„Züge, die voll automatisiert und in kürzeren Abständen fahren, die in Echtzeit intelligent und automatisiert gesteuert werden, die ihre Umwelt und ihre Position durch Sensorik erkennen“, so stellt sich die Deutsche Bahn die Zukunft des Eisenbahnverkehrs in Deutschland vor. Der Weg zum Ziel: konsequente Digitalisierung. Bis 2035 soll für etwa 32 Milliarden Euro die komplette Bahninfrastruktur auf dem Stand der Technik sein. Die Vision ist das eine, doch kann das Vorhaben tatsächlich in dem vergleichsweise kurzen Zeitraum umgesetzt werden? Zustimmung kommt von allen Debattenteilnehmern, allerdings setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte.
Sicher über den eingeschlagenen Weg ist sich Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister sowie Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr. „Sowohl die Europäische Leit- und Sicherungstechnik (ETCS) als auch digitale Stellwerke (DSTW) sind neue Techniken, deren Integration in unser bestehendes Eisenbahnnetz eine komplexe Aufgabe ist.“ Die Erfahrungen mit der Umsetzung von Pilotprojekten und Testfeldern „tragen zum Lösen der bestehenden Herausforderungen entschieden bei“.
Auf die konsequente Digitalisierung setzt auch Dirk Flege, Geschäftsführer der „Allianz pro Schiene“. Allerdings müssten die Mittel dafür erhöht und verstetigt werden. Der Weg dazu: die Verkehrswende. „Dafür muss sich der Bund wieder Gestaltungsspielraum beim Einsatz der Lkw-Mauteinnahmen verschaffen.“ Man müsse hin zum Grundsatz „Verkehr finanziert Verkehr“.
Niels Beuck, Geschäftsführer und Leiter Schienengüterverkehr|Kombinierter Verkehr im DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, glaubt an den Erfolg. Der Bahnsektor könne mit relativ einfachen Mitteln rasche Fortschritte in der Digitalisierung erreichen, weil der Grad der Digitalisierung noch gering sei. Jedoch müssten dabei private und staatliche Unternehmen im Logistikbereich gleichbehandelt werden. Und: „Der Staat muss dafür Fördergelder zur Verfügung stellen.“ Digitalisierung aus Eigenmitteln könne nicht gelingen.
Markus Fritz, Vice President und Leiter Main Line Signalling Domain Germany beim Bahntechnik-Hersteller Thales Deutschland, macht einen wunden Punkt aus: Die bislang geplanten Investitionen in die Bahninfrastruktur seien letztlich zu gering. „Die eigentliche Herausforderung ist, dass das Gesamtsystem von Infrastruktur, Fahrzeugen und Stellwerken synchron und aufeinander abgestimmt modernisiert und digitalisiert werden muss. Dies geschieht bisher zu langsam und zu sporadisch.“ Die Finanzierung müsse nachhaltig gewährleistet sein.
In diese Kerbe schlägt auch Dr. Niko Davids, Chief Digital Officer des Eisenbahn-Logistik- und Waggonvermietungsunternehmens VTG. Ob die Mittel ausreichend seien, hänge maßgeblich vom Fokus der Mittelverwendung ab. „Hier ist es mit der DB-Infrastruktur allein nicht getan. Auch vorgelagerte oder private Infrastrukturen wie Häfen, Umschlagterminals oder Industrieanschlüsse sowie das Rollmaterial müssen mittels der entsprechenden Förderung digitalisiert werden.“
Erfolg sieht Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender von PRO BAHN, in der Lösung des Problems, ob „zusätzliche Planungskapazitäten für Infrastrukturprojekte“ bereitgestellt werden könnten. Es herrsche Personalmangel. Die bislang geplanten Investitionssummen hält er für „durchaus ausreichend“. Geplant heiße aber leider noch lange nicht zugesagt.
„Bahn und Bundesregierung müssen ein hohes Tempo fahren und einen langen Atem beweisen“, konstatiert Philipp Kosok, Projektleiter Öffentlicher Verkehr der Denkfabrik Agora Verkehrswende. Er fordert für den Erfolg der Schienen-Digitalisierung ein Ende der Bevorzugung der Straße. „Zukünftig müssen Investitionsmittel genauso wie Personal dauerhaft vom Straßen- in den Schienensektor umverteilt werden. Anders sind die Ziele nicht zu schaffen.“
Hohes Tempo und langer Atem gefragt
Investitionsmittel und Personal vom Straßen- in ■ ■ ■
EIN DEBATTENBEITRAG VON
Philipp Kosok
Projektleiter Öffentlicher Verkehr
Agora Verkehrswende