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Gesundheitliche Gefährdung durch digitale Systeme in der Arbeitswelt

Wie Management und Technik für Entlastung sorgen können

Prof. Dr. Jessica Lang, Leiterin des Lehr- und Forschungsgebiets Betriebliche Gesundheitspsychologie an der RWTH Aachen University und Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) Quelle: Uniklinik RWTH Aachen Prof. Dr. Jessica Lang Leiterin des Lehr- und Forschungsgebiets Betriebliche Gesundheitspsychologie RWTH Aachen University 13.10.2021
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Die mit der Digitalisierung einhergehende Reizüberflutung kann dauerhaft zu gesundheitlichen Problemen führen; Prof. Dr. Jessica Lang, von der RWTH Aachen beschreibt mögliche Symptome. Sie weiß auch, was Besserung und Abhilfe schaffen kann.







Welche gesundheitlichen Gefahren birgt ein Übermaß an Digitalarbeit?
Die gesundheitliche Gefährdung, die durch den üblich gewordenen Einsatz digitaler Systeme in der Arbeitswelt entsteht, ist ein Mangel an mentaler und damit auch physiologischer Erholung. Die mit der Digitalisierung einhergehende Reizüberflutung kann dauerhaft zu erhöhter Reizbarkeit, innerer Unruhe, Erschöpfung, schlechterer Schlafqualität aber auch zu somatischen Symptomen wie Kopfschmerzen oder muskuloskelettalen Beschwerden führen.

Ursache für die Reizüberflutung ist zum einen eine häufig parallel zur Digitalisierung stattfindende Arbeitsintensivierung (Stichwort: E-Mail Flut) und Arbeitsbeschleunigung (Erwartungshaltung schneller Reaktionszeiten) und damit einhergehende häufige Arbeitsunterbrechungen und mit vielen unerledigten Aufgaben in den Feierabend zu gehen und auch dort noch digital per Smartphone oder Tablet erreichbar zu sein. Die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit fällt zunehmend schwer.

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Wie gehen Beschäftigte und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der digitalen Arbeitswelt mit potenziellen gesundheitlichen Risiken um, wie kann man ihnen vorbeugen, Resilienz aufbauen?
Die Arbeit in der digitalen Welt und die damit einhergehende wachsende Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit fordert von den Beschäftigten ein hohes Maß an Selbstregulation. Die erhöhte Arbeitsdichte und Informationsflut z.B. führt dazu, dass die kognitiven Anforderungen steigen und man in der Lage sein muss, Informationen schnell zu sichten, zu bewerten und zu priorisieren. Ein gutes Zeitmanagement kann zu einer Entlastung führen und für das Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck aufgrund von Multitasking sind auch Stressmanagementtechniken hilfreich. Je nach individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten und dem aktuellen beruflichen Setting (z.B. ob man auf eine Beförderung hinarbeitet, wie hoch die mit dem Resultat der Arbeitsaufgabe verbundene Verantwortung für Produktionsergebnisse oder gar Menschen ist) sind daher die Möglichkeiten einer Überlastung zu begegnen für die einzelne Person beschränkt. Hier müssten betriebliche Strukturen angepasst werden.

Welche Rolle spielen dabei die Gestaltung des Arbeitsplatzes bzw. die Formatierung der Arbeitsinhalte?
Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist ein zentraler Aspekt, wenn es um die Ausprägung psychischer Belastungen aufgrund von Arbeit mit digitalen Medien geht. Führungskräfte sind hier gefragt, klare Strukturen zu schaffen und Erwartungshaltungen zu kommunizieren. So können Führungskräfte z.B. bei der Priorisierung von Aufgaben den Beschäftigten die Richtung weisen. Auch die Ermöglichung von Ruhearbeitszeiten während der Arbeitszeit sind eine Option, an denen keine E-Mails beantwortet werden müssen und das Telefon weitergeleitet werden kann, um ungestörtes Arbeiten an einer Aufgabe zu gewährleisten, die längere Konzentration erfordert. Das Einrichten von Kommunikationsregeln für digitale Medien ist ebenso möglich, dass es z.B. ausreicht, E-Mails nur 3x am Tag abzurufen und keine Antwort nach einer bestimmten Uhrzeit oder am Wochenende erwartet wird. Sollte eine Erreichbarkeit auch nach den regulären Arbeitszeiten notwendig sein, könnte man überlegen, dass Teammitglieder im Wechsel z.B. wochenweise die „Rufbereitschaft“ übernehmen.

Ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement ein passendes Werkzeug, um diesbezüglich eine hohe Kompetenz bei allen Beschäftigten eines Unternehmens zu erlangen?
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement ist in Betrieben die zentrale Schaltstelle für alle Belange des Arbeits-und Gesundheitsschutzes. Angefangen von der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze, mit Ableitung von Maßnahmen zur optimierten Arbeitsplatzgestaltung und –organisation, über die Begleitung von Wiedereingliederungsmaßnahmen nach z.B. psychischer Erkrankung bis hin zu Maßnahmen der individuellen betrieblichen Gesundheitsförderung idealerweise in einem interdisziplinären Team unter Einbezug der Betriebsmedizin und der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Natürlich kann das BGM steuern, dass sowohl Risiken der Digitalisierung systematisch im Zuge einer Gefährdungsbeurteilung betrachtet und minimiert werden als auch der Belegschaft Maßnahmen der Gesundheitsförderung angeboten werden zur Prävention negativer mentaler und körperlicher Beanspruchungsfolgen der digitalen Arbeit. Diese können neben Stress- und Zeitmanagementtrainings oder Achtsamkeitsübungen, auch Maßnahmen zur Entlastung des Bewegungsapparates wie z.B. eine „bewegte Pausen“ beinhalten. Um alle Beschäftigten zu erreichen, muss die Überzeugung der Wichtigkeit dieser Maßnahmen von der Betriebsleitung über die Führungskräfte deutlich an alle transportiert werden und zur Teilnahme in den von der Digitalisierung betroffenen Arbeitsbereichen aktiv aufgefordert werden.

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