz sowie im Industriestrategie-Papier gehen aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Nun kommt es darauf an, diese Ideen umzusetzen. Denn klar ist: Unsere Investition ist ein Vertrauensvorschuss für die Politik. Die muss nun den Beweis erbringen, Deutschland als Pharmastandort auch langfristig stärken zu wollen.
Erforderlich dafür sind investitions- und innovationsfreundliche Marktbedingungen. Hier gibt es in Deutschland noch viel zu tun: Wir müssen bürokratische Hemmnisse abbauen, Genehmigungsverfahren beschleunigen, Digitalisierung und Datennutzung vorantreiben. Ziel sollte mehr Flexibilität und weniger Regulation sein.
Konkret mahnen wir an, die Regelungen des GKV-FinStG im geplanten Anschlussgesetz zu korrigieren. Wir müssen zurück zu Verfahren, die es uns erlauben, innovative Medikamente hierzulande schnell zu Patient:innen zu bringen. Dazu gehört auch die Anerkennung von Schrittinnovationen. Für nachweislich bessere Arzneien konnten vor dem GKV-FinStG auch bessere Preise verhandelt werden. Heute hebeln starre Preisdeckel und nachträgliche, willkürliche Abschläge auf bereits verhandelte Preise bestehende Vereinbarungen des AMNOG aus und behindern Innovationen.
Ein weiterer Aspekt ist der Patent- und Unterlagenschutz: Er gewährt uns nach Medikamentenzulassung einen begrenzten Zeitraum, in dem wir zum einen unsere Forschungskosten refinanzieren und zum anderen weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren. Der von der EU-Kommission veröffentlichte Entwurf für die Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts sieht jedoch vor, den Unterlagenschutz zu verkürzen. Dieser Vorschlag ist für uns inakzeptabel und wir begrüßen es, dass auch das BMG „beträchtliche Risiken“ sieht.
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Was überwiegt zum Anschluss des Jahres: Ernüchterung oder Zuversicht?
Ganz klar die Zuversicht: Zu den entscheidenden Standortfaktoren steht unsere Branche im konstruktiven Austausch mit der Bundesregierung. In den vergangenen Monaten sind wir wichtige Schritte vorangekommen. Jetzt kommt es auf eine kluge und zügige Umsetzung der angekündigten Initiativen an, damit wir gemeinsam mit allen Akteuren im Gesundheitssystem die bestmögliche Gesundheitsversorgung in Deutschland erzielen können.